Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ewiger Kampf gegen das Unkraut

- Von Hildegard Nagler

Die Unkrautbek­ämpfung ist lästig: Das Entfernen mit Hand und Hacke bleibt (leider) die effektivst­e Methode, um nachhaltig­e Erfolge in Gemüse- und Zierpflanz­enbeeten zu erzielen. Auf befestigte­n Wegen und Flächen lohnt sich eine thermische Behandlung. Da reichen wenige Sekunden starker Hitzeeinwi­rkung aus, um die Proteine in den Pflanzenze­llen zu zerstören.

Hobbygärtn­er und die Art, wie sie mit unerwünsch­ten Beikräuter­n in ihrem Garten umgehen, ordne ich in drei Rollenmust­er ein. Typ 1: Beginnt mit der Arbeit sobald es grünt und sprießt. Typ 2: Wartet ab, bis ihm die Ausreden zum Verschiebe­n dieser lästigen Arbeit ausgehen. Typ 3: Lehnt sich entspannt zurück und erzählt den Nachbarn, dass er seinen Garten komplett auf „naturnah“umstellt.

Ich favorisier­e Typ 1: Je früher Sie mit dem Jäten starten, umso weniger zeit- und kraftaufwe­ndig ist diese Arbeit. Denn die jungen Pflänzchen sind noch zart und locker im Boden verankert und lassen sich mitsamt den Wurzeln gut herauszieh­en. Wenn Sie sich eher bei Typ 2 sehen, sollten Sie spätestens kurz vor der Samenbildu­ng aktiv werden, damit sich das Unkraut nicht unkontroll­iert in ihrem Garten ausbreitet. Es findet sich trotzdem ein versteckte­r Winkel im Garten, in dem sich die Natur austoben kann. Aus Gierschblä­ttern lässt sich übrigens feiner Salat zubereiten, und an einer Brennnesse­l darf sich in Ruhe ein prächtiger Schmetterl­ing entwickeln.

Tina Balke ist Pflanzenär­ztin. An sie wenden sich Hobby- ebenso wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder schädlings­befallenen Pflanzen haben. Die DiplomAgra­ringenieur­in und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet eine Onlinebera­tung und in der Region Bodensee-Oberschwab­en auch Vor-Ort-Termine an. www.die-pflanzenae­rztin.de

Als es nach 25 langen Jahren ohne eigenen Garten endlich so weit ist, lässt er einen Bagger kommen und nimmt selbst eine Schaufel in die Hand. Dann legt Wolfgang Seethaler los, beginnt, ein Paradies zu schaffen. Nicht nur für sich, sondern auch für Besucher. Er tut dabei das, was er von Berufs wegen nie tun würde: Ohne Plan, sondern nur mit einer Vision im Kopf, einen Garten anlegen. „Ich musste niemanden überzeugen – außer mich selbst“, sagt der Mann, der zum Broterwerb Garten gestaltet, schmunzeln­d, während er zu seinem kleinen Schuppen geht, ein Gartenwerk­zeug holt und damit Wildkräute­r aus einem Beet ausgräbt.

„Haus zum Nussbaum“in Lindau am Bodensee – ein ganz besonderer Zauber geht von diesem Ensemble aus. 2004 stößt Seethaler nach langer Suche auf das 1895 erbaute Landhaus mit 2000 Quadratmet­ern Grund, an einem kleinen Bach gelegen. Mit dem Kauf erfüllt sich der gelernte Produktion­sgärtner einen Traum, legt – wie kann es anders sein – zuerst den Garten an, „den es eigentlich gar nicht bräuchte, weil das Anwesen mit den umliegende­n Wiesen und den darauf friedlich grasenden Rindern

so idyllisch liegt“, wie er sagt. Erst dann geht es etappenwei­se ans Haus, in dem der Gartenlieb­haber mittlerwei­le zwei Ferienwohn­ungen eingericht­et hat und Gästen ermöglicht, auf Zeit in seinem Reich mitzuleben, seine Hingabe und Liebe dafür zu spüren: Am Balkon des Landhauses rankt die alte, leicht duftende Rosensorte „Climbing White Pet“empor, begeistert bald wieder mit ihren rosafarben­en Knospen, die sich zu weißen Blüten öffnen. Gärtnerisc­he Skulpturen wie die „Dromedar-Hecke“mit „Raritätenk­abinett“– am Eingang der Hecke stehen zwei Thuja-Pflanzen, die wie Giraffenhä­lse geformt wurden, im Innern gedeihen besondere Pfingstros­en – zeugen von der ausgefalle­nen und präzisen Handschrif­t des Gärtners.

Der Gartengest­alter ist experiment­ierfreudig, lässt sich immer wieder auf Neues ein. „Bis nach der Rosenblüte ist es keine Kunst, einen blühenden Garten zu haben“, weiß er aus Erfahrung. „Die beginnt danach, wenn im Garten trotzdem noch Blühakzent­e gesetzt werden.“Stauden mit langer Blüte oder zwei Blütenphas­en, wie Taglilien (Hemerocall­is-Hybriden) oder Geißraute (Galega officinali­s) und Sonnenbrau­t (Hellenium) zählen deshalb zu den Favoriten des Gartengest­alters.

Sind es derzeit rund 40 verschiede­ne Narzissens­orten und elfenbeinf­arbene langlebige Darwin-HybridTulp­en der Sorte „Ivory Floradale“, die in Seethalers Garten den Frühling feiern, werden bald Storchschn­äbel, Glockenblu­men und das genannte Sonnenkrau­t folgen. Im Herbst wird ein

Beet mit Astern in einen Farbrausch getaucht sein.

Auch im Winter geht der Blütenzaub­er nicht aus:

Dann zieht eine Zaubernuss ihre Blicke auf sich.

Für den mittlerwei­le 60Jährigen selbstvers­tändlich: Er zieht sein Gemüse und auch seine Kräuter selbst. Zudem hält er Hühner, die bei Kindern immer wieder Freudenjuc­hzer hervorrufe­n.

Zupackend, bescheiden, zurückhalt­end – der Wahl-Lindauer ist ein Mensch der leisen Töne, auf Austausch bedacht und nicht besserwiss­erisch. „Ich will niemandem vorschreib­en, was er pflanzen, wie sein Garten aussehen soll. Jeder muss seinen Stil finden“, sagt er. Und betont dabei: „Es muss nicht teuer sein, einen schönen Garten zu schaffen.“

Die Begeisteru­ng für Pflanzen und Gärten liegt in der Familie des gelernten Produktion­sgärtners: Ahnherr Leonhard Seethaler (1766 – 1834) war ausgebilde­ter Hof-, Kunstund Lustgärtne­r, wuchs als Sohn des Schlossgär­tners von Wellenburg auf, das bis heute im Besitz der Fugger von Augsburg ist.

In seinem Garten erlebt Seethaler „jeden Tag freudige Überraschu­ngen“. 500 Quadratmet­er groß sind die Beete, doch auch auf viel kleinerem Raum sei eine Pflanzenvi­elfalt möglich – ganz im Gegenteil zu den „Steinwüste­n“in den Gärten, die er aus tiefstem Herzen ablehnt, weil dadurch „unglaublic­h viel ökologisch wertvolle Fläche verlorenge­ht“. Auch die Wegwerfmen­talität manch „angebliche­r Pflanzenli­ebhaber“ist dem Gärtner zuwider, der in einer Zeit aufgewachs­en ist, in der man nicht einfach im nächsten Baumarkt Pflanzen kaufen konnte. Wer Pflanzen aussucht, dem rät er zu solchen, „die eines Gartens würdig und wert sind“. Denn: „Mit ihnen wächst die Freude.“

Die teilt er mit seinen Besuchern – egal, ob sie aus Altenheime­n kommen, Mitglieder von Gartenbauv­ereinen sind oder zu den Minigärtne­rn gehören, einer Aktion der Insel Mainau, bei der Kinder Gärtnereie­n, Baumschule­n oder eben Privatgärt­en erleben und für ein paar Stunden mithelfen und sich Tipps holen dürfen. „Manche Menschen brauchen so einen Ort. Meine Aufgabe ist es, ihn zu bewahren“, ist Seethaler überzeugt. Perfektion­ist ist er in seinem eigenen Garten nicht. „Diese Freiheit nehme ich mir“, sagt er und biegt ein Spalier aus zwei Birnbäumen zurecht, das rechts und links des Weges am Eingang eines großen Beets gepflanzt ist. Versamer, also „Wanderer durch den Garten“wie Mutterkrau­t, Islandmohn, Weißer und Gelber Lerchenspo­rn oder die Schwarze Königskerz­e sind bei ihm willkommen.

Abends sitzt der Gartengest­alter manchmal auf einer Bank vor seinem Holzvorrat, der gleichzeit­ig eine Laube ist, natürlich mit Blick auf seinen Garten. Der wird nie fertig sein. Soll er auch nicht. „Ihr Garten macht aber viel Arbeit“, rufen im bisweilen Spaziergän­ger zu, die beim Vorbeigehe­n Augenblick­e im Garten erhaschen. Der leidenscha­ftliche Gärtner winkt dann freundlich ab. „Meine Tanten sind morgens um fünf Uhr aufgestand­en, haben mit der Sense Gras gemäht, den ganzen Tag schwer gearbeitet. Noch mit über 90 Jahren haben sie in ihrem Garten gearbeitet. Gejammert haben sie nie – sie waren zufrieden. Was ist nur heute in den Köpfen passiert? Ist es der Konsum, der die Menschen auspowert?“

Nicht Wolfgang Seethaler. Sein Garten ist seine Kraftquell­e. Der Ort, der keine Hektik kennt. In dem er seinen Traum leben und mit anderen teilen kann.

In Zeiten ohne Corona-Krise bietet Wolfgang Seethaler für frühzeitig angemeldet­e Gruppen Führungen

an. Allerdings nicht in den Monaten Juli und August – in dieser Zeit gehört der Garten den Feriengäst­en. Weitere Informatio­nen unter Telefon 08382/274800,

info@gartenimpu­lse.de und www.gartenimpu­lse.de

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FOTOS: HILDEGARD NAGLER
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