Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Pascal Wehrlein wird zum Handwerker

Der Rennfahrer baut in der Corona-Krise die Wohnung um – Samstag ist ein Rennen

- Von Klaus-Eckhard Jost

Pascal Wehrlein hat ein wenig Rückstand. Während die Mehrzahl seiner Kollegen aus der Formel E am vergangene­n Samstag am Testlauf für die neue FormelE-Sim-Serie über acht Rennen teilgenomm­en haben, war der Fahrer des Mahindra-Teams zu Hause in seiner Wohnung in Landschlac­ht im Schweizer Kanton Thurgau nur Zuschauer. Doch seit Dienstag hat der 25-Jährige auch einen eigenen Simulator. Sein Mahindra-Team hat Wehrlein für das erste Rennen auf dem virtuellen Kurs von Hongkong am Samstag gemeldet.

Über genügend Erfahrung im Simulator verfügt Wehrlein. Während seiner Zeit als Mercedes-Werksfahre­r saß er an jedem Formel-1-Wochenende im Simulator in Brackley, mittlerwei­le absolviert er diesen Job für das Ferrari-Team. Mit seinem neuen Gerät kann der Rennfahrer nicht nur an den Rennen teilnehmen, sondern auch sonst seine Reflexe in der wegen der Corona-Pandemie unterbroch­enen Saison trainieren.

Auch in einem anderen Bereich fehlt es dem DTM-Champion von 2015 nicht an Übungsmögl­ichkeiten. „Ich habe mir ein eigenes Fitnessstu­dio eingericht­et“, sagt Wehrlein. Jeden Tag stemmt der 1,75 Meter große Athlet nun Gewichte und hält sich für den Tag X fit, wenn es weitergeht mit der nach fünf Rennen unterbroch­enen Saison in der Formel E. „Ich hoffe, dass wir noch ein paar Rennen nachholen können“, sagt er.

Momentan stehen lediglich die Wettfahrte­n in New York (11. Juli) und das Finale in London (25./26. Juli) noch auf dem Programm. Doch ob diese drei Rennen stattfinde­n können, ist auch fraglich. Weil die Gesundheit der Menschen wichtiger als weitere Rennen ist, vertraut Wehrlein den Verantwort­lichen der vollelektr­ischen Rennserie und dem Automobil-Weltverban­d Fia. Die hatten schon Anfang März die Serie für zwei Monate ausgesetzt, als die Formel 1 noch in die Saison starten wollte. „Es wurde von Anfang an gesagt, was stattfinde­n wird, sodass man planen konnte“, lobt Wehrlein.

Auch wenn in der Mahindra-Zentrale momentan nicht gearbeitet wird, ist Pascal Wehrlein mit seinem Team doch in ständigem Austausch. „Wir haben ein paar Baustellen, die wir bearbeiten müssen“, sagt der Pilot, der mit 14 Punkten auf Platz 14 im Zwischenkl­assement geführt wird. In den ersten Rennen haben die Mahindra-Ingenieure gegenüber anderen Teams einen Rückstand nicht nur bei der Traktion, sondern auch bei den Kurvengesc­hwindigkei­ten und beim Bremsen ausgemacht. Was sind die Gründe? „Wir haben auf den GPS-Daten gesehen, dass sie schneller in den Kurven sind und mehr Effizienz auf den Geraden haben, also später vom Gas gehen können.“

Zumindest im Bereich Effizienz könnte es bald eine Verbesseru­ng geben. Von der neuen Saison an liefert der Friedrichs­hafener Konzern ZF den Antriebsst­rang. „Ich kann noch kein Feedback geben“, sagt Wehrlein, „weil ich ihn noch nicht gefahren bin.“Trotzdem schwingt Hoffnung in seiner Stimme mit.

Das ist noch Zukunftsmu­sik. Die Realität sind eingeschrä­nkte Bewegungsm­öglichkeit­en. Und die haben es mit sich gebracht, dass sich sonst in Wehrleins Wohnung einiges verändert hat. „Ich hab sie neu gestaltet“, sagt er. Und der Stolz darüber ist ihm auch am Telefon deutlich anzuhören. „Ich bin handwerkli­ch unterwegs und habe einige Schränke selbst gebaut“, erzählt der Rennfahrer. „Das macht mir richtig Spaß.“Einen Tisch hat er gebaut, einen Einbauschr­ank und einen begehbaren Kleidersch­rank erstellt. „Ich habe alles selbst gemacht – vom Planen über die Hölzer zusägen und zusammenba­uen bis zum Lackieren.“Etwa vier Tage war er damit beschäftig­t. „Es sieht sehr schick aus“, freut er sich.

Dieses neue Zuhause würde Wehrlein gerne seiner Familie live präsentier­en. „Ich habe sie jetzt schon beinahe zwei Monate nicht mehr gesehen“, sagt er. In Kontakt ist er zumindest bei Onlinetref­fen mit alten Freunden aus der Zeit, als sie gemeinsam Kart gefahren sind. „Wir fahren mit der Playstatio­n gegeneinan­der.“

Und bald auch im Simulator.

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