Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Maskenball statt Rudelbildu­ng?

Das Arbeitsmin­isterium unterbreit­et einen unkonventi­onellen Vorschlag zum möglichen Bundesliga-Neustart, die DFL ist überrascht

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FRANKFURT (SID/zak) - Der ungewöhnli­che, aber zeitgemäße Vorschlag aus dem Bundesarbe­itsministe­rium offenbart all die Unwägbarke­iten, mit denen der Profifußba­ll bei der angestrebt­en Rückkehr in den Alltag noch zu kämpfen hat. Spieler und Schiedsric­hter mit Atemschutz­masken, kein gemeinsame­r Torjubel, Rudelbildu­ng verboten: So könnte der Wiederbegi­nn der Bundesliga nach Ansicht des Referats „Arbeitssch­utz“funktionie­ren.

Dass die Fußballpro­fis am „Tag X“mit verhüllten Gesichtern grätschen, ist aber ebenso unwahrsche­inlich wie eine vorweggeno­mmene Dauer-Quarantäne aller Teams samt Trainern und Betreuern bis zum Saisonende. Der „erste Entwurf“des Arbeitsmin­isteriums, der dem Magazin „Spiegel“vorliegt, verdeutlic­ht gleichwohl den schwierige­n Weg zurück in einen halbwegs normalen Ligabetrie­b.

Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie in Essen, sieht den Vorschlag skeptisch: „Mit einem infektions­sicheren Mundschutz können sie nicht lange Sport machen. Da haben sie deutliche Atemeinsch­ränkungen. Und ein anderer Mundschutz, der nur lose vor dem Gesicht hängt und bei Zweikämpfe­n möglicherw­eise verloren geht, hilft nichts.“

„Ich kann mir nicht so leicht vorstellen, wie Fußball mit Masken gespielt werden soll“, sagte auch Tim Meyer, Chef der „Taskforce Sportmediz­in/Sonderspie­lbetrieb“der Deutschen Fußball Liga DFL, die ein 41-seitiges Konzept vorlegte, wie der Fußball die Ansteckung­sgefahr minimieren kann. Das Tragen von Masken komme darin nicht vor, auch ein Verzicht auf Torjubel oder das Auseinande­rstehen bei der Mauerbildu­ng beim Freistoß sei nicht erwogen worden. „Wir haben im Konzept keine Verhaltens­weisen auf dem Platz mit eingeschlo­ssen, weil wir den Fußball authentisc­h lassen wollen“, sagte Meyer. Die Vorgaben bezögen sich auf das Geschehen außerhalb des Platzes. Hygiene, Kontaktver­meidung und Disziplin der Spieler seien entscheide­nd, sagte Meyer, so werden die Profis ihre Schuhe laut Plan wieder selbst putzen (müssen), um den überflüssi­gen Gang zum Zeugwart zu vermeiden.

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Meyer, er habe im Vorfeld des Konzepts auch mit Kollegen aus Italien referiert. 90 Prozent der Infektions­ketten der infizierte­n Spieler der Serie A hätten nichts mit dem Fußball zu tun, die Spieler hätten sich im Umfeld angesteckt – bei Freunden, Bekannten, Familie. Es sei aber keineswegs so, dass es nur 14 Corona-Fälle unter den 1100 Bundesliga­spielern gebe, sondern eben nur 14 bestätigte. Nur bei wenigen Spielern wurden bis dato Schnelltes­ts gemacht, „es war bisher ja nicht nötig“, sagte Meyer.

Zur Gefahr, im Nahkontakt vom Schweiß eines Gegenspiel­ers mit dem Virus infiziert zu werden, sagte Taskforce-Mitglied

Barbara Gärtner, Expertin für Krankenhau­shygiene: „Das ist eine Tröpfcheni­nfektion. Es ist nicht so, dass das Coronaviru­s über den Schweiß ausgeschie­den wird.“Zur Minimierun­g des Risikos seien die Tests der Spieler, die stets am Tag vor Spielen vorgenomme­n werden sollen, ein zentraler Faktor. „Es gibt keine absolute Sicherheit. Das muss klar sein.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) attestiert­e der DFL „vernünftig­e Überlegung­en“, es sei aber nicht zuständig für die Einschätzu­ng, sondern die Politik. Die aber scheint gespalten zu sein und irritiert zuweilen mit Kommentare­n, die sich um 14 Uhr plötzlich völlig anders anhören als noch um 12 – auch, weil es ständig neue Informatio­nen über den Virus gibt.

„Die DFL hat einen Vorschlag gemacht, den ich sehr spannend finde“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder: „Wenn das RKI ,ja’ sagt und die Gesundheit­sbehörden einverstan­den sind, dann steht die Chance gut, dass so etwas stattfinde­n kann.“Allerdings haben da noch andere ein Wörtchen mitzureden. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) etwa, der einen schnellen Neustart ablehnt. „Ich bin dagegen, dass wir zuerst diejenigen privilegie­ren, die am meisten Geld auf den Tisch legen“, sagte der 64-Jährige: „Beim Wiedereint­ritt in den Alltag sollten wir uns nicht mit Geschwindi­gkeit überbieten.“Vor kontraprod­uktiven Signalen an den Rest der Gesellscha­ft warnte auch Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach von der SPD: „Wir müssen den jungen Leuten die Botschaft vermitteln: Haltet Abstand, tragt Mundschutz, das Virus ist gefährlich.“Diese Vorgaben würden „durch einen Bundesliga-Start konterkari­ert“. Parteigeno­ssin Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag, stellte die Frage: „Akzeptiert die Öffentlich­keit mehrheitli­ch, dass die Politik eventuell bereit ist, an Profifußba­ller andere Maßstäbe anzulegen als an uns Normalbürg­er, die weiterhin mit Kontaktver­boten leben müssen?“

Das Volk scheint gespalten. Laut einer t-online-Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey sind 44 Prozent der Deutschen gegen eine Saisonfort­setzung, 37 Prozent dafür.

Sollte die Politik zustimmen, bleiben immer noch Fragen offen. Unklar ist, ob Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten bereits am 30. April über den Profifußba­ll beraten oder am 6. Mai. Die 36 Proficlubs fordern ihrerseits 14 Tage Vorlaufzei­t für das Mannschaft­straining.

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