Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Pionierin wider Willen
Imke Wübbenhorst ist neue Trainerin des Regionalligisten Lotte – Es soll nur um Fußball gehen
LOTTE (dpa/SID) - Für ihren Traum vom Trainerposten in der FußballBundesliga hat Imke Wübbenhorst vieles aufgegeben. Von ihrem Job als Gymnasiallehrerin hat sie sich beurlauben lassen. Sogar ihre Wohnung hat sie gekündigt. Oft schlief sie im Auto oder bei Freunden auf dem Boden. Sie vermisste vor allem Dalmatinerin Baila und fragte sich, „ob ich demnächst kellnern gehen muss“. Aber sie wollte unbedingt den Fußball-Lehrer-Lehrgang absolvieren.
Das Wort „Lehrerin“kommt in der dortigen Beschreibung noch nicht vor. Imke Wübbenhorst war die einzige Frau unter 25 Teilnehmern wie Ex-Nationalspieler Tim Borowski, mit dem sie eine Fahrgemeinschaft bildete. Sie war in Cloppenburg schon die erste Cheftrainerin eines männlichen Oberligisten, seit Freitag ist sie ihrem großen Ziel noch ein Stück nähergekommen – die 31-Jährige wurde beim Viertligisten Sportfreunde Lotte vorgestellt.
Als das Telefon klingelte, spielte ihr Geschlecht keine Rolle. Und allein das bedeutete Wübbenhorst ungemein viel. „Am meisten hat mich beeindruckt, dass es die ganze Zeit nur um Fußball ging“, berichtete die neue Trainerin der Sportfreunde Lotte über die „sehr langen und intensiven Gespräche“mit dem Regionalligisten: „Es ging wirklich darum, sich über eine Spielphilosophie auszutauschen.“Als erste Frau nach Inka Grings tritt die Pionierin in der Domäne Männerfußball einen Job als hauptamtlicher Trainer bei einem Viertligisten an. Beim derzeitigen Tabellenzehnten unterzeichnete Wübbenhorst einen Zweijahresvertrag. „Das ist das, was ich mir immer gewünscht habe“, sagte die ehemalige Juniorennationalspielerin. „Ich scharre schon mit den Hufen.“
Nach ihrem Aufsehen erweckenden Engagement beim Oberligisten BV Cloppenburg, wo sie 2019 mit einem Satz („Ich stelle nach Schwanzlänge auf“) auch international in die Schlagzeilen geraten war, hatte die 31-Jährige auf ihren Traum als Trainer im bezahlten Männerfußball hingearbeitet. „Ich habe viel Zeit und Entbehrung in mein großes Ziel gesteckt“, sagte Wübbenhorst. „Jetzt kann ich endlich hauptberuflich das tun, was ich gerne tue. Das ist die Möglichkeit, mich zu beweisen. Ich erwarte sehr viel von mir.“
In diversen Hospitationen ließ sie sich inspirieren, schaute bei Frank Wormuth in Almelo oder Julian Nagelsmann in Leipzig ganz genau hin. Am Ende der Ausbildung fehlten nur die Abschlussprüfungen – doch drei Tage vor deren Beginn wurde Wübbenhorst von der Corona-Krise ausgebremst. Die A-Lizenz besitzt sie dennoch, die Prüfung zum Fußballlehrer soll nachgeholt werden.
Doch sie ist, wie Bibiana Steinhaus bei den Schiedsrichtern, eine Pionierin wider Willen. „Ich möchte einfach nur eine Trainerin sein, keine neue Alice Schwarzer“, sagte Wübbenhorst dem „Weser-Kurier“. In Lotte wurde sie schon mal herzlich begrüßt. „Viel Erfolg und herzlich willkommen, Imke!“, schrieben die „Freibier Ultras Lotte“bei Facebook.