Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Union rückt von Gutscheinlösung für Reisen ab
BERLIN (AFP) - Die Union rückt angesichts des Widerstands der EUKommission von einer Gutscheinlösung für stornierte Reisen in der Corona-Krise ab. „Wenn das europäische Recht keine Spielräume für eine verpflichtende Gutscheinlösung lässt, brauchen wir andere Regelungen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem „Handelsblatt“. „Ich kann mir insofern einen staatlich abgesicherten Reisesicherungsfonds vorstellen, aus dem die Rückzahlungen zunächst finanziert werden.“
Der CSU-Tourismuspolitiker Paul Lehrieder sprach von einem „Schutzschirm“für die Reisebranche, der jetzt gespannt werden solle. „Müsste das Geld jetzt an die Verbraucher zurückfließen, würden wahrscheinlich viele Reiseveranstalter in die Insolvenz rutschen.“Das müsse nun mit einer europarechtlich sauberen Lösung verhindert werden. Für Montag sind Gespräche der EU-Tourismusminister geplant. In der Videoschalte könnte es auch um die Gutscheinlösung gehen.
RAVENSBURG - Von wegen Made in China. Durch den Mangel an Mundschutz im Zuge der Corona-Krise haben auch hierzulande zahlreiche Textilhersteller umgerüstet. Allein in Baden-Württemberg produzieren 140 Hersteller Alltagsmasken. Sogar Automobilhersteller sind eingestiegen. Entsprechend groß ist zur Einführung der Maskenpflicht am Montag das Angebot. Auch im Internet sind praktisch wieder alle Maskentypen verfügbar. Doch die Qualität ist so unterschiedlich wie der Preis. Die Lieferfrist beträgt nicht selten mehrere Wochen.
Wolfgang Grupp war einer der Ersten, der reagierte. Kaum war die Krise im Südwesten angekommen, stellte der Trigema-Chef seine Produktionslinien um. Statt Hosen und T-Shirts werden auf der Zollernalb in Burladingen jetzt Behelfsmasken en masse produziert. 120 Euro kostet der Zehnerpack für die weißen Stoffmodelle – zwölf Euro pro Stück. Die Behelfs- oder Alltagsmasken aus Baumwolle und zweilagigem Polyesterstoff sind etwas aufwendiger als viele selbst genähten Stoffmodelle. Sie reichen fast bis zu den Ohren und haben einen eingearbeiteten Nasenbügel, damit die Gesichtspartie gut geschützt wird. Außerdem können die Masken bei 95 Grad gewaschen werden.
So weit, so gut. Doch nach anfänglichen Lobeshymnen auf die schnelle Hilfe mehrt sich jetzt die Kritik am Preis. Schon wird Wolfgang Grupp als Krisengewinnler in einer Reihe mit Adidas genannt. Der Unternehmer weist die Vorwürfe zurück. „Der Preis ist für mich angemessen, wenn die Löhne und Sonderausgaben gedeckt sind“, erklärte Grupp in Interviews. Er helfe gerne, könne die Masken aber nicht verschenken. Über mangelnde Nachfrage kann sich Grupp trotzdem nicht beschweren. Wer jetzt bestellt, bekommt seine Masken frühestens im Juni.
Auch der Bregenzer Wäschehersteller Wolford hat eigene Modelle entwickelt. Die schwarzen sogenannten Care-Masks bestehen aus einem doppellagigen Stoff aus Polyamid und Elastan. Die Oberfläche ist laut Hersteller komplett feuchtigkeitsabweisend und trotzdem atmungsaktiv. Das kleine Schwarze lässt sich bei 60 Grad waschen und hat ebenfalls einen Nasenbügel, der von oben schützt. 20 Euro kostet das gute Stück. Dennoch sind die Masken schon vergriffen. Denn in Österreich gilt schon seit Längerem eine Maskenpflicht in Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Jetzt ziehen auch in Deutschland die Bundesländer nach. In Baden-Württemberg und Bayern ist ab Montag Maske Pflicht. Die Nachfrage ist riesig. Der Branchenverband Südwesttextil hat deshalb eine Plattform ins Leben gerufen, um für das Wirtschaftsministerium die Kapazitäten abzufragen. Das Ergebnis: Allein aus dem Südwesten produzieren jetzt 140 Hersteller unterschiedliche Maskentypen und können teils kurzfristig große Mengen liefern.
Sogar Automobilzulieferer sind eingestiegen, wie die Firma Maucher
„Der Preis ist für mich angemessen, wenn die Löhne und Sonderausgaben gedeckt sind.“
aus Meckenbeuren (Bodenseekreis), die ebenfalls auf der Liste steht. Binnen weniger Wochen haben Firmenchef Peter Strittmatter und sein Team Teile der Produktionswerkzeuge auf die Herstellung von Behelfsmasken umgerüstet. Anfangs hatte Strittmatter noch gehofft, die Spezialvliese für medizinische Atemschutzmasken vom fränkischen Lieferanten Sandler beziehen zu können. Doch der Ausfuhrstopp durch die bayerische Landesregierung machte Strittmatter einen Strich durch die Rechnung. Der Unternehmer verwendet nun ein Polyestergewebe, das Ökotex geprüft und hydrophob sei, also keine Feuchtigkeit durchlasse, wie Strittmatter erklärt – das aber eben nicht den strengen Anforderungen an Medizinprodukte genügt. Das Verteilen von Tröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen vermindern die Masken aber allemal. Der Zehnerpack kostet 25 Euro, 25 Masken kosten 50 Euro. „Die Produktionskapazität liegt aktuell bei 100 000 Masken pro Woche, kann aber innerhalb weniger Tage auf 500 000 aufgestockt werden“, sagt Strittmatter.
Die Kapazitäten der heimischen Unternehmen werden dringend gebraucht, denn die Liefersituation ist nach wie vor angespannt, sagte Reiner Kern, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände. Ein Set mit fünf einfachen OPMasken
Wolfgang Grupp, Trigema-Chef
für acht Euro sei derzeit ein Preis, der im Rahmen liege, denn die Apotheken müssten die Masken selbst oft zu hohen Preisen einkaufen. In vielen Apotheken wird man jedoch vergeblich nach Masken fragen.
Viele Kunden landen daher im Internet. Dort können inzwischen zwar von den Einmal- oder Alltagsmasken aus Stoff bis hin zu den medizinischen FFP2- und FFP3-Masken für den Kontakt mit Corona-Patienten praktisch wieder alle Modelle bestellt werden. Allerdings gibt es oft wochenlange Lieferfristen. Hinzu kommen unseriöse Anbieter. Immer wieder finden sich Kundenmeinungen, die sich beschweren, dass wesentlich weniger Masken in der Packung als angegeben waren oder die Qualität nicht der Beschreibung entsprach.
Mit kostenlosen Masken beim Supermarktbesuch wie in Österreich sollte man in Deutschland am Montag nicht rechnen. Auch in Jena, die als erste Großstadt in Deutschland vor Wochen eine Maskenpflicht eingeführt hat, wurden keinen Gratismasken vor den Läden verteilt, sagt Pressesprecher Kristian Philler der „Schwäbischen Zeitung“. Die meisten Leute haben sich mit selbst gemachten Stoffmasken versorgt, oder einfach ein Tuch vors Gesicht gezogen.
„Es wurde sehr viel genäht“, sagt der Sprecher. Auch die Stadt selbst ließ unter anderem über eine Crowdfunding-Initiative im großen Stil nähen. Jetzt gibt sie die Alltagsmasken für sechs Euro an Physiotherapeuten oder andere Mitarbeiter in Gesundheitsberufen weiter. Marktpreise
seien das allerdings nicht, so der Sprecher. Es handelt sich um einen Selbstkostenpreis. Außerdem hätten Geschäfte und Unternehmen die Aktion mit rund 20 000 Euro unterstützt.
Medizinische Masken mit dem Schutzfaktor FFP2 erhalten von der Stadt Jena nur Profis. Damit sich nicht jede Pflegeeinrichtung selbst auf dem schwer zu überblickenden Markt eindecken muss, werden sie regelmäßig von der Stadt beliefert. Angebote gebe es mittlerweile genügend. Die Kosten seien allerdings sehr unterschiedlich.
Das beobachtet auch die Oberschwabenklinik (OSK). „Es gibt viele Trittbrettfahrer“, sagt OSKSprecherin Verena
Sproll. Aber selbst bei seriösen Anbietern müsse man bei FFP3Schutzmasken mittlerweile den achtfachen Preis bezahlen. Zwischendurch seien die Preise zwar etwas gesunken. Durch die Maskenpflicht würden die Preise aber wieder steigen, so die Sprecherin. Zahlen darf sie zwar aus vertragsrechtlichen Gründen nicht nennen. Aber selbst beim einfachen Mund-Nasen-Schutz zahle man mitunter den 20-fachen Preis im Vergleich zu vor der Krise. Die Oberschwabenklinik hat sich daher kurzerhand von 60 ehrenamtlichen Näherinnen 1300 Masken nähen lassen.
„Die Preise sind wie an der Börse“, findet Henning Meyer vom Universitätsklinikum
„Die Preise sind wie an der Börse. Man kann alles kaufen, aber man weiß nie, welche Qualität man bekommt.“
Freiburg. „Man kann alles kaufen, aber man weiß nie, welche Qualität man bekommt. Mit manchen Masken kann man eine Kerze auspusten, so dünn ist der Stoff.“Meyer leitet unter anderem an der Uni Freiburg den Einkauf für die 12 000 Mitarbeiter. Selbst bei den ganz einfachen Einmalmasken habe sich der Stückpreis in den vergangenen Monaten von fünf Cent auf 50 Cent verzehnfacht. Bei Corona-Patienten oder Verdachtsfällen müssen die medizinischen FFP2-Masken verwendet werden, denn nur sie würden sicher vor dem Virus schützen. Hier sei der Preis von 1,50 Euro auf fünf bis sieben Euro gestiegen. Die Preise gelten aber nur für den Masseneinkauf. Kleinere Häuser oder Privatleute zahlen ein Vielfaches.
Die meisten Stückzahlen brauche das Klinikum von den einfachen Stoffmasken. Wegen der Lieferschwierigkeiten ließ die Uniklinik bei einem Fahnenhersteller, am Freiburger Theater und in der Justizvollzugsanstalt nähen. Etwa vier Euro habe die Uniklinik für die Stoffmasken bezahlt. Allerdings ohne Materialkosten, denn die Stoffe musste die Klinik selber liefern. „Es gibt keinen guten Stoff mehr am Markt zu kaufen“, sagt der Einkaufsleiter. Daher habe man gebrauchte Bettlaken im Hygieneinstitut getestet und für die Patienten neue gekauft. Der Leinenstoff der Laken entspreche fast dem FFP2Standard und sei wesentlich dichter als viele Behelfsmasken der Textilhersteller.
An den technischen Daten der Medizinprodukte orientiert sich auch der ostdeutsche Radsportbekleider Bieler Sportswear. Neben den doppellagigen Alltagsmasken (Modell Basic zehn Stück für 145 Euro) bietet er auch Stoffmasken mit zertifizierten Einlagen an. Beide Typen kann man kochen oder dampfbügeln. „Der Wasserdampf hat immer über 100 Grad“, sagt Geschäftsführerin Stefanie Barth. Beim Modell Comfort (fünf Stück für 115 Euro, also 23 Euro pro Stück), kann bei jedem Gebrauch ein zertifiziertes Anti-Viren-Vlies eingelegt werden. „Das ist kein Vergleich zu einem Küchenflies, das die Flüssigkeit einfach nur aufsaugt“, sagt Stefanie Barth. Das Modell sei gemeinsam mit dem sächsischen Textilforschungszentrum entwickelt worden. Bei der Luftdurchlässigkeit und Filtereffizienz habe man sich an den Werten der Medizinprodukte orientiert. Derzeit liegt die Maske noch bei einer Zertifzierungsstelle vor. „Sie soll auch nach Corona dauerhaft im Sortiment bleiben.“Die Geschäftsführerin ist sich sicher, dass die Maske wie in Asien auch in Deutschland für viele Menschen ein Alltagsgegenstand bleiben wird. Vor dem Wochenende lag die Lieferfrist noch bei drei bis vier Werktagen. Ab 500 Masken müsse man die Lieferung allerdings aufteilen.
Henning Meyer, Uniklinik Freiburg
Allein in Baden-Württemberg produzieren 140 Unternehmen Alltagsmasken. Viele können auch kurzfristig große Stückzahlen liefern. Eine Herstellerliste für Privat- und Firmenkunden finden Sie hier: www.place2tex.com