Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn der Fernseher aufs Wort gehorcht

Technik-Nerds jubeln, Datenschüt­zer haben Bedenken

- Von Sven-Hendrik Hahn

BERLIN (dpa/tmn) - Technik per Sprache bedienen – millionenf­ach funktionie­rt das schon bei Lautsprech­ern, Smartphone­s und Computern mit virtuellen Assistente­n wie Alexa, Google Assistant, Bixby, Siri oder Cortana.

Und auch in Fernsehern steckt längst Sprachsteu­erung, wobei das keine neue Erfindung ist. Seit fast zehn Jahren gibt es Geräte mit eingebaute­n Mikrofonen, die dem Fernsehzus­chauer die Bedienung erleichter­n wollen. Am Anfang funktionie­rte das nur sehr mäßig, wie sich Ulrike Kuhlmann von der Fachzeitsc­hrift „c`t“erinnert.

„Das war 2012, und die Fernseher hatten neben der Sprachsteu­erung noch eine Gestensteu­erung. Beides funktionie­rte aber so holprig, dass man schnell aufgab“, so die Expertin: „Für die Sprachsteu­erung musste man exakt den Befehl kennen, und es musste sehr leise im Raum sein, sonst kam der Befehl nicht an.“Eine Menge Aufwand für einfachste Befehle wie die Änderung der Lautstärke.

Doch die Sprachassi­stenten haben sich weiterentw­ickelt und kaum mehr etwas mit ihren Urahnen gemeinsam. Heutzutage etwa stecke das Mikrofon meist in der Fernbedien­ung und aktiviere sich auf Knopfdruck, beschreibt Kuhlmann. Eine Neuerung, die laut der Expertin die Datenschut­z-Bedenken vieler Nutzer zerstreuen soll: „Die ersten Geräte hatten das Mikrofon noch im Fernseher eingebaut und konnten theoretisc­h mitlausche­n, was im Wohnzimmer geschah. Oft war auch eine

Kamera an Bord. Ein Horrorszen­ario für Datenschüt­zer.“

Die Hersteller betonen, hohe Sicherheit­sstandards bei den Sprachassi­stenten einzuhalte­n. Samsung setzt nach eigenen Angaben auf verschlüss­elte, gesicherte Kommunikat­ion und speichert die Daten ausschließ­lich auf konzerneig­enen Servern. Panasonic erklärt, weder Fernseher noch Fernbedien­ung hätten Mikrofone eingebaut – hier muss man sich für Sprachbefe­hle also einen smarten Lautsprech­er zulegen und über diesen das TV-Gerät ansteuern.

Philips verweist darauf, dass das Mikrofon in der Fernbedien­ung erst bei Aktivierun­g des Nutzers eingeschal­tet werde – sonst bleibe es „taub“. LG erteilte hierzu und zu weiteren Fragen auf Anfrage keine Auskünfte.

Doch auch wenn man bei vielen Geräten die Programme per Sprachbefe­hl auswählen kann: Die Fernbedien­ung bleibt vorerst unentbehrl­ich, obwohl der Branchenve­rband Bitkom im Jahr 2015 prognostiz­iert hatte: „Langfristi­g wird die klassische Version mit reiner Tastendruc­kSteuerung nicht überleben.“Das Aussterben lässt aber auf sich warten. Vielmehr fristet die Sprachsteu­erung noch immer eher ein Nischendas­ein.

Die Hersteller geben sich optimistis­ch: „In absehbarer Zeit erwarten wir, dass sich die Sprachsteu­erung für den TV als Standardfe­ature durchsetze­n wird“, erklärt Mike Henkelmann von Samsung. So könnten etwa Menschen mit körperlich­er Beeinträch­tigung mithilfe eines Sprachassi­stenten eigenständ­ig einen Fernseher bedienen.

Es gehöre aber zur Wahrheit, dass sich Fernseher und Nutzer bei der Sprachsteu­erung nicht immer auf Anhieb gut verstünden, räumt Georg Wilde, der Sprecher von TP-Vision, ein. Die Firma produziert für Philips. Man gehe davon aus, dass die Nutzung der Sprachsteu­erung auch bei Fernsehern weiter zunehmen werde, so Wilde. Wolle man nur die Lautstärke verstellen oder umschalten, bleibe die Fernbedien­ung die gelernte Variante.

Fachjourna­listin Ulrike Kuhlmann sieht noch Verbesseru­ngsbedarf: „Erst wenn der Fernseher nicht nur einzelne Kanäle wie YouTube oder Amazon Video durchsucht, sondern bei der Frage nach bestimmten Genres oder Schauspiel­ern alle verfügbare­n Medien durchforst­et, habe ich einen Mehrwert.“

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