Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Digitale Dörfer“auf dem Vormarsch
Die App des Fraunhofer Instituts setzt auf Vernetzung und Austausch in ländlichen Regionen
LAICHINGEN/LEIPZIG/MAINZ (KNA) - Dorfplausch nun auch digital – das ist die Idee der „Digitalen Dörfer“. Herzstück ist die kostenlose App „DorfFunk“: Sie dient als Plattform für Nachrichten aus der Region und als Pinnwand für Biete/SucheAnzeigen oder Hilfsangebote. Sogar der Dorfplausch kann mittels einer Chatfunktion stattfinden. Das Angebot scheint in Corona-Zeiten gerade recht zu kommen. Prompt bieten die ersten Nutzer in der App selbstgebastelte Mundschutzmasken an.
Auch auf der Onlineplattform „Emma bringts“(https://www.emmabringts.de) in Laichingen sind seit neustem Mundnasenschutze im Angebot. In einem Blog können sich Nutzer über jegliches Thema austauschen. Und auf dem digitalen Marktplatz haben sich bisher rund 40 Händler der Laichinger Alb zusammengetan. „Lokale Händler und Dienstleister veröffentlichen dort ihre Angebote, Nutzer können sich über Stellenangebote und Waren informieren, sowie Bestellungen aufgeben“, berichtet Projektkoordinatorin Sandra Mangold. Zu den täglichen Angeboten zähle zum Beispiel ein lieferbarer Mittagstisch. Allein der Warenversand koste zusätzlich Geld, nicht aber die Plattform selbst. Das Projekt gibt es seit Juni 2019 und wird auf zwei Jahre vom Land BadenWürttemberg mit 200 000 Euro gefördert. Der Anstoß für die Einführung der App war dementsprechend nicht die Corona-Krise, sondern Angebote für den ländlichen Raum zu schaffen.
Ähnliches gilt für andere Bundesländer. Zum Beispiel Sachsen versucht händeringend, den ländlichen Raum attraktiver zu machen, damit dort wieder Menschen hin- und nicht nur von dort wegziehen.
Die Lommatzsche Pflege ist keine Betreuungseinrichtung, sondern eine Hügellandschaft in Mittelsachsen. Seit Kurzem ist es auch eine „Modellregion“für die Digitalisierung
des ländlichen Raums. Denn die zehn Kommunen der Region haben seit Ende März ihre eigenen sozialen Netzwerke bekommen im Rahmen des vom Fraunhofer Instituts entwickelten bundesweiten Projekts „Digitale Dörfer (https:// www.digitale-doerfer.de/)“. In der Corona-Krise entdecken nun mehrere Bundesländer die digitale Vernetzung für sich und führen das Angebot ein.
„Digitale Dienste können Lösungen für die kleinen zusätzlichen Herausforderungen des Lebens im ländlichen Raum anbieten“, sagte der sächsische Staatsminister für Regionalentwicklung,
Thomas Schmidt (CDU), zum Auftakt. „Der ländliche Raum lebt vom Zusammenhalt und von gegenseitiger Hilfe. Mit den digitalen Diensten können sich die Einwohner noch besser vernetzen. Das stärkt diese Gemeinschaft.“Doch lässt sich Dorfleben so einfach digitalisieren? In Bürgerworkshops wurden die Bedarfe
der künftigen Nutzer ermittelt und das Projekt vor Ort beworben. „Wir wollen wissen, wo bei den Menschen der Schuh drückt und sie mit einbeziehen – so erreichen wir auch, dass möglichst viele die App nutzen und mit Leben füllen“, erklärt Matthais Berg vom Fraunhofer Institut in Kaiserslautern, der Sachsens digitale Dörfer betreut. „Ein Ergebnis war, dass Mobilität für die Menschen hier ein großes Thema ist.“So sei denkbar, als Erweiterung für den „DorfFunk“eine Mitfahrgelegenheit-App zu entwickeln.
Ein weiteres Tool, das in anderen digitalen Dörfern schon freigeschaltet ist, heißt „Sag's uns“– via „DorfFunk“-App haben Bürger einen direkten Zugang zur örtlichen Verwaltung und können einfach und schnell Fragen oder Beschwerden loswerden. Im rheinland-pfälzischen Betzdorf-Gebhardshain melden Bürger etwa überquellende Mülltonnen, verwilderte Grundstücke oder Vandalismus. Die Nachrichten laufen in der Verwaltung der Verbandsgemeinde im Programm „Lösbar“ein und werden direkt an die zuständigen Ämter weitergegeben, erklärt Koordinatorin Sarah Brühl.
In der Modellgemeinde in Rheinland-Pfalz wird der „Dorffunk“bereits seit 2018 erprobt und stetig verbessert. Etwa 1 200 Personen beteiligen sich dort, die meisten sind zwischen 30 und 65 Jahre alt. Der digitale Austausch habe in manchen Fällen „stabile analoge Tandems“angestoßen, sagt Brühl. „Mit der App hat sich eine Gemeinschaft hervorgetan.“
Gerade in der aktuellen Lage erweise sich das als Glücksfall. Einkaufen für andere, Fahrten zum Arzt oder zur Apotheke – über die Plattform setzen die Bürger sich unkompliziert direkt miteinander in Verbindung, ohne dem anderen Daten von sich preisgeben zu müssen. Wer kein Smartphone hat, für den hat die Verbandsgemeinde eine Hotline geschaltet: Das Team stellt das Anliegen des Anrufers in die App - „und meist gibt es innerhalb von 30 Minuten eine Antwort“, sagt Brühl.
Ein Plus: Keine lange Bindung, dafür direkter Einsatz – das Konzept komme dem allgemein Trend sich zu engagieren entgegen, sagt Brühl. Außer von Einzelpersonen wird vielfach von Gruppen gefunkt, etwa Feuerwehr, Musikverein oder Kirche. Mit der App können sie günstig ihre Veranstaltungen und Angebote bewerben und sich in Gruppen organisieren. Auch rund 150 Bürgermeister im Land spielen ihre Infos ein. Andere sehen auf einen Blick, was los ist im Dorf. Im Zuge der Corona-Krise haben nun mehrere Bundesländer die App für sich entdeckt. Seit Anfang April verzeichnete das Fraunhofer Institut bundesweit rund 17 000 neue Nutzer. Allerdings geht das Konzept nur mit reger Beteiligung in den Gemeinden auf. Nachdem die App nun schlagartig freigeschaltet wurde, ist mancherorts kaum etwas los. Das soll sich ändern.
Sandra Mangold in Laichingen spricht von konstanten 200 Seitenzugriffen pro Tag. „Unser Ziel ist es, dass alle Bürger einmal am Tag reinschauen, um zu sehen,, was los ist.“
Das Fraunhofer Institut bietet kurze Erklärvideos auf YouTube zu den „Digitalen Dörfern“an.
CANBERRA (dpa) - Nach den schweren Buschbränden im Südosten von Australien sind diesen Monat 26 verletzte Koalas wieder wohlbehalten in die Wildnis zurückgebracht worden. Darunter ist auch Anwen (4), das erste Weibchen, das nach einem Feuer ins Koala-Krankenhaus von Port Macquarie gekommen war, wie die Klinik am Donnerstag mitteilte. Anwen hatte sich demnach die Arme schwer verbrannt. Wie sie sich in sechs Monaten erholt habe, sei erstaunlich. Sie sei nun aktiv und frech unterwegs.
„Es ist für uns ein herzerwärmender Tag. So viele Tiere wieder in ihren früheren Lebensraum, einige sogar an ihrem eigenen Baum auszusetzen, macht uns sehr glücklich“, sagte Klinikchefin Sue Ashton. Wegen des Regens hätten sich ihre Gebiete deutlich früher als erwartet erholt, heißt es in der Mitteilung. In der KoalaKlinik an der Ostküste des Kontinents wurden während der Feuer insgesamt 49 Tiere behandelt. Für die nur in Australien heimischen Beutelsäuger waren die Brände besonders verheerend, da die Tiere nicht vor Feuer fliehen, sondern in ihren Bäumen sitzen bleiben. Allein im am schlimmsten betroffenen Bundesstaat New South Wales soll die Population nach Angaben der Umweltorganisation WWF schätzungsweise um 80 bis 85 Prozent zurückgegangen sein.
Bei den Buschbränden zwischen September und März wurden etwa 12,5 Millionen Hektar Land zerstört, das entspricht etwa einem Drittel der Fläche Deutschlands.