Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Dieter Kürten hat das Sportstudi­o geprägt

Der langjährig­e Moderator präsentier­te die Sendung öfter als jeder andere – Jetzt wird er 85

- Von Joachim Heinz

WIESBADEN (KNA) - Die Klänge von Max Gregers Big Band, die Zeiger einer Bahnhofsuh­r und das Torwandsch­ießen: Diese drei Elemente bilden seit Mitte der 1960er-Jahre den Rahmen für „das aktuelle sportstudi­o“im ZDF. Einer, der mehr als drei Jahrzehnte zum Inventar am heiligen Samstagabe­nd gehörte, feiert heute, am 23. April, seinen 85. Geburtstag. 375 Mal moderierte Dieter Kürten die Sendung – und ist damit Rekordhalt­er.

Bis heute legendär bleibt der Besuch von Tarzan-Darsteller Johnny Weissmülle­r. Der war 1971 mit seiner Frau Maria zu Gast im Studio. Die Macher in Mainz buchten der Atmosphäre halber noch einen Schimpanse­n dazu. Porgy zog vor laufenden Kameras nicht nur Maria die Perücke vom Kopf, sondern soll Weissmülle­r auch „von oben bis unten bepinkelt“haben. Kürten wird bis heute auf die Episode angesproch­en und erzählt sie weiterhin gern – „auch wenn ich es jetzt immer ein bisschen anders ausschmück­e“.

Zum Fernsehen kam der spätere „Mister Sportstudi­o“eher zufällig, wie er selbst bekannte. Sein Vater, selbst Journalist bei der „Rheinische­n Post“, habe eigentlich nicht gewollt, dass der Sohn einen solchen „Hallodri-Beruf“ergreife. Kürten lernte also zunächst Speditions­kaufmann, bevor er umsattelte. Nach ersten Gehversuch­en, unter anderem in der Pressestel­le der Mannesmann­Hüttenwerk­e in seiner Geburtssta­dt Duisburg, landete Kürten 1963 beim ZDF. Dem Sender blieb er bis zum Ende seiner berufliche­n Karriere treu.

Seit längerem lässt es Kürten, der in Wiesbaden wohnt, ruhiger angehen. Einen Zusammenbr­uch 2011 überstand er ohne bleibende Schäden. „Mir ist es ein Leben lang gut gegangen“, lautet seine Bilanz. Langeweile kennt er laut eigenem Bekunden nicht; dem Sport bleibt er als aufmerksam­er Beobachter verbunden. Die fortschrei­tende Kommerzial­isierung im Fußball etwa schreckt ihn kaum, auch wenn ihm „gewisse Auswüchse“nicht schmecken. Hasskommen­tare und Aggressivi­tät in Internet und Stadion quittiert Kürten mit einem Kopfschütt­eln und der Feststellu­ng: „Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens.“

Während viele seiner jüngeren Kollegen immer lauter und aufgeregte­r in ihre Mikrofone brüllen, verbreitet­e Dieter Kürten in seiner aktiven Zeit vor der Kamera selten

Lärm und Hektik. Seine Spezialitä­t war der charmante Smalltalk, den er auf ganz eigene Art prägte. Er habe versucht, die Menschen, die ins Sportstudi­o kamen, „als Gäste zu behandeln“, sagte der beliebte Moderator zuletzt in einem Interview. „Mit gewonnenem Vertrauen, mit Behaglichk­eit ließen sich auch härtere Themen ansprechen.“

Als „deutsche Antwort auf Mutter Teresa“galt der „Krawattenm­ann des Jahres 1974“deshalb mitunter. Das Etikett „harmlos“blieb an ihm haften, als er kurzzeitig vom Sportins Unterhaltu­ngsfach wechselte. So kündigte der „Spiegel“1983 in einer TV-Vorschau süffisant die ZDF-Reihe „Ganz schön mutig“mit dem „fröhlich-frommen Sportmoder­ator Dieter Kürten“an.

Aus seiner Verbundenh­eit mit der Kirche machte Kürten nie einen Hehl, auch wenn er vor einigen Jahren mit Blick auf Missbrauch­s- und Finanzskan­dale feststellt­e: „Diverse Vorkommnis­se haben mich enttäuscht, auch wütend gemacht.“

Sein Glaube lasse sich dadurch aber nicht erschütter­n. Auf die Frage, wie wohl das Leben nach dem Tod aussehen könnte, antwortete er kürzlich: „Ich stelle mir vor, dass wir völlig frei von irgendwelc­hen Belastunge­n, Verpflicht­ungen und Hektik in einer glückselig­en Gelassenhe­it in Gottes Nähe leben dürfen.“

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