Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einkaufen von Angesicht zu Angesicht
Einzelhändler in Riedlingen atmen auf: Leichte Lockerung der Corona-Regeln könnte Umsatz fördern
RIEDLINGEN - Zahlreiche Einzelhändler in Riedlingen und im Umland wollen ab 20. April wieder ihren normalen Geschäftsbetrieb aufnehmen. Nach der Ankündigung der Bundes- und Landesregierung dürfen Geschäfte und Einkaufsläden mit einer Fläche von weniger als 800 Quadratmetern ab kommender Woche wieder ihre Pforten öffnen, wenn sie die geltenden Abstands- und Hygieneregeln im Angesicht der Corona-Pandemie einhalten.
„Ich freue mich riesig, dass es wieder losgeht“, sagt Elke Mark, Inhaberin des Riedlinger Einrichtungsgeschäfts „Mark Raumschoen“. Sie ist voller Hoffnung, dass mehr Menschen in die Innenstadt kommen und konsumieren. So könne sich auch der Umsatz in ihrem Laden steigern lassen. Zuletzt war Elke Mark mit Stammkunden über soziale Medien bereits in Kontakt. „Wir sind gut auf die Ladenöffnung vorbereitet. Mundschutz und Desinfektionsmittel stehen in den Verkaufsräumen bereit.“Nun hofft Elke Mark, das Leben möge in die Riedlinger Altstadt zurückkehren. „Es wäre schön, wenn auch Cafés und Gaststätten geöffnet hätten.“
Zuversicht verbreitet auch der 1. Vorsitzende des Riedlinger Handelsund Gewerbeverbands, der zugleich Mitinhaber des Optiker- und Hörgerätegeschäfts Stöhr + Oster ist. „Hoffentlich kommen viele Menschen in die Riedlinger Geschäfte – allerdings mit Mundschutz. Das wäre fair gegenüber dem Verkaufspersonal“, sagt er. Das werde sicherlich gut funktionieren, schließlich hätten die Menschen die Hygieneregeln in den vergangenen Wochen verinnerlicht.
Das Bekleidungshaus Hima in Ertingen hat während der Schließung zur Überbrückung einen Bestell- und Lieferservice angeboten. Dieser sei vorwiegend von Frauen genutzt worden, die dringend etwas zum Anziehen benötigten. Geschäftsführerin Silke Renz stellt fest: „Die Leute kommen lieber ins Geschäft.“Viele Kunden wollten mit dem Kauf deshalb lieber warten, bis wieder geöffnet sei. Hima sei auf anlassbezogene, festliche Kleidung eingestellt. Mit der Absage von Hochzeiten, Erstkommunionsfeiern und anderen größeren Festivitäten fehle derzeit die Nachfrage. Die zehn Mitarbeiterinnen sind in Kurzarbeit, während Silke Renz sich um das Büro kümmert. „Die Rechnungen laufen weiter“, sagt sie. Deshalb sei es schon eine Erleichterung, dass ab Montag wieder geöffnet werden kann, wenn auch unter den vorgeschriebenen Auflagen. Der Mundschutz für die Mitarbeiterinnen sei eine Eigenproduktion von Hima. Die Beschaffung von Desinfektionsmitteln sei hingegen etwas schwieriger. Auf jeden Fall sei im Laden genug Platz, damit die Kundschaft den gebotenen Abstand halten könne. Und auf diese warte eine „Riesenauswahl an Sommermode“, verspricht Silke Renz.
Auch nebenan, im Bekleidungshaus Wahl, war man während der Schließung nicht untätig. „Wir haben nicht weniger, sondern eher mehr gearbeitet“, berichtet Markus Wahl, Inhaber des Spezialisten für
Männermode. Zwar wurde für das Verkaufspersonal Kurzarbeit angemeldet. Ware konnte aber weiterhin im Internet oder telefonisch bestellt werden. „Der Bestellservice lief recht gut“, berichtet Wahl. „Aber das ist kein Vergleich zu den Umsätzen, wenn wir geöffnet haben.“Dennoch habe es Spaß gemacht, auf die Situation beispielsweise mit einem Youtube-Kanal zu reagieren: „Das ist eine ganz andere Art zu verkaufen.“Und die Mitarbeiter zu Hause bildeten sich über Webinare weiter. Mit ihnen war der Chef in ständigem Kontakt. „Denen fällt die Decke auf den Kopf“, hat Wahl festgestellt. „Das ist eben ein Job, bei dem man normalerweise täglich mit Kunden zu tun hat.“Die Auszubildende, die in der Zweitausbildung derzeit in der Änderungsschneiderei tätig sei, habe massenweise Mundmasken genäht, die zum großen Teil sozialen Organisationen wie dem Seniorenwohnheim gespendet würden.
Bei der Ulrich’schen Buchhandlung in Riedlingen lief der Verkauf per Online-Bestellungen ebenfalls gut. Allerdings sei das sehr arbeitsaufwendig und bringe nicht so hohe Erlöse wie vor der Corona-Krise, meint Inhaberin Roswitha Mayer. „Für Kunden ist es gut, wenn unser Geschäft wieder eröffnet wird. Sie können die Waren in die Hand nehmen und anschauen.“Sie erwartet wieder mehr Laufkundschaft und ein Umsatzplus. So lasse sich die derzeit geltende Kurzarbeit möglicherweise wieder beenden. „Wir sind bereit!“
Für die Wiedereröffnung sieht sich Markus Wahl gut vorbereitet. Mit exakt 793 Quadratmetern liegt seine Ladenfläche knapp sieben Quadratmeter unter der erlaubten Größe. Die will er aber bei weitem nicht ausreizen. „Wir starten am Montag mit einer kleinen Besetzung und wollen langsam hochfahren“, sagt Wahl. Mehr als drei Kunden plus jeweils einer Begleitperson sollen sich, bei vorheriger Anmeldung über Telefon oder die Homepage, nicht gleichzeitig im Laden aufhalten. Bei möglichst hoher Bewegungsfreiheit müsse der Infektionsschutz von Kunden und Mitarbeitern höchste Priorität haben: „Wir wollen nichts riskieren.“Es gebe getrennte Einund Ausgänge, die Mitarbeiter seien mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattet. Außerdem sei ein berührungsloser Spender für Desinfektionsmittel bestellt.
Die Hauptsaison sei durch die Pandemie komplett ausgefallen, bedauert Wahl. „Das stellt die ganze Branche vor große Herausforderungen.“Er sei mit vielen Kollegen in Kontakt. Mancher müsse damit umgehen, dass Ware auf Halde liegt, andere damit, dass Stornos von Lieferanten nicht akzeptiert werden. Auch bei Lieferanten sei der Absatz eingebrochen, die Lieferquote infrage gestellt. Wahl verdeutlicht das am Beispiel von Jeans: Der Stoff italienischer Herkunft wird in Tunesien gefertigt. Dort wird aber, coronabedingt, vier Wochen nicht geearbeitet. Wenn die Produktion wieder angelaufen ist, müssen die Hosen anschließend nach Italien zum Waschen – wo möglicherweise nach wie vor der Shutdown gilt. Die Reiseroute der Jeans bis zum Verkaufsregal ist also mit Unwägbarkeiten versehen.
In Bad Buchau können die Händler jetzt wieder etwas Atem schöpfen. „Wir von der WGB freuen uns natürlich“, kommentiert Stefan Winkler die Lockerung der CoronaVerordnung. Er und Stefan Konrad sind Vorsitzende der Werbegemeinschaft Bad Buchau-Federsee. Hinter Bad Buchaus Gewerbetreibenden liege eine lange Durststrecke – für Gastronomen, Frisöre und Dienstleister sei sie auch noch nicht ausgestanden. „Das ist schon ein schlimmer Einschnitt, viele haben zu kämpfen“, weiß Winkler. Der überwiegende Teil der Buchauer Gewerbetreibenden müsse Miete bezahlen, hinzu kämen noch die Personalkosten. Die Krise treffe diejenigen, die ohnehin geringe Rücklagen hätten. „Das ist mit Sicherheit für viele nach wie vor ein Riesenproblem“, so der Leiter eines Versicherungs-, Finanz- und Immobilienbüros.
„Man kann nur hoffen, dass die Corona-Soforthilfen rasch ausbezahlt werden. Aber es ist gut, dass es diese unkomplizierte Möglichkeit für die Einzelhändler gibt.“Anderseits stehe natürlich die Gesundheit an erster Stelle. Was den WGB-Vorsitzenden stolz macht: „Viele haben das Beste aus der Situation gemacht, sind kreativ geworden und haben flexibel reagiert.“So seien neue Service-Angebote wie Online-Handel und Bestellungen per Whatsapp entstanden. Winkler hofft nun, diese Angebote würden auch nach der Krise beibehalten werden.