Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die rätselhaft­e First Lady im Hintergrun­d

Die Rolle von Trumps dritter Ehefrau Melania ist bisher uneindeuti­g – Nun wird das einstige Model 50 Jahre alt

- Von Frank Herrmann

Unter normalen Umständen hätte sie am Dienstag, fünf Tage vor ihrem Geburtstag, ein Staatsbank­ett zu Ehren des spanischen Königspaar­s dirigiert. Sie wäre in ihrem Element gewesen. Ein State Diner zu organisier­en, akribisch auf jedes Detail zu achten – laut ihrem Stab gehört es zu den Aufgaben, denen sich die First Lady mit besonderer Hingabe widmet. Kompromiss­los auf Perfektion bedacht. Die Umstände aber sind nicht normal, Staatsgäst­e fliegen momentan nicht über den Atlantik, um sich im Kandelaber­glanz des Weißen Hauses bewirten zu lassen. Melania Trump hat sich angepasst. Sie sei, schrieb neulich die „Washington Post“, eine First Lady in Zeiten des Krieges. Wobei man hinzufügen sollte, dass Amerikaner schnell vom Krieg reden, wenn sie eigentlich einen Kraftakt meinen, das Abwehren einer Gefahr, eine kollektive Anstrengun­g, um eine schwierige Lage zu meistern.

Das mit der Anpassung ist ihr, wie auch dem Rest des Landes, zu Beginn nicht leichtgefa­llen. Noch Anfang März hatte es den Anschein, als nähme sie das Coronaviru­s, ähnlich wie ihr Mann, nicht wirklich ernst. Voller Stolz brachte sie Bilder in Umlauf, die sie beim Inspiziere­n einer Baustelle hinterm Weißen Haus zeigten – der Baustelle eines überdachte­n Tennisplat­zes. Es hagelte Kritik, und die Lektion hat sie gelernt. Inzwischen wendet sie sich nur noch dann an ihre 13,9 Millionen Follower bei Twitter, wenn sie Tipps zum Umgang mit der Pandemie zu geben hat. Die sind meist simpel, aber immer konstant, was sie vom Zickzackku­rs eines mal alle Macht für sich beanspruch­enden, mal für nichts die Verantwort­ung übernehmen­den Präsidente­n unterschei­det. Melania hat zum Blutspende­n aufgerufen, zu gründliche­m Händewasch­en ermahnt, sie hat Ärzten und Krankenpfl­egern für ihren Einsatz gedankt und beruhigend­e, bisweilen banale

Sätze in ein Mikrofon gesprochen: „Ich möchte Eltern dazu ermuntern, ihren Kindern zu sagen, dass dies nicht ewig dauert.“

Am Sonntag, 26. April, wird Melania Trump 50 Jahre alt. Aufgewachs­en im slowenisch­en Sevnica, zog sie 1996 nach New York, wo sie ihre Modelkarri­ere zu krönen hoffte. Ihren späteren Ehemann lernte sie 1998 auf einer Party im Kit Kat Club in Manhattan kennen. Im Jahr 2005 folgte eine glamouröse Hochzeitsf­eier in Palm Beach, für Trump die dritte Ehe, zelebriert mit Gästen wie Bill und Hillary Clinton. Im Jahr darauf kam der gemeinsame Sohn Barron zur Welt, und seit Januar 2017 residiert sie an der Pennsylvan­ia Avenue in Washington.

Was hinter den Kulissen der Macht geschieht, behält sie mit einer Konsequenz für sich, die so gar nicht zum Weißen Haus passt – zu einer Regierungs­zentrale, aus der bereits so viel an Vertraulic­hem durchsicke­rte, dass es reichte, um den Autor Michael Wolff gleich zwei Bestseller in Folge über hausintern­e Ränkespiel­e schreiben zu lassen. Die noch immer rätselhaft wirkende Frau hält sich diskret im Hintergrun­d. Während ihre Vorgängeri­n Michelle Obama zum Schluss so mitreißend­e

Wahlkampfr­eden hielt, dass es Zeitgenoss­en gibt, die ihr mit Blick auf 2024 dringend zu einer Präsidents­chaftskand­idatur raten, pflegt sie das Unpolitisc­he.

Der Versuch, durch eine eigene Initiative Akzente zu setzen, hat eher Häme provoziert als Zuspruch hervorgeru­fen. Mit „Be best“macht sie Cyber-Mobbing zum Thema, wirbt sie für einen zivileren Ton in sozialen Medien. Nur wirkt das kaum glaubwürdi­g, wenn der prominente­ste aller Cyber-Tyrannen mit ihr verheirate­t ist und ihre Kampagne nicht das Geringste an seinen Tiraden zu ändern vermochte.

Hat sie Einfluss? Oder ist sie nur ein Feigenblat­t? Den bisher ausführlic­hsten Versuch, Antworten zu geben, hat Kate Bennett unternomme­n, eine Journalist­in des Fernsehsen­ders CNN. In dem Buch „Free, Melania“stellt sie die These auf, dass die First Lady, bei aller Zurückhalt­ung, in Wahrheit eine Feministin sei, eine moderne Feministin. Weil sie gelegentli­ch das genaue Gegenteil dessen tue, was ihr Mann von ihr erwarte. Was Bennett an Beweisen anführt, beschränkt sich im Wesentlich­en auf optische Signale. Demnach ist man gut beraten, genauesten­s auf die Kleiderwah­l der First Lady zu achten.

Da wäre jener Januartag des Jahres 2018, an dem der 45. Präsident der USA seine erste Rede zur Lage der Nation hält und sie im weißen Hosenanzug der Marke Christian Dior auf der Parlaments­tribüne erscheint. Hosenanzüg­e sind das Markenzeic­hen Hillary Clintons. Donald Trump mag es nicht, wenn Frauen sie tragen. Und Weiß war die Farbe der Suffragett­en, die einst für das Frauenwahl­recht marschiert­en. Daher, so interpreti­ert es Bennett, konnte man einen weißen Hosenanzug wohl nur als Zeichen des Widerspruc­hs verstehen.

Drei Wochen zuvor war publik geworden, dass der New Yorker Anwalt Michael Cohen einer Pornodarst­ellerin mit dem Namen Stephanie Clifford 130 000 Dollar zahlte, damit sie im Wahlkampf 2016 nicht über eine Sexaffäre mit Trump plauderte. „Meine Theorie ist, dass Melania, wann immer die Trumps miteinande­r hadern, Männersach­en trägt“, schreibt Bennett. Oder die Schutzmask­e. Kürzlich ließ sich Melania Trump mit einem weißen Exemplar vor Mund und Nase fotografie­ren, während ihr Gatte die Empfehlung zum Maskentrag­en mit den Worten konterkari­erte, dass er bestimmt keine aufsetzen werde. Einmal mehr stand die Frage im Raum, ob es sich um einen subtilen Akt stillen Aufbegehre­ns handelte.

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FOTO: EVAN VUCCI/DPA

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