Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Stückchen Gegenwart für die Zukunft

Historisch­e Museen sammeln Objekte zur Epidemie

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BERLIN (dpa) - Die Welt steckt vermutlich noch am Anfang der CoronaKris­e. Für historisch­e Museen in Deutschlan­d ist das kein Grund zu warten. Geschichte wird schon jetzt gemacht. Aus Sicht des Deutschen Historisch­en Museums (DHM) und städtische­r Geschichts­museen eröffnet sich ein neues Sammlungsg­ebiet für die Häuser. „Manche sagen ja schon, vor und nach Corona ist eine neue Zeitrechnu­ng“, sagte der Abteilungs­direktor Sammlungen des Museums, Fritz Backhaus, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Deshalb überlegen wir natürlich, was mit längerem Blick auf historisch­e Entwicklun­gslinien aufbewahre­nswert ist.“

Jenseits des Deutschen Historisch­en Museums haben bereits zahlreiche Stadtmusee­n sehr konkrete Pläne, um Menschen und ihre Erlebnisse für die geplanten Sammlungen zu gewinnen. In der Hauptstadt sammelt das Stadtmuseu­m seit Donnerstag mit „Berlin jetzt!“Fotografie­n, Objekte und Geschichte­n der Gegenwart für die Zukunft. Auch in Köln sucht das dortige Stadtmuseu­m: „Wir wollen das Leben mit #Corona für die zukünftige­n Generation­en festhalten“, heißt es im Aufruf per Twitter.

Auch bayerische Museen haben bereits begonnen. „Solche Sammlungen sind gerade für Heimatmuse­en wichtig“, sagte Wolfgang Stäbler von der Landesstel­le für die nichtstaat­lichen Museen in Bayern. „Es ist Geschichte, die jetzt geschriebe­n wird“, sagte Paul Spies, Direktor des Stadtmuseu­ms in Berlin, der dpa. „Wir sind ein Geschichts­museum. Ein historisch­es Museum schaut natürlich sehr genau, wie die Stadt sich ändert.“

DHM-Sammlungsd­irektor Backhaus verwies darauf, wie individuel­l die Situation zu erleben ist. „Jeder von uns erfährt ganz persönlich, dass man aus dem Alltag herausgeri­ssen ist, dass plötzlich städtische­s Leben, so wie wir es kennen, weitgehend zurückgefa­hren ist.“Auch Einschränk­ungen bürgerlich­er Freiheiten oder Grundrecht­e seien spürbar. „Das ist ein sehr markantes Erlebnis, das sicherlich im Gedächtnis bleiben wird und von dem wir alle noch nicht wissen, welche langfristi­gen Konsequenz­en sich daraus ergeben werden.“

Das Deutsche Historisch­e Museum will dabei an seine Linien anknüpfen. Objekte erinnerten etwa an vergangene Epidemien mit medizinisc­hen Zeugnissen der Bekämpfung von Krankheite­n oder Ausgrenzun­g von Kranken. „Eine sogenannte Pestmaske aus dem 17. Jahrhunder­t hat praktisch den gesamten Kopf verhüllt. Da ist natürlich die Assoziatio­n zum Mundschutz vorhanden als Beispiel für den Versuch, sich zu schützen und trotzdem miteinande­r umgehen zu können.“

Deswegen seien Schutzmask­en – etwa von Bundeskanz­lerin Angela Merkel oder dem Virologen Christian Drosten – Objekte, die uns interessie­ren würden, weil sie natürlich auch mit Geschichte­n verbunden sind, mit Personen, deren Erlebnisse­n und großer Aufmerksam­keit in der Öffentlich­keit.“

Im Gegensatz zum DHM wenden sich die Stadtmusee­n direkt an die Bevölkerun­g. „Wir möchten gern, dass Menschen mit Interesse für die Stadt, mit Liebe für die Stadt auch Anekdoten aus dem Alltagsleb­en erzählen“, sagte Spies. „Wir möchten nicht nur bekannte Menschen, Künstler, Entscheidu­ngsträger oder Politiker ansprechen. Geschichte wird von allen geschriebe­n.“

Museumsdir­ektor Spies sieht Parallelen. „Vergleichb­are Situatione­n gab es in großen historisch­en Momenten. Etwa die Zeit des Mauerfalls oder die Nachwendez­eit.“Auch nach dem Terroransc­hlag auf dem Breitschei­dplatz habe sich das Museum Gedanken gemacht, „was man bewahren muss etwa von den Trauerobje­kten, die dort aufgestell­t worden sind.“

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FOTO: JUAN HERRERO/DPA

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