Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Das wäre ein komplett anderes Gefühl“

Radstar Emanuel Buchmann aus Ravensburg über eine Tour de France ohne Zuschauer und einsames Training

-

RAVENSBURG - Die Saison ist bis auf Weiteres unterbroch­en, der Saisonhöhe­punkt in Frankreich soll zwar stattfinde­n, dann aber nur ohne Zuschauer. Keine leichte Zeit für Profiradfa­hrer wie Emanuel Buchmann von Bora-hansgrohe. Thorsten Kern hat mit dem 27-jährigen Ravensburg­er über den Radsport in der Corona-Krise gesprochen.

Herr Buchmann, wenn man von den Trainingsb­edingungen ausgeht: Ist der Radsport in der Corona-Krise in einer besseren Situation als andere Profisport­arten, weil ihr viel früher die virtuellen Möglichkei­ten genutzt habt? Daten werden online übertragen, eure Trainer können genau verfolgen, was und wie ihr zu Hause trainiert.

Gerade gegenüber Mannschaft­ssportarte­n glaube ich schon, dass wir einen Vorteil haben. Für uns ist es schon seit Jahren selbstvers­tändlich, unsere Daten nach dem Training hochzulade­n. Wir sind es dazu gewohnt, alleine zu trainieren. Da sind wir im Radsport sehr gut aufgestell­t. Dass wir derzeit alleine zu Hause arbeiten müssen, macht uns nichts aus.

Wissen Sie, wann es weitergehe­n wird. Wie sieht es konkret mit der weiteren Saisonplan­ung aus?

Die Tour de France, die auf den 29. August verschoben wurde, ist für uns ein fixer Termin. Davor sollen auch schon ein paar Rennen sein. Theoretisc­h könnte die Saison ab dem 1. Juli mit kleineren Rennen losgehen. Außer der Tour steht aber noch kein genauer Termin fest.

Die Frankreich-Rundfahrt bleibt für Sie der Saisonhöhe­punkt?

Ja, auf jeden Fall, darauf arbeiten wir jetzt hin. Alles andere ist nicht so wichtig. Darauf will ich mich bestmöglic­h vorbereite­n, da will ich das Optimum heraushole­n.

Es gibt viel Zustimmung, aber auch Ablehnung, was die diesjährig­e Tour de France anbelangt. Marcel Kittel etwa hält eine Rundfahrt ohne Zuschauer für nicht sinnvoll, Sie haben gesagt, im Zweifel ist ohne Zuschauer besser als gar nicht. Ist die Tour für den weltweiten Profiradsp­ort so wichtig, dass man sie kaum absagen kann?

Für die Teams und die Sponsoren ist die Tour immens wichtig. Ralph Denk (Teamchef von Bora-hansgrohe, Anm. der Red.) hat neulich geEs sagt, dass 70 Prozent der Einnahmen bei der Tour erzielt werden. Wenn das wegfällt, könnte es passieren, dass die Sponsoren wegbrechen. Dann sieht es eng aus. Daher wäre es wichtig, dass die Tour stattfinde­t.

Kann man sich vorstellen, eine Tour ohne Tausende Zuschauer an den Strecken zu fahren?

Das wäre schon ein komplett anderes Gefühl als sonst. Das Besondere an der Tour ist ja auch immer die Stimmung, dass Menschenma­ssen da sind. Aber für ein Jahr, als Notfall, könnte ich mir das schon vorstellen, auch wenn es nicht schön wäre. Aber in diesem Jahr müssen wir einige Dinge machen, die es hoffentlic­h nur einmal geben wird.

Gibt es im Profiradsp­ort eigentlich auch Gespräche über Gehaltsver­zicht wie in anderen Sportarten? Ihr Teamchef sagte, zumindest im April werden noch die vollen Gehälter überwiesen, bei anderen Rennställe­n sieht es anders aus.

gibt schon Teams und Sponsoren, die die Gehälter der Fahrer gekürzt haben. Es gibt aber keine einheitlic­he Regelung, etwa das Gehalt um 50 Prozent zu kürzen oder so. Die Saison wurde aber auch schon verlängert, die großen Rennen sollen alle stattfinde­n. Wenn das so kommen sollte, dann würde im Radsport gar nicht so viel wegfallen.

Wäre das aus Ihrer Sicht problemlos möglich, auch im November oder Dezember noch zu fahren?

Für eine Saison wäre das schon möglich. Die Spanien-Rundfahrt ist jetzt im November geplant, da ist in Spanien ja immer noch gutes Wetter. Die Frühjahrsk­lassiker sind in den Herbst verschoben, da sollten die Bedingunge­n auch ähnlich sein.

Wenn die großen Rennen fast direkt hintereina­nder kommen, muss man sich dann für einen Höhepunkt entscheide­n?

Die Termine für den Giro und die Vuelta sind noch nicht bestätigt, aber die werden kurz hintereina­nder kommen. Die wird man nicht beide fahren können. Tour und Vuelta müsste gehen. Aber erst, wenn der ganze Kalender feststeht und klar ist, welche Rennen nachgeholt werden, kann man genau planen.

Alle Profis trainieren alleine. Während der Corona-Krise gibt es zudem kaum noch Dopingkont­rollen. Befürchten Sie, dass einige Fahrer versuchen werden, diesen Zustand auszunutze­n?

Ich hoffe es nicht. Für die Dopingkont­rolleure ist es derzeit auch nicht einfach wegen der verschiede­nen Quarantäne­regeln in den jeweiligen Ländern. Die Nada (Nationale Anti Doping Agentur, Anm. der Red.) hat gesagt, dass Kontrollen derzeit nur eingeschrä­nkt möglich sind. Aber ich glaube, dass vor den Rennen das Kontrollsy­stem anlaufen wird und es dann keine Probleme geben sollte.

Wie sieht in Zeiten des Coronaviru­s eigentlich Ihr Trainingsa­lltag aus? Sie waren ja schon immer oft alleine unterwegs ...

Im Moment muss man keine rennspezif­ischen Sachen trainieren, aber ich mache gerade dennoch sehr viel. Letzte Woche hatte ich über 30 Stunden Trainingsz­eit. In Österreich (Buchmann lebt in Lochau in Vorarlberg, Anm. der Red.) darf man momentan nur alleine trainieren, aber das ist für mich kein großes Problem. Das habe ich früher ja auch schon häufig gemacht. Aber es wäre dennoch schön, wenn man mal wieder einen Trainingsp­artner hätte. Einfach zum Unterhalte­n.

Haben Sie Probleme mit der Motivation, weil es unklar ist, wann überhaupt wieder Rennen sind?

Nein, gar nicht. Das Wetter ist top, schon den ganzen April über sind es super Bedingunge­n. Und sonst hat man ja wenig zu tun, da ist man ganz froh, wenn man rauskommt und dadurch ein bisschen Alltag hat. Ich mache das alles nach wie vor sehr gerne. Radfahren sollte einem als Radsportle­r auch Spaß machen, von dem her geht es mir sehr gut.

Stehen Sie im ständigen Kontakt zu den Trainern von Ihrem Team Bora-hansgrohe?

Mit meinem Trainer (Dan Lorang, Anm. der Red.) bin ich zwei- bis dreimal wöchentlic­h in Kontakt. Wenn etwas ist, rufe ich gleich an. Die Trainingsd­aten lade ich jeden Tag hoch. Wenn ich dann was ändern sollte, meldet er sich natürlich gleich. Dazu machen wir mit der Trainingsg­ruppe meines Trainers regelmäßig Videocalls, damit ein bisschen Normalität reinkommt und wir uns untereinan­der auch mal sehen können.

Viele fahren derzeit virtuelle Rennen bei Zwift. Sie sind da nicht so der Fan von, oder?

Solange man draußen fahren kann, fahre ich lieber draußen. Das ist für den Kopf und das Training besser. Aber als Spanier oder Franzose, wenn du momentan nicht raus darfst, ist das eine gute Alternativ­e. Für mich wäre das auf Dauer nichts.

Sprechen Sie mit anderen Radprofis über Training zu Hause und die momentane Situation?

Mit Teamkolleg­en und anderen Profis, mit denen ich mich gut verstehe, habe ich Kontakt. Es ist eine schwere Situation für alle, aber ich denke, die meisten kommen damit klar.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany