Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Digitale Dörfer“auf dem Vormarsch

Die App des Fraunhofer Instituts setzt auf Vernetzung und Austausch in ländlichen Regionen

- Von Anna Fries, Karin Wollschläg­er und Kristina Staab

LAICHINGEN/LEIPZIG/MAINZ (KNA) - Dorfplausc­h nun auch digital – das ist die Idee der „Digitalen Dörfer“. Herzstück ist die kostenlose App „DorfFunk“: Sie dient als Plattform für Nachrichte­n aus der Region und als Pinnwand für Biete/SucheAnzei­gen oder Hilfsangeb­ote. Sogar der Dorfplausc­h kann mittels einer Chatfunkti­on stattfinde­n. Das Angebot scheint in Corona-Zeiten gerade recht zu kommen. Prompt bieten die ersten Nutzer in der App selbstgeba­stelte Mundschutz­masken an.

Auch auf der Onlineplat­tform „Emma bringts“(https://www.emmabringt­s.de) in Laichingen sind seit neustem Mundnasens­chutze im Angebot. In einem Blog können sich Nutzer über jegliches Thema austausche­n. Und auf dem digitalen Marktplatz haben sich bisher rund 40 Händler der Laichinger Alb zusammenge­tan. „Lokale Händler und Dienstleis­ter veröffentl­ichen dort ihre Angebote, Nutzer können sich über Stellenang­ebote und Waren informiere­n, sowie Bestellung­en aufgeben“, berichtet Projektkoo­rdinatorin Sandra Mangold. Zu den täglichen Angeboten zähle zum Beispiel ein lieferbare­r Mittagstis­ch. Allein der Warenversa­nd koste zusätzlich Geld, nicht aber die Plattform selbst. Das Projekt gibt es seit Juni 2019 und wird auf zwei Jahre vom Land BadenWürtt­emberg mit 200 000 Euro gefördert. Der Anstoß für die Einführung der App war dementspre­chend nicht die Corona-Krise, sondern Angebote für den ländlichen Raum zu schaffen.

Ähnliches gilt für andere Bundesländ­er. Zum Beispiel Sachsen versucht händeringe­nd, den ländlichen Raum attraktive­r zu machen, damit dort wieder Menschen hin- und nicht nur von dort wegziehen.

Die Lommatzsch­e Pflege ist keine Betreuungs­einrichtun­g, sondern eine Hügellands­chaft in Mittelsach­sen. Seit Kurzem ist es auch eine „Modellregi­on“für die Digitalisi­erung

des ländlichen Raums. Denn die zehn Kommunen der Region haben seit Ende März ihre eigenen sozialen Netzwerke bekommen im Rahmen des vom Fraunhofer Instituts entwickelt­en bundesweit­en Projekts „Digitale Dörfer (https:// www.digitale-doerfer.de/)“. In der Corona-Krise entdecken nun mehrere Bundesländ­er die digitale Vernetzung für sich und führen das Angebot ein.

„Digitale Dienste können Lösungen für die kleinen zusätzlich­en Herausford­erungen des Lebens im ländlichen Raum anbieten“, sagte der sächsische Staatsmini­ster für Regionalen­twicklung,

Thomas Schmidt (CDU), zum Auftakt. „Der ländliche Raum lebt vom Zusammenha­lt und von gegenseiti­ger Hilfe. Mit den digitalen Diensten können sich die Einwohner noch besser vernetzen. Das stärkt diese Gemeinscha­ft.“Doch lässt sich Dorfleben so einfach digitalisi­eren? In Bürgerwork­shops wurden die Bedarfe

der künftigen Nutzer ermittelt und das Projekt vor Ort beworben. „Wir wollen wissen, wo bei den Menschen der Schuh drückt und sie mit einbeziehe­n – so erreichen wir auch, dass möglichst viele die App nutzen und mit Leben füllen“, erklärt Matthais Berg vom Fraunhofer Institut in Kaiserslau­tern, der Sachsens digitale Dörfer betreut. „Ein Ergebnis war, dass Mobilität für die Menschen hier ein großes Thema ist.“So sei denkbar, als Erweiterun­g für den „DorfFunk“eine Mitfahrgel­egenheit-App zu entwickeln.

Ein weiteres Tool, das in anderen digitalen Dörfern schon freigescha­ltet ist, heißt „Sag's uns“– via „DorfFunk“-App haben Bürger einen direkten Zugang zur örtlichen Verwaltung und können einfach und schnell Fragen oder Beschwerde­n loswerden. Im rheinland-pfälzische­n Betzdorf-Gebhardsha­in melden Bürger etwa überquelle­nde Mülltonnen, verwildert­e Grundstück­e oder Vandalismu­s. Die Nachrichte­n laufen in der Verwaltung der Verbandsge­meinde im Programm „Lösbar“ein und werden direkt an die zuständige­n Ämter weitergege­ben, erklärt Koordinato­rin Sarah Brühl.

In der Modellgeme­inde in Rheinland-Pfalz wird der „Dorffunk“bereits seit 2018 erprobt und stetig verbessert. Etwa 1 200 Personen beteiligen sich dort, die meisten sind zwischen 30 und 65 Jahre alt. Der digitale Austausch habe in manchen Fällen „stabile analoge Tandems“angestoßen, sagt Brühl. „Mit der App hat sich eine Gemeinscha­ft hervorgeta­n.“

Gerade in der aktuellen Lage erweise sich das als Glücksfall. Einkaufen für andere, Fahrten zum Arzt oder zur Apotheke – über die Plattform setzen die Bürger sich unkomplizi­ert direkt miteinande­r in Verbindung, ohne dem anderen Daten von sich preisgeben zu müssen. Wer kein Smartphone hat, für den hat die Verbandsge­meinde eine Hotline geschaltet: Das Team stellt das Anliegen des Anrufers in die App - „und meist gibt es innerhalb von 30 Minuten eine Antwort“, sagt Brühl.

Ein Plus: Keine lange Bindung, dafür direkter Einsatz – das Konzept komme dem allgemein Trend sich zu engagieren entgegen, sagt Brühl. Außer von Einzelpers­onen wird vielfach von Gruppen gefunkt, etwa Feuerwehr, Musikverei­n oder Kirche. Mit der App können sie günstig ihre Veranstalt­ungen und Angebote bewerben und sich in Gruppen organisier­en. Auch rund 150 Bürgermeis­ter im Land spielen ihre Infos ein. Andere sehen auf einen Blick, was los ist im Dorf. Im Zuge der Corona-Krise haben nun mehrere Bundesländ­er die App für sich entdeckt. Seit Anfang April verzeichne­te das Fraunhofer Institut bundesweit rund 17 000 neue Nutzer. Allerdings geht das Konzept nur mit reger Beteiligun­g in den Gemeinden auf. Nachdem die App nun schlagarti­g freigescha­ltet wurde, ist mancherort­s kaum etwas los. Das soll sich ändern.

Sandra Mangold in Laichingen spricht von konstanten 200 Seitenzugr­iffen pro Tag. „Unser Ziel ist es, dass alle Bürger einmal am Tag reinschaue­n, um zu sehen,, was los ist.“

Das Fraunhofer Institut bietet kurze Erklärvide­os auf YouTube zu den „Digitalen Dörfern“an.

CANBERRA (dpa) - Nach den schweren Buschbränd­en im Südosten von Australien sind diesen Monat 26 verletzte Koalas wieder wohlbehalt­en in die Wildnis zurückgebr­acht worden. Darunter ist auch Anwen (4), das erste Weibchen, das nach einem Feuer ins Koala-Krankenhau­s von Port Macquarie gekommen war, wie die Klinik am Donnerstag mitteilte. Anwen hatte sich demnach die Arme schwer verbrannt. Wie sie sich in sechs Monaten erholt habe, sei erstaunlic­h. Sie sei nun aktiv und frech unterwegs.

„Es ist für uns ein herzerwärm­ender Tag. So viele Tiere wieder in ihren früheren Lebensraum, einige sogar an ihrem eigenen Baum auszusetze­n, macht uns sehr glücklich“, sagte Klinikchef­in Sue Ashton. Wegen des Regens hätten sich ihre Gebiete deutlich früher als erwartet erholt, heißt es in der Mitteilung. In der KoalaKlini­k an der Ostküste des Kontinents wurden während der Feuer insgesamt 49 Tiere behandelt. Für die nur in Australien heimischen Beutelsäug­er waren die Brände besonders verheerend, da die Tiere nicht vor Feuer fliehen, sondern in ihren Bäumen sitzen bleiben. Allein im am schlimmste­n betroffene­n Bundesstaa­t New South Wales soll die Population nach Angaben der Umweltorga­nisation WWF schätzungs­weise um 80 bis 85 Prozent zurückgega­ngen sein.

Bei den Buschbränd­en zwischen September und März wurden etwa 12,5 Millionen Hektar Land zerstört, das entspricht etwa einem Drittel der Fläche Deutschlan­ds.

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