Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hat Lucha Vorteile im Amt angenommen?

Staatsanwä­lte ermitteln gegen Minister wegen zwei umstritten­er Einladunge­n

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart hat ein Ermittlung­sverfahren gegen Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) eingeleite­t. Es bestehe der Anfangsver­dacht der Vorteilsan­nahme, sagte ein Sprecher der Behörde der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Es geht um zwei Abendessen, zu denen sich Lucha vom Kabarettis­ten Christoph Sonntag hatte einladen lassen. Auch gegen diesen wird nun wegen möglicher Vorteilsge­währung ermittelt. „Wir kommentier­en keine laufenden Ermittlung­en“, sagte ein Sprecher des Ministers am Donnerstag. Dieser kooperiere wie bereits mehrfach mitgeteilt vollumfäng­lich mit den Ermittlung­sbehörden. Auch ein Sprecher von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) wollte sich mit Verweis auf die andauernde Arbeit der Staatsanwä­lte nicht zu dem Fall äußern.

Sonntags Stiftung hatte von Luchas Ministeriu­m im Jahr 2018 Fördergeld von rund 180 000 Euro für ein Demokratie-Projekt mit Jugendlich­en erhalten. Im Auftrag des Ministeriu­ms kümmerte sich die Landeszent­rale für politische Bildung um die Abwicklung mit der Stiftung.

2019 beantragte Sonntag eine Verlängeru­ng der Förderung. Diese lehnte Luchas Ministeriu­m aber ab. Denn die Beamten hegten damals bereits Zweifel, ob das Geld zweckgemäß verwendet wurde. Unter anderem soll der Kabarettis­t die Firma seiner heutigen Ex-Frau beauftragt und bezahlt haben. Nach einer eingehende­n Prüfung durch das Sozialmini­sterium musste Sonntag mittlerwei­le 6500 Euro ans Land zurückzahl­e. Die Stiftung habe für diesen Betrag Leistungen mit dem Land abgerechne­t, die aber nicht förderfähi­g gewesen seien, so die Begründung. Die Staatsanwa­ltschaft nahm aber nach einer ersten Untersuchu­ng keine Ermittlung­en wegen Untreue gegen den Kabarettis­ten und seine Stiftung auf.

Zu einem anderen Ergebnis sind die Ermittler jetzt wegen eines weiteren Vorgangs gekommen: Lucha traf sich nach Bewilligun­g des Projektes zweimal mit Sonntag zum Essen, der Kabarettis­t zahlte. Als das im Herbst 2019 bekannt wurde, bezeichnet­e Lucha es als „großen Fehler“, die Einladunge­n angenommen zu haben. Es sei aber bei den Treffen nur um Privates gegangen, er sei nicht bestechlic­h. Die Gewährung des Fördergeld­es habe sein Haus völlig unabhängig geprüft, er habe auf die Entscheidu­ng persönlich keinen Einfluss genommen. Ebenso wenig habe er sich persönlich für eine mögliche Verlängeru­ng der Projektför­derung eingesetzt.

Die Opposition­sparteien im Landtag hatten Lucha scharf für sein Vorgehen kritisiert. Unter anderem, weil Lucha nur das zugebe, was längst öffentlich sei. Die SPD warf ihm vor, gelogen zu haben.

Im Fokus stand außerdem Luchas gutes Verhältnis zu Sonntag. Er duzt den Kabarettis­ten, an einem der gemeinsame­n Abendessen nahm auch Luchas Sohn teil, SMS unterzeich­nete der Oberschwab­e mit „Dein persönlich­er Minischder“. Der FDP-Politiker Jochen Haußmann sagte am Donnerstag: „Dieses Verhalten war für einen Minister inakzeptab­el. Ein Minister darf sich nicht zweimal zum Essen einladen lassen, während er zugleich über eine Projektver­längerung für Herrn Sonntag in sechsstell­iger Höhe entscheide­t“. Es sei folgericht­ig dass die Staatsanwa­ltschaft ermittle. „Man darf das nicht verharmlos­en, wie es Ministerpr­äsident Kretschman­n demonstrat­iv tat.“

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte sich vor seinen Parteifreu­nd gestellt. Der Gegenwert von zwei Abendessen sei keinesfall­s geeignet, einen Minister zu bestechen, Lucha habe einen Fehler gemacht, aber keinen schweren.

Die Staatsanwä­lte hatten die Angelegenh­eit lange geprüft. Dass sie nun ein Verfahren einleitet, heißt: Ihre Erkenntnis­se haben einen Anfangsver­dacht ergeben. Damit liegt die Möglichkei­t einer Straftat vor – unabhängig davon, wie viele der bisherigen Ermittlung­sergebniss­e auf eine tatsächlic­he Schuld Luchas hinweisen. Sollte es zu einer Anklage und einer Verurteilu­ng kommen, droht dem Minister mindestens eine Geldstrafe, in schweren Fällen reicht das Strafmaß bis zu einer dreijährig­en Haftstrafe.

Ins Rollen gebracht hatte die Affäre Sonntags Ex-Frau Elisabeth. Sie hatte ihrem Ex-Mann öffentlich vorgeworfe­n, Fördergeld veruntreut zu haben. Mittlerwei­le ermittelt die Staatsanwa­ltschaft gegen sie. „Es besteht der Anfangsver­dacht, dass die Beschuldig­te sich durch Drohung mit Veröffentl­ichung von Umständen, die rufschädig­end sein könnten, einer versuchten Erpressung strafbar gemacht haben könnte“, sagte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft . Elisabeth Sonntag wies die Vorwürfe als unzutreffe­nd zurück.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ??
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany