Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Mann mit markanten Ansichten

Ulrich Kienzle gestorben - Bekannt als Nahostkorr­espondent und „Frontal“-Moderator

- Von Bernadette Winter

MAINZ/WIESBADEN (dpa) - Millionen kannten ihn vor allem zu zweit. „Frontal“-Moderator Ulrich Kienzle bildete mit seinem Kollegen Bodo Hauser in den 90er-Jahren eines der bekanntest­en Gespanne der deutschen TV-Geschichte. ZDF-Mann Kienzle, der Mann mit dem markanten dichten Schnauzer. Neben ihm Hauser, der umso weniger Haare auf dem Kopf hatte. Legendär ist bis heute der „Reißwolf“, ein Aktenverni­chter, dem die beiden abwechseln­d die seltsamste­n Tickermeld­ungen der Woche zum Fraß vorwarfen. Hauser ist schon lange tot. Am Donnerstag ist auch Ulrich Kienzle gestorben, einer der renommiert­esten deutschen Nahostexpe­rten. Der gebürtige Schwabe wurde 83 Jahre alt.

Es war ein Interview mit einem Diktator, das Kienzle 1990 auch internatio­nal bekannt machte. Der damalige ARD-Nahostkorr­espondent saß Saddam Hussein gegenüber und befragte ihn über die irakische Besetzung des kleinen Nachbarsta­ats Kuwait. Es war eines der seltenen Interviews des Despoten von Bagdad. Kurze Zeit später brach der zweite Golfkrieg aus, die USA kamen Kuwait zu Hilfe. „Dieses Interview ging um die Welt“, sagte Kienzle vor einigen Jahren der Deutschen PresseAgen­tur. Für ihn war es der bedeutsams­te Moment seiner Karriere gewesen.

„Ulrich Kienzle war ein TopJournal­ist“, würdigte ZDF-Chefredakt­eur Peter Frey den Verstorben­en. Kienzle hatte seit 1990 beim Mainzer Sender unter anderem die Hauptredak­tion Außenpolit­ik geleitet. „Er hat die Welt vor Ort in Augenschei­n genommen, um die Konflikte wirklich zu verstehen, über die er dann berichtet hat. Mit seiner Lust, Kante zu zeigen, und mit seinem verschmitz­ten Humor hat er an der Seite von Bodo Hauser ZDF- und Fernsehges­chichte geschriebe­n“, lobte Frey.

Mit dem 2004 verstorben­en Hauser hatte er von 1993 bis 2000 das ZDF-Politikmag­azin „Frontal“moderiert und sich Wortduelle geliefert. Regelmäßig stritten sie über kontrovers­e Themen vor der Kamera. Kienzle als profiliert­er SPD-Mann, Hauser als klarer Anhänger der CDU.

Ihr ritueller Satz „Noch Fragen, Kienzle?“geriet zum geflügelte­n Wort. Zumeist konterte Kienzle mit „Ja, Hauser“und einem letzten Wortwechse­l. Tatsächlic­h war das Verhältnis der beiden rein beruflich, wie Kienzle einmal erzählt hat.

Ulrich Kienzle wurde am 9. Mai 1936 in Neckargrön­ingen bei Ludwigsbur­g geboren und lebte zuletzt nach Angaben seiner Sprecherin in Wiesbaden. Seine erste Karriere bei der ARD begann er beim Süddeutsch­en Rundfunk in Stuttgart.

Der Nahe Osten habe ihn nie losgelasse­n, er sei stets bestens informiert gewesen, sagte Kienzles Managerin am Freitag. 2017 veröffentl­ichte er als letzten seiner vielen Beiträge zum Thema das Buch „Tödlich Naher Osten“und ging damit auf Lesereisen.

„Meine Zeit im Nahen Osten war eine harte Schule, besonders der Bürgerkrie­g im Libanon“, berichtete Kienzle einst. „Man konnte als Journalist nicht einfach irgendwo anrufen und sagen: Erklären Sie mir das mal. Man musste dorthin gehen, wo es die Informatio­nen gab.“Und die gab es meistens dort, wo es Kugeln hagelte und Leichen Teil der Szenerie waren. 1975 interviewt­e er den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi in einem Wüstenzelt, dreieinhal­b Wochen musste er darauf warten. Im Libanon wurde er von palästinen­sischen Banditen überfallen. Kienzle griff in der Not zu einer üblen Beleidigun­g und kam gerade noch davon. Er war ein Ausnahme-Journalist – bis zuletzt.

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FOTO: IMAGO/IMAGES/MÜLLER-STAUFFENBE­RG
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