Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nach dem VfB-Aus kam nur noch Warten
Der einst hochgelobte Markus Weinzierl ist seit einem Jahr ohne neuen Trainer-Job
STRAUBING (dpa) - Plötzlich stand das Handy von Markus Weinzierl nicht mehr still. Rund 30 verpasste Anrufe, etwa 50 neue Nachrichten – und alles nur, weil sich der FC Augsburg von Trainer Martin Schmidt getrennt hatte. Dass viele in dem Moment gleich an ihn dachten, merkte Weinzierl erst, als seine Fortbildung zu Ende und sein Telefon wieder angeschaltet war. Vier Jahre war er einst beim FCA, aus dieser Zeit stammt sein ehemals so guter Ruf. Zu einem zweiten Engagement kam es aber nicht, der FCA setzt auf Heiko Herrlich. Und Weinzierl? Sagt, es sei gut, wenn seine Zeit bei den bayerischen Schwaben als „goldenes Kapitel“stehen bleibe. Und wartet weiter.
Seit zwölf Monaten geht es nun schon so. In der 1. und 2. Bundesliga gab es seither viele Trainerwechsel. Der Niederbayer aber ist noch arbeitslos. Aus dem einst so begehrten Aufsteiger ist ein Trainer geworden, der nicht mehr gefragt scheint.
Seit sich der VfB Stuttgart am 20. April 2019 im Abstiegskampf nach einem 0:6 in Augsburg von ihm trennte, ist es ruhig um ihn geworden. Weinzierl betont, selbstverständlich wolle er arbeiten, zeigt sich aber nicht verärgert. Zumindest öffentlich nicht. „Ich hätte, wenn ich hundertprozentig gewollt hätte, etwas machen können“, sagt er. „Das Richtige wird wieder kommen und dann wird es auch weitergehen. Ich bin offen für das In- und Ausland. Aber ich spüre keinen Druck.“
Nach seinem Aus beim VfB habe er zahlreiche Gespräche mit anderen Trainern wie Bruno Labbadia oder Sandro Schwarz geführt. Er hat sich Trainingseinheiten auch in England angeschaut, einen Rhetorikkurs und eine Medienschulung besucht. Er hat seine Freizeit mit seiner Familie und seinen zwei Söhnen genossen, Golf gespielt und war Skifahren.
Während in der Bundesliga erst die Corona-Pandemie für Stillstand und etwas Besinnung sorgte, hat Weinzierl schon lange Zeit, sich viele Gedanken zu machen. Über die Vergangenheit, in der er vergeblich versuchte, sich auf Schalke und beim VfB durchzusetzen. Über die Zukunft, in der er sich mit einem neuen Co-Trainer neue Wege öffnen will. Über die Folgen der Corona-Krise denkt er natürlich nach.
Die Auswirkungen des Virus auf den Sport könnten seine Situation erschweren, glaubt der 45-Jährige. „Das ist für alle, die auf ein Engagement warten, von Nachteil, weil kein Verein planen kann“, sagt auch der Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL), Lutz Hangartner. Weinzierl berichtet: „Ich war in sehr guten Gesprächen mit zwei Vereinen vor der Corona-Krise.“
Viele Trainer sind wie Weinzierl in der Warteschleife. Rund 900 haben laut BDFL die Lizenz für die
1. und 2. Liga. Wer einmal gescheitert ist, hat es schwer, wieder eine Chance zu bekommen. Bei Weinzierl hat es zweimal nicht geklappt, sein Ruf hat Schaden genommen. „In vielen Fällen kommt die Chance lange nicht“, sagt Hangartner.
2014 war Weinzierl zum Trainer des Jahres gewählt worden, vor klangvollen Namen wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp. Nachdem er Regensburg in die
2. Liga geführt hatte, schaffte er mit Augsburg nach nur neun Punkten in der Hinrunde den Verbleib in der Bundesliga. Später führte er den Außenseiter in die Europa League.
Für Schalke erwies sich Weinzierl nicht als der richtige Trainertyp und musste nach Platz zehn und einer Saison gehen. In Stuttgart blieb der Niederbayer nur 23 Spiele. Die missglückte Zusammenarbeit war sicher nicht seine alleinige Schuld, dem Kader fehlte es an Torgefahr und Geschwindigkeit. Und der VfB ist dafür bekannt, Trainer zu verschleißen. Dennoch: Seither ist seine Karriere am Tiefpunkt. „Bei diesen Vereinen sind viele Trainer nicht glücklich geworden, und da waren ganz erfolgreiche dabei“, sagt der 45-Jährige und gesteht: „Fakt ist, wenn es so kommt, dass ein Verein wie der VfB absteigt, alle Fehler gemacht haben. Da nehme ich mich nicht aus.“Auf den Tag X, an dem das aus seiner Sicht richtige Angebot kommt, fühlt er sich vorbereitet. Dass mehr als ein Jahr Wartezeit aber nicht automatisch zu einem passenden Engagement führt, weiß er aus Erfahrung. Beim VfB unterschrieb er nach 15 Monaten Pause.
„Bei diesen Vereinen sind viele Trainer nicht glücklich geworden, und da waren ganz erfolgreiche dabei.“
Markus Weinzierl