Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lernen statt reisen

Diskussion um kürzere Sommerferi­en – Viele Urlaubszie­le fallen weg

- Von Stefan Kegel, Mathias Puddig und Dorothee Torebko

BERLIN - Fallen der Corona-Krise jetzt auch noch die Sommerferi­en zum Opfer? Ein Vorschlag von Wolfgang Schäuble (CDU) erregt großes Aufsehen. Der Bundestags­präsident hat angeregt, die Ferienzeit zu nutzen, um verpasste Unterricht­szeit nachzuhole­n und Eltern zu entlasten. Dabei wollen die das gar nicht unbedingt. Zumindest der Deutsche Familienve­rband hält den Vorstoß für falsch. „Eine Ferienverk­ürzung hat aus Sicht des Deutschen Familienve­rbandes keine Priorität“, sagt dessen Bundesgesc­häftsführe­r Sebastian Heimann. Erst einmal müsse geklärt werden, wie jetzt der Unterricht organisier­t werden kann.

Schäuble war jedoch nicht der erste mit der Idee, die großen Ferien für Bildung zu nutzen. Der wissenscha­ftliche Beirat des Familienmi­nisteriums hatte schon zuvor die Idee eingebrach­t, auch in den Ferien Bildungs- und Freizeitan­gebote für Schüler zu organisier­en. Auch die Bildungsex­perten wurden kritisiert. „Einige haben das in den falschen Hals bekommen und gemeint, wir wollen den Kindern die Ferien wegnehmen“, sagt der Kinderpsyc­hiater Jörg M. Fegert. Darum gehe es aber überhaupt nicht. „Jeder braucht Ferien.“Die Ferien müssten allerdings unter veränderte­n Bedingunge­n vernünftig gestaltet werden. Die Debatte sei wichtig.

Ob Schäuble dieser Debatte nun einen Gefallen getan hat, ist aber zu bezweifeln. Nicht nur der Familienve­rband und die Lehrergewe­rkschaft GEW laufen Sturm gegen die Idee, auch der Lehrerverb­and kritisiert sie. Präsident Heinz-Peter Meidinger sagt, eine Ferienverk­ürzung könne höchstens eine Einzelmaßn­ahme sein. „Wir brauchen ein Gesamtkonz­ept“, fordert er. „Denn eines ist klar: Den Stoff dieses Schuljahre­s werden wir auf keinen Fall vollständi­g vermitteln können.“Unwichtige­r Stoff müsse ausgesiebt, andere Dinge Anfang des kommenden Schuljahre­s nachgeholt werden.

Meidinger warnt zudem vor der sich öffnenden Bildungssc­here: „Wir haben eine große Schülergru­ppe, die durch die Schulschli­eßungen abgehängt wird.“Vor allem sorgt er sich um Grundschül­er, die noch nicht selbststän­dig arbeiten können, Kinder mit Migrations­hintergrun­d, Schüler mit Förderbeda­rf und jene, die im Elternhaus keine Unterstütz­ung finden, oder wo es nur einen Computer gibt, den die Eltern fürs Homeoffice brauchen. Um den Stoff aus der Corona-Zeit aufzuholen, steht der Lehrerpräs­ident daher freiwillig­en Angeboten wie Sommerakad­emien auch in den Ferien offen gegenüber.

Doch selbst wenn die Ferien wie geplant stattfinde­n, sind die Ziele wohl überschaub­ar. Seit März gilt die Empfehlung der Bundesregi­erung, auf Reisen zu verzichten, insbesonde­re auf nicht notwendige, touristisc­he. Das Auswärtige Amt sprach eine Reisewarnu­ng aus, die vorerst bis zum 3. Mai gilt, aber auch verlängert werden könnte. „Die Gründe für die Reisewarnu­ng dauern leider immer noch fort“, erklärt Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD). „Der internatio­nale Flugbetrie­b ist nach wie vor weitgehend eingestell­t.“

Unabhängig von der Frage, wohin man überhaupt noch kommt, bestünde bei Reisen das Risiko, im Ausland zu stranden und nicht wieder zurückzuko­mmen. Viele Länder hätten zudem eine Einreisesp­erre verhängt. Es sei zum gegenwärti­gen Zeitpunkt nicht absehbar, in welchem Maße sich der Reiseverke­hr internatio­nal wieder normalisie­re.

Das bekommen die mehreren Tausend Deutschen weltweit zu spüren, die bislang nicht mit der größten Rückholakt­ion von Touristen in der bundesdeut­schen Geschichte zurückkehr­en konnten. 240 000 gestrandet­e Deutsche sind bereits, teils mit gechartert­en Maschinen der Bundesregi­erung, wieder hier gelandet. Bis in die nächste Woche hinein werden noch Flüge aus Südafrika, Südamerika und von den Pazifikins­eln stattfinde­n, bevor es an die Abarbeitun­g vieler Einzelfäll­e geht.

Wer per Auto oder Zug ins Ausland fahren will, wird an den EUGrenzen der meisten Nachbarlän­der Deutschlan­ds kontrollie­rt. Polen, Österreich und Frankreich führen Kontrollen durch.

Die eingeschrä­nkte Reisefreih­eit schlägt sich auch in den Urlaubsplä­nen der Deutschen nieder. Dem ARD-Deutschlan­dtrend zufolge hat ein Drittel der Bevölkerun­g die Ferien aufgrund der Corona-Krise verschoben oder gar storniert. Nur 28 Prozent der Menschen wollen an ihren Urlaubsplä­nen festhalten.

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