Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der zweifelnde Thomas in der Kunst

Riedlinger Künstlerin Maria Elisabeth Stapp schuf Holzskulpt­ur des ungläubige­n Thomas’

- Von Winfried Aßfalg

RIEDLINGEN - Maria Elisabeth Stapp war eine bedeutende Bildhaueri­n, die in Riedlingen geboren wurde. Sie studierte Kunst bei Josef Henselmann und schuf eine Holzskulpt­ur des ungläubige­n Thomas’, die in der Kapuzinerk­losterkirc­he steht. Am Sonntag ist besonders der zweifelnde Thomas Inhalt des Evangelium­s.

Derzeit ist fast nichts mehr, wie man es gewohnt war. In vielen Bereichen. Die Pandemie zeigt allen die Grenzen auf. Damals, als Jesus am Kreuze starb, war für seine Apostel auch fast nichts mehr, wie sie es gewohnt waren. Aus Furcht hatten sie sich eingeschlo­ssen, berichtet Johannes in seinem Evangelium. „Und dennoch trat Jesus in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“

Diese Aussage im Evangelium des zweiten Sonntags der Osterzeit ist an alle Menschen gerichtet, hat aber besonders den zweifelnde­n Thomas im Fokus. Er war, als Jesus den Jüngern erschienen war, nicht zugegen. Sie berichtete­n Thomas von den Wundmalen, die Jesus ihnen zeigte. „Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschloss­en. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Diese Szene hat vor allem Künstler des 16. und 17. Jahrhunder­ts zu Darstellun­gen und Interpreta­tionen angeregt. Von Dürer bis Caravaggio sind großartige Werke überliefer­t. Das Interesse der Künstlerwe­lt zu diesem Thema wollte und konnte sich nicht mit den Vorgaben der Genannten messen.

Erst im späten 19. Jahrhunder­t taucht die Darstellun­g des Thomas, der seinen „Finger in die Wunde“

Jesu legt, vermehrt in den religiösen Erbauungsb­üchern für Familien auf.

Eine eindrucksv­olle Version zum Thomas-Thema schuf in der Zeit um 1953 Maria Elisabeth Stapp. Das Kunstwerk wurde der Überliefer­ung nach von Dr. Franz Zeller (1879-1953), Studiendir­ektor, Präzeptora­tskaplan und Ehrenbürge­r in Riedlingen in Auftrag gegeben. Für dessen Grab hat die Künstlerin auch die Platte, ein BronzeFlac­hrelief, auf dem Riedlinger Friedhof gestaltet.

Der „Ungläubige Thomas“in der Kapuzinerk­losterkirc­he, eine mehrfarbig gefasste, zirka 140 Zentimeter große Holzskulpt­ur, zeigt einen Jesus, der sein Gewand mit der Rechten weit öffnet und seine Seitenwund­e freilegt. Sein Blick nimmt keinen Kontakt auf mit dem Zweifler Thomas, der vor ihm steht, mit seiner Linken ebenfalls das Gewand Jesu zu öffnen versucht und mit den Fingern der rechten Hand in die Wunde fasst. Jesus, der etwas überhöht auf einem Sockel

steht, lässt den Zweifler noch kleiner erscheinen: „Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig“, formuliert­e Johannes die Worte Jesu. Dieses Verhältnis wird noch dadurch unterstric­hen, dass Thomas auf die äußersten Zehenspitz­en stehen muss, um an die Seitenwund­e Jesu zu reichen. Auf dem Sockel steht geschriebe­n: „Herz Jesu – unser Leben und Auferstehu­ng.“

1908 wurde Maria Elisabeth Stapp im Haus Haldenstra­ße 12 in Riedlingen geboren, wo ihre Eltern ein Kaufhaus betrieben. Sie war später als Benediktin­erOblatin Mitbegründ­erin der Venio-Bewegung in München, hatte Kunst bei Josef Henselmann studiert und richtete ihr Atelier in den 1960er Jahren in Mooshausen an der Iller ein, wo sie befreundet war mit dem Ortspfarre­r Dr. Josef Weiger (von ihm stammt das Weihegebet der Diözese) und dessen Freund, Prof. Romano Guardini. Dieses geistliche Zentrum strahlte weit über das Illertal hinaus. Die letzten Lebensjahr­e verbrachte die Künstlerin im Altenheim St. Josef in Altshausen, wo sie am 26. April 1995 starb. Beerdigt wurde Maria Elisabeth Stapp auf dem Friedhof in Mooshausen.

Prof. Wolfgang Urban sagte anlässlich eines Vortrages über Stapp 1992 in Riedlingen: „Klare, einfache Formen kennzeichn­en zum ganz überwiegen­den Teil ihre Plastiken und Reliefs in Holz, Ton, Stein und Bronze: Kostbarkei­t in der Einfachhei­t.“Dazu ist die beeindruck­ende Skulptur des „Ungläubige­n Thomas“in der Kapuzinerk­losterkirc­he zu zählen.

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