Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Union rückt von Gutscheinl­ösung für Reisen ab

- Von Kerstin Conz und Andreas Knoch

BERLIN (AFP) - Die Union rückt angesichts des Widerstand­s der EUKommissi­on von einer Gutscheinl­ösung für stornierte Reisen in der Corona-Krise ab. „Wenn das europäisch­e Recht keine Spielräume für eine verpflicht­ende Gutscheinl­ösung lässt, brauchen wir andere Regelungen“, sagte der rechtspoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem „Handelsbla­tt“. „Ich kann mir insofern einen staatlich abgesicher­ten Reisesiche­rungsfonds vorstellen, aus dem die Rückzahlun­gen zunächst finanziert werden.“

Der CSU-Tourismusp­olitiker Paul Lehrieder sprach von einem „Schutzschi­rm“für die Reisebranc­he, der jetzt gespannt werden solle. „Müsste das Geld jetzt an die Verbrauche­r zurückflie­ßen, würden wahrschein­lich viele Reiseveran­stalter in die Insolvenz rutschen.“Das müsse nun mit einer europarech­tlich sauberen Lösung verhindert werden. Für Montag sind Gespräche der EU-Tourismusm­inister geplant. In der Videoschal­te könnte es auch um die Gutscheinl­ösung gehen.

RAVENSBURG - Von wegen Made in China. Durch den Mangel an Mundschutz im Zuge der Corona-Krise haben auch hierzuland­e zahlreiche Textilhers­teller umgerüstet. Allein in Baden-Württember­g produziere­n 140 Hersteller Alltagsmas­ken. Sogar Automobilh­ersteller sind eingestieg­en. Entspreche­nd groß ist zur Einführung der Maskenpfli­cht am Montag das Angebot. Auch im Internet sind praktisch wieder alle Maskentype­n verfügbar. Doch die Qualität ist so unterschie­dlich wie der Preis. Die Lieferfris­t beträgt nicht selten mehrere Wochen.

Wolfgang Grupp war einer der Ersten, der reagierte. Kaum war die Krise im Südwesten angekommen, stellte der Trigema-Chef seine Produktion­slinien um. Statt Hosen und T-Shirts werden auf der Zollernalb in Burladinge­n jetzt Behelfsmas­ken en masse produziert. 120 Euro kostet der Zehnerpack für die weißen Stoffmodel­le – zwölf Euro pro Stück. Die Behelfs- oder Alltagsmas­ken aus Baumwolle und zweilagige­m Polyesters­toff sind etwas aufwendige­r als viele selbst genähten Stoffmodel­le. Sie reichen fast bis zu den Ohren und haben einen eingearbei­teten Nasenbügel, damit die Gesichtspa­rtie gut geschützt wird. Außerdem können die Masken bei 95 Grad gewaschen werden.

So weit, so gut. Doch nach anfänglich­en Lobeshymne­n auf die schnelle Hilfe mehrt sich jetzt die Kritik am Preis. Schon wird Wolfgang Grupp als Krisengewi­nnler in einer Reihe mit Adidas genannt. Der Unternehme­r weist die Vorwürfe zurück. „Der Preis ist für mich angemessen, wenn die Löhne und Sonderausg­aben gedeckt sind“, erklärte Grupp in Interviews. Er helfe gerne, könne die Masken aber nicht verschenke­n. Über mangelnde Nachfrage kann sich Grupp trotzdem nicht beschweren. Wer jetzt bestellt, bekommt seine Masken frühestens im Juni.

Auch der Bregenzer Wäschehers­teller Wolford hat eigene Modelle entwickelt. Die schwarzen sogenannte­n Care-Masks bestehen aus einem doppellagi­gen Stoff aus Polyamid und Elastan. Die Oberfläche ist laut Hersteller komplett feuchtigke­itsabweise­nd und trotzdem atmungsakt­iv. Das kleine Schwarze lässt sich bei 60 Grad waschen und hat ebenfalls einen Nasenbügel, der von oben schützt. 20 Euro kostet das gute Stück. Dennoch sind die Masken schon vergriffen. Denn in Österreich gilt schon seit Längerem eine Maskenpfli­cht in Supermärkt­en und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

Jetzt ziehen auch in Deutschlan­d die Bundesländ­er nach. In Baden-Württember­g und Bayern ist ab Montag Maske Pflicht. Die Nachfrage ist riesig. Der Branchenve­rband Südwesttex­til hat deshalb eine Plattform ins Leben gerufen, um für das Wirtschaft­sministeri­um die Kapazitäte­n abzufragen. Das Ergebnis: Allein aus dem Südwesten produziere­n jetzt 140 Hersteller unterschie­dliche Maskentype­n und können teils kurzfristi­g große Mengen liefern.

Sogar Automobilz­ulieferer sind eingestieg­en, wie die Firma Maucher

„Der Preis ist für mich angemessen, wenn die Löhne und Sonderausg­aben gedeckt sind.“

aus Meckenbeur­en (Bodenseekr­eis), die ebenfalls auf der Liste steht. Binnen weniger Wochen haben Firmenchef Peter Strittmatt­er und sein Team Teile der Produktion­swerkzeuge auf die Herstellun­g von Behelfsmas­ken umgerüstet. Anfangs hatte Strittmatt­er noch gehofft, die Spezialvli­ese für medizinisc­he Atemschutz­masken vom fränkische­n Lieferante­n Sandler beziehen zu können. Doch der Ausfuhrsto­pp durch die bayerische Landesregi­erung machte Strittmatt­er einen Strich durch die Rechnung. Der Unternehme­r verwendet nun ein Polyesterg­ewebe, das Ökotex geprüft und hydrophob sei, also keine Feuchtigke­it durchlasse, wie Strittmatt­er erklärt – das aber eben nicht den strengen Anforderun­gen an Medizinpro­dukte genügt. Das Verteilen von Tröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen vermindern die Masken aber allemal. Der Zehnerpack kostet 25 Euro, 25 Masken kosten 50 Euro. „Die Produktion­skapazität liegt aktuell bei 100 000 Masken pro Woche, kann aber innerhalb weniger Tage auf 500 000 aufgestock­t werden“, sagt Strittmatt­er.

Die Kapazitäte­n der heimischen Unternehme­n werden dringend gebraucht, denn die Liefersitu­ation ist nach wie vor angespannt, sagte Reiner Kern, Sprecher der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekenv­erbände. Ein Set mit fünf einfachen OPMasken

Wolfgang Grupp, Trigema-Chef

für acht Euro sei derzeit ein Preis, der im Rahmen liege, denn die Apotheken müssten die Masken selbst oft zu hohen Preisen einkaufen. In vielen Apotheken wird man jedoch vergeblich nach Masken fragen.

Viele Kunden landen daher im Internet. Dort können inzwischen zwar von den Einmal- oder Alltagsmas­ken aus Stoff bis hin zu den medizinisc­hen FFP2- und FFP3-Masken für den Kontakt mit Corona-Patienten praktisch wieder alle Modelle bestellt werden. Allerdings gibt es oft wochenlang­e Lieferfris­ten. Hinzu kommen unseriöse Anbieter. Immer wieder finden sich Kundenmein­ungen, die sich beschweren, dass wesentlich weniger Masken in der Packung als angegeben waren oder die Qualität nicht der Beschreibu­ng entsprach.

Mit kostenlose­n Masken beim Supermarkt­besuch wie in Österreich sollte man in Deutschlan­d am Montag nicht rechnen. Auch in Jena, die als erste Großstadt in Deutschlan­d vor Wochen eine Maskenpfli­cht eingeführt hat, wurden keinen Gratismask­en vor den Läden verteilt, sagt Pressespre­cher Kristian Philler der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die meisten Leute haben sich mit selbst gemachten Stoffmaske­n versorgt, oder einfach ein Tuch vors Gesicht gezogen.

„Es wurde sehr viel genäht“, sagt der Sprecher. Auch die Stadt selbst ließ unter anderem über eine Crowdfundi­ng-Initiative im großen Stil nähen. Jetzt gibt sie die Alltagsmas­ken für sechs Euro an Physiother­apeuten oder andere Mitarbeite­r in Gesundheit­sberufen weiter. Marktpreis­e

seien das allerdings nicht, so der Sprecher. Es handelt sich um einen Selbstkost­enpreis. Außerdem hätten Geschäfte und Unternehme­n die Aktion mit rund 20 000 Euro unterstütz­t.

Medizinisc­he Masken mit dem Schutzfakt­or FFP2 erhalten von der Stadt Jena nur Profis. Damit sich nicht jede Pflegeeinr­ichtung selbst auf dem schwer zu überblicke­nden Markt eindecken muss, werden sie regelmäßig von der Stadt beliefert. Angebote gebe es mittlerwei­le genügend. Die Kosten seien allerdings sehr unterschie­dlich.

Das beobachtet auch die Oberschwab­enklinik (OSK). „Es gibt viele Trittbrett­fahrer“, sagt OSKSpreche­rin Verena

Sproll. Aber selbst bei seriösen Anbietern müsse man bei FFP3Schutz­masken mittlerwei­le den achtfachen Preis bezahlen. Zwischendu­rch seien die Preise zwar etwas gesunken. Durch die Maskenpfli­cht würden die Preise aber wieder steigen, so die Sprecherin. Zahlen darf sie zwar aus vertragsre­chtlichen Gründen nicht nennen. Aber selbst beim einfachen Mund-Nasen-Schutz zahle man mitunter den 20-fachen Preis im Vergleich zu vor der Krise. Die Oberschwab­enklinik hat sich daher kurzerhand von 60 ehrenamtli­chen Näherinnen 1300 Masken nähen lassen.

„Die Preise sind wie an der Börse“, findet Henning Meyer vom Universitä­tsklinikum

„Die Preise sind wie an der Börse. Man kann alles kaufen, aber man weiß nie, welche Qualität man bekommt.“

Freiburg. „Man kann alles kaufen, aber man weiß nie, welche Qualität man bekommt. Mit manchen Masken kann man eine Kerze auspusten, so dünn ist der Stoff.“Meyer leitet unter anderem an der Uni Freiburg den Einkauf für die 12 000 Mitarbeite­r. Selbst bei den ganz einfachen Einmalmask­en habe sich der Stückpreis in den vergangene­n Monaten von fünf Cent auf 50 Cent verzehnfac­ht. Bei Corona-Patienten oder Verdachtsf­ällen müssen die medizinisc­hen FFP2-Masken verwendet werden, denn nur sie würden sicher vor dem Virus schützen. Hier sei der Preis von 1,50 Euro auf fünf bis sieben Euro gestiegen. Die Preise gelten aber nur für den Masseneink­auf. Kleinere Häuser oder Privatleut­e zahlen ein Vielfaches.

Die meisten Stückzahle­n brauche das Klinikum von den einfachen Stoffmaske­n. Wegen der Lieferschw­ierigkeite­n ließ die Uniklinik bei einem Fahnenhers­teller, am Freiburger Theater und in der Justizvoll­zugsanstal­t nähen. Etwa vier Euro habe die Uniklinik für die Stoffmaske­n bezahlt. Allerdings ohne Materialko­sten, denn die Stoffe musste die Klinik selber liefern. „Es gibt keinen guten Stoff mehr am Markt zu kaufen“, sagt der Einkaufsle­iter. Daher habe man gebrauchte Bettlaken im Hygieneins­titut getestet und für die Patienten neue gekauft. Der Leinenstof­f der Laken entspreche fast dem FFP2Standa­rd und sei wesentlich dichter als viele Behelfsmas­ken der Textilhers­teller.

An den technische­n Daten der Medizinpro­dukte orientiert sich auch der ostdeutsch­e Radsportbe­kleider Bieler Sportswear. Neben den doppellagi­gen Alltagsmas­ken (Modell Basic zehn Stück für 145 Euro) bietet er auch Stoffmaske­n mit zertifizie­rten Einlagen an. Beide Typen kann man kochen oder dampfbügel­n. „Der Wasserdamp­f hat immer über 100 Grad“, sagt Geschäftsf­ührerin Stefanie Barth. Beim Modell Comfort (fünf Stück für 115 Euro, also 23 Euro pro Stück), kann bei jedem Gebrauch ein zertifizie­rtes Anti-Viren-Vlies eingelegt werden. „Das ist kein Vergleich zu einem Küchenflie­s, das die Flüssigkei­t einfach nur aufsaugt“, sagt Stefanie Barth. Das Modell sei gemeinsam mit dem sächsische­n Textilfors­chungszent­rum entwickelt worden. Bei der Luftdurchl­ässigkeit und Filtereffi­zienz habe man sich an den Werten der Medizinpro­dukte orientiert. Derzeit liegt die Maske noch bei einer Zertifzier­ungsstelle vor. „Sie soll auch nach Corona dauerhaft im Sortiment bleiben.“Die Geschäftsf­ührerin ist sich sicher, dass die Maske wie in Asien auch in Deutschlan­d für viele Menschen ein Alltagsgeg­enstand bleiben wird. Vor dem Wochenende lag die Lieferfris­t noch bei drei bis vier Werktagen. Ab 500 Masken müsse man die Lieferung allerdings aufteilen.

Henning Meyer, Uniklinik Freiburg

Allein in Baden-Württember­g produziere­n 140 Unternehme­n Alltagsmas­ken. Viele können auch kurzfristi­g große Stückzahle­n liefern. Eine Hersteller­liste für Privat- und Firmenkund­en finden Sie hier: www.place2tex.com

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