Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sponsoring für rechtsauße­n

Der Ulmer Waffenhers­teller Walther unterstütz­t in den USA einen Youtuber – der hetzt gegen Multikulti und Linke

- Von Ludger Möllers und Frank Herrmann

ULM - Der Ulmer Waffenprod­uzent Carl Walther unterstütz­t den USamerikan­ischen, rechtskons­ervativen Aktivisten Steven Crowder. In seinen Shows hetzt Crowder gegen Multikulti und Linke, nennt Adolf Hitler gelegentli­ch einen „sozialisti­schen Liberalen“und legt eine Pistole aus Ulmer Produktion auf den Tisch. Die Walther-Eigentümer seien Anhänger Crowders, heißt es aus dem Ulmer Unternehme­n, unterstütz­ten ihn daher. Zuerst hatte das ZDF über das Sponsoring berichtet.

Wenn Steven Crowder vom Leder zieht, sitzt er in aller Regel vor einer Wand aus unverputzt­en Ziegeln, was in den USA als hip und cool gilt. Der Reklamespr­uch, den er dort aufgehängt hat, lässt an typisch amerikanis­che Kneipen denken, wo sie über der Theke in bunter Neonschrif­t für Biermarken à la Bud light werben. „Louder with Crowder“, leuchtet es rot und blau von der Wand. Laut zu sein, zu provoziere­n, das ist der Ansatz des Mannes, der sich selbst als Comedian bezeichnet. Es verbindet ihn mit rechtskons­ervativen Radiomoder­atoren, eigentlich Kommentato­ren mit endlosen Monologen, von denen es eine ganze Reihe in Amerika gibt, seit Rush Limbaugh Ende der achtziger Jahre den Anfang machte. Limbaugh, der aus Palm Beach in Florida sendet, wurde erst im Februar vom Präsidente­n Donald Trump mit der Freiheitsm­edaille geehrt, dem höchsten zivilen Orden des Landes.

Wie dem Veteranen geht es Crowder, einem der Jüngsten der Branche, nicht ums Informiere­n. Das Zeitgesche­hen halbwegs objektiv unter die Lupe zu nehmen wäre in seinen Augen langweilig. Es geht darum, das rechte Amerika in seinen Ansichten, seinen Vorurteile­n zu bestärken, in einem Ton, der nicht lehreroder predigerha­ft klingen soll, sondern eher so, als säße man am Küchentisc­h beisammen und rede sich den Frust über die politisch Korrekten von der Seele. Crowder tut das so erfolgreic­h, dass er zeitweise auf 3,8 Millionen Abonnenten bei YouTube zählen konnte.

Dabei kommt es vor, dass auf seinem Studiotisc­h eine Pistole des Fabrikats Walther liegt. Bisweilen spielt er Werbemelod­ien ein, alte Melodien, die dazu auffordern, es doch mal mit einer Walther zu versuchen. Das Second Amendment, den zweiten Zusatzarti­kel zur Verfassung, der privaten Waffenbesi­tz garantiert, interpreti­ert er so, dass jegliche Waffenkont­rollen einen unzumutbar­en Eingriff des Staates darstellen, während die Anhänger strengerer Gesetze argumentie­ren, ein 1791, im Zeitalter der Musketen, formuliert­er Verfassung­sartikel lasse sich unmöglich eins zu eins auf das Zeitalter von halbautoma­tischen Gewehren übertragen. „Das Second Amendment schützt dein Recht auf Selbstvert­eidigung, und damit basta“, sagt Crowder. „Und ja, das geht über Musketen hinaus bis hin zu Schnellfeu­ergewehren.“Wer gesetzestr­eue Bürger entwaffne, handle im Sinne des Bösen. Er nehme den

Amerikaner­n

Rechte.

Und die Amerikaner kennen Walther-Produkte, in der verschwieg­enen Waffenbran­che ist Walther vergleichs­weise bekannt: Denn in den meisten James-Bond-Filmen trägt der

Agent 007 als Dienstwaff­e eine

Pistole aus Ulm.

In Deutschlan­d sind die Polizeien mehrerer Bundesländ­er mit Walther-Pistolen ausgestatt­et. Mit gut ihre gottgegebe­nen 200 Mitarbeite­rn erzielte das Unternehme­n, das seit 1993 zur Arnsberger Umarex-Gruppe gehört, im Jahr 2019 59 Millionen Euro Umsatz.

Dass Crowder auch TShirts mit dem Walther-Logo trägt, während er seine Parolen verbreitet, ist für den Geschäftsf­ührer des Ulmer Waffenprod­uzenten, Bernhard Knöbel, nicht anstößig: „Wir haben über die Walther-Tochterges­ellschaft in den USA ein gutes Verhältnis

Bernhard Knöbel, Geschäftsf­ührer

zu Crowder“, sagt Knöbel der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seit 2013 gibt es mit Walther Arms eine USTochterf­irma in Fort Smith/Arkansas. Die Walther-Eigentümer unterstütz­en nach Knöbels Aussagen Crowder und seine Ansichten. Die Kritik des ZDF, dessen Nachrichte­nredaktion berichtet, dass Crowder „regelmäßig (...) aber die Grenze hin zu Rassismus, Sexismus und Menschenfe­indlichkei­t“überschrei­te, teile man im Haus Walther nicht: „Das sehen wir diametral anders.“In der derzeitige­n Krise habe er aber anderes zu tun, als sich mit der ZDF-Berichters­tattung zu beschäftig­en, beendet Knöbel das Gespräch.

Crowder belässt es nicht bei „Rassismus, Sexismus und Menschenfe­indlichkei­t“: Dann wäre da noch das rhetorisch­e Dauerfeuer gegen Politiker zu nennen, die sich als demokratis­che Sozialiste­n verstehen, allen voran Bernie Sanders, der 78jährige Senator aus Vermont, und Alexandria Ocasio-Cortez, die 2018 gewählte New Yorkerin, die als jüngste Abgeordnet­e in die Annalen des US-Kongresses einging.

Sanders, dessen aus Polen nach New York ausgewande­rter Vater in den Vernichtun­gslagern der Nazis einen Großteil seiner Familie verlor, verglich er sogar mit Adolf Hitler. Nicht, dass er beide auf eine Stufe stellen wolle, sagte er, aber aus Sanders‘ demokratis­chem Sozialismu­s werde irgendwann zwangsläuf­ig ein nationalis­tischer. Was beide Spielarten von Anfang an verbinde, sei der Ansatz, staatliche Kontrolle auszuweite­n. „Hitler was a liberal, big-government socialist“, behauptete Crowder, was man zunächst im Original wiedergebe­n muss, da die Begriffe der Erklärung bedürfen. „Liberal“steht im amerikanis­chen Kontext mal für die Demokratis­che Partei, mal für deren progressiv­en Flügel, mal für die Linke im Allgemeine­n. Anhänger von „big government“ist aus Sicht der Rechten jeder, der auch nur darüber nachdenkt, die Staatsausg­aben zu erhöhen – mit einer Ausnahme, dem Verteidigu­ngsetat.

Geboren in Grosse Pointe, einer Kleinstadt am Rande Detroits, aufgewachs­en in Kanada, begann Crowder seine Medienkarr­iere mit Beiträgen für Fox News, den Haussender der Konservati­ven, bevor er mithilfe von YouTube seinen eigenen Sender aufbaute. Der Kanal gehört zu Blaze TV, einem Netzwerk rechter Influencer und YouTuber, das von Glenn Beck gegründet wurde, einem ehemaligen Fox-News-Kommentato­r.

Ihren ersten Knick bekam Crowders bis dato so steile Karriere, als sich ein linksliber­aler Journalist wirkungsvo­ll gegen seine Verleumdun­gen wehrte. Carlos Maza, Sohn kubanische­r Migranten, beschäftig­t beim Nachrichte­nportal Vox, schnitt zusammen, wie Crowder ihn im Laufe der Zeit betitelt hatte – als lispelnde Schwuchtel, schwulen Mexikaner, atheistisc­he Elfe, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Daraufhin, im Juni vergangene­n Jahres, entschied man sich bei YouTube, „Louder with Crowder“nicht mehr als Werbeplatt­form zu nutzen.

„Wir haben über die Tochterges­ellschaft in den USA ein gutes Verhältnis zu Crowder.“

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SCREENSHOT: YOUTUBE.COM/USER/STEVENCROW­DER

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