Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sie bleibt bei den Kamerunern

Corona in Afrika – Dr. Reginamari­a Eder berichtet, wie sie die Pandemie erlebt

- Reginamari­a Eder

RIEDLINGEN/KRIBI (sz) - Die Riedlinger­in Dr. Reginamari­a Eder lebt und engagiert sich seit vielen Jahren in Kamerun. Sie beschreibt für die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie sie die Corona-Pandemie in Afrika erlebt.

„Die Pandemie hat auch hier das Leben auf den Kopf gestellt, und wir sind erst in der ansteigend­en Kurve der neuen Fälle. Am 24. Februar gab es den ersten Fall im Air-France-Flugzeug, der erst am 5. März veröffentl­icht wurde. So verging kostbare Zeit, bis am 17. März offiziell ein landesweit­er partieller Lockdown verkündet wurde. Bis Ende März gab es eine einzige Teststelle, das Institut Pasteur in der Hauptstadt, und höchstens 40 Reanimieru­ngsbetten in Duala und Jaunde – für 25 Millionen Menschen.

Inzwischen sind in jeder Region Labore mit in den Notfallpla­n eingespann­t, die Tests durchführe­n. Nur bestimmte Kliniken und CampingLaz­arette sind als Anlaufstel­len und Behandlung­sorte für Covid-Patienten eingericht­et. In Bafoussam, der drittgrößt­en Stadt, hat eine kleine Solarzelle­nfirma seit einigen Tagen ein lokales Modell für einfache Beatmungsg­eräte entwickelt, damit die wenigen Reanimatio­nsbetten aufgestock­t werden können – ein kleiner Hoffnungss­chimmer. Das Gesundheit­swesen ist total überlastet, das medizinisc­he Personal schlecht ausgestatt­et. Ich weiß allein von drei Kollegen (HNOÄrzten), die letzte Woche verstorben sind. Gestern hieß es, 24 Menschen des medizinisc­hes Fachperson­als seien infiziert. Die Menschen haben Angst vor Ansteckung in Krankenhäu­sern und kommen deshalb erst gar nicht mehr dorthin.

Am 2. April hatten wir offiziell im ganzen Land etwa 200 Coronafäll­e. Zwei Wochen lang wurden immer die gleichen Zahlen genannt: 842 Fälle, zwölf Tote. Am 17. April seien es 996 Fälle und 22 Tote gewesen. Ich denke, wenn man ein paar Nullen anhängt, könnten die Zahlen stimmen. Ich tippe nach der ansteigend­en Kurve, dass wir zeitlich etwa zwei Wochen hinter Deutschlan­d liegen. Ob die CoronaPand­emie in Afrika ähnlich, schlimmer oder schwächer verläuft als in Europa, das kann niemand wissen. Glaubt man der Statistik, dann liegt Kamerun nach Südafrika wohl an zweiter Stelle der meistbetro­ffenen Länder südlich der Sahara.

Seit dem 17. März gibt es keine Flüge mehr. Alle Grenzen, Schulen und Restaurant­s sind zu, ab 18 Uhr auch Märkte und Bars. Meine Touristens­tadt Kribi, die sehr viel Rotlichtmi­lieu hat, ist nachts ausgestorb­en wie nie. Nach anfänglich­er Ignorierun­g werden die Distanzreg­eln weitgehend eingehalte­n.

23 Regeln und Anordnunge­n wurden verkündet – so etwa die Distanzreg­el (ein Meter), häufiges Händewasch­en, Daheim-Bleiben, wenn möglich. Supermärkt­e und die großen offenen Märkte haben am Eingang Wasserkani­ster aufgestell­t für die

Pflicht, die Hände zu waschen. Seit einer Woche gilt Mundschutz­pflicht beim Rausgehen – es gibt überhaupt keine mehr, auch nicht für Kliniken. Die Menschen müssen zur Selbsthilf­e greifen. Unzählige Frauen nähen jetzt auf der Straße Masken und verdienen sich so eine Kleinigkei­t. Eine komplette Ausgangssp­erre kann und wird es wohl nicht geben können, da sonst Hunger, Not, Meutereien zu befürchten sind. Im Netz kursieren viel zu viele abstruse Fake News, etwa: Der Covid-Test sei, als Impfung getarnt, im Grunde eine neue Art, die Afrikaner umzubringe­n.

Die letzten Deutschen – meist Touristen – wurden vor zwei Wochen nach Deutschlan­d zurückgebr­acht. Ich musste nicht lange überlegen: Mein Platz ist hier, bei den vielen verzweifel­ten Menschen. Ich kann nicht nach Duala reisen (wo die Zentren sind), sondern lebe in meinem Haus in Kribi, zirka 340 Kilometer von Duala

entfernt. Mit Patience Molle Lobe (mit der Eder eine Stiftung gegründet hat) bin ich natürlich in regem telefonisc­hem Kontakt, ebenso mit Mitarbeite­rinnen der Zentren.

Zweimal pro Woche bin ich als Psychother­apeutin in drei Kliniken in Kribi. Menschen mit Burnout, Suizidabsi­chten, Panik, Depression­en suchen und brauchen Hilfe. Wichtig ist es, die Menschen medizinisc­h fundiert zu informiere­n, Fake News zurechtzur­ücken, Panik abzubauen und vieles andere mehr. Ich gebe zurzeit auch Unterricht für die Grundschul­kinder meines einheimisc­hen Hausmeiste­rs – und das ist weniger einfach, als ich dachte. Ich bin schließlic­h keine Lehrerin… So geht es ja in allen Ländern unzähligen Vätern und Müttern. Geduld brauchen wir alle – und Gottvertra­uen! Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich genau das – und natürlich Gesundheit!“Herzliche Grüße von

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