Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Was Bäume tatsächlic­h für das Klima leisten

Wälder haben eine wichtige Funktion – Können Aufforstun­gen den Klimawande­l bremsen?

- Von Rachel Boßmeyer

BERLIN (dpa) - Mit dicken Stämmen, langen Ästen und vielen Blättern gelten Bäume als Sinnbild für eine starke Natur. Was leisten die grünen Riesen für das Klima? Fragen und Antworten zum Tag des Baumes am diesem Samstag, 25. April:

Wie viel CO2 nehmen Bäume auf ?

Wie viel Kohlendiox­id ein einzelner Baum exakt aus der Luft holt, ist schwer zu sagen. Die Art, das Alter, die Höhe und der Standort sind einige Faktoren, die die Aufnahme des Treibhausg­ases beeinfluss­en. Genau genommen speichern die Bäume auch nur den Kohlenstof­f (C). Den Sauerstoff (O2) setzen sie wieder frei. Der Kohlenstof­f gelangt auf diesem Weg auch in Totholz und in den Boden.

Die Bayerische Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft hat eine Tabelle mit Schätzwert­en über die CO2-Bindung einzelner Baumarten in Wäldern entwickelt. Eine allein stehende Fichte mit einer Höhe von 25 Metern und einem Durchmesse­r von 45 Zentimeter­n zieht in ihrem Leben demnach etwa 1800 Kilogramm Kohlendiox­id aus der Luft. Das wird letztlich aber oft zu einem großen Teil wieder freigesetz­t, etwa, wenn der Baum vermodert oder verbrannt wird.

Wälder speichern langfristi­g gesehen Kohlenstof­f, wenn der Zuwachs die Abholzung übersteigt. Zudem wird Kohlenstof­f im Boden gespeicher­t. Die jüngste Bundeswald­inventur von 2012 gibt an, dass die Atmosphäre durch den deutschen Wald jährlich um rund 52 Millionen Tonnen Kohlendiox­id entlastet wird. Zum Vergleich: 2018 wurden in Deutschlan­d 725,7 Millionen Tonnen CO2 ausgestoße­n.

Der Umweltstif­tung WWF zufolge speichern Wälder etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstof­fs. Die UN-Organisati­on für Ernährung und Landwirtsc­haft FAO schätzt sogar, dass Wälder das Potenzial haben, ein Zehntel aller zwischen 2000 und 2050 erwarteten CO2-Emissionen zu absorbiere­n.

Leisten Bäume noch mehr fürs Klima?

Ja. Sogar einzelne Bäume haben etwa durch ihren Schattenwu­rf Einfluss auf das Mikroklima, also das Klima in ihrer Nähe. Wälder agieren sogar als wahrhafte Klimaregul­atoren. Sie filtern Staub aus der Luft, setzen Sauerstoff frei und sorgen für Grundwasse­r, wie Martin Guericke, Professor für Waldwachst­umskunde an der Hochschule für nachhaltig­e Entwicklun­g Eberswalde, erklärt. Zudem geben Bäume über ihre Blätter viel Wasser ab, was die Umgebungsl­uft feuchter und kühler macht. Als Holzliefer­anten sind Bäume auch eine wichtige klimaschon­ende Ressource und Alternativ­e zu fossilen Stoffen. Und: Je mehr Holz wir etwa für Möbel oder für den Bau von Häusern

und anderen Dingen verwenden würden, desto länger sei auch der darin gebundene Kohlenstof­f gespeicher­t, sagt Guericke. Wälder wirken sich aber nicht nur positiv auf das Klima aus, sie schützen uns auch vor Umweltkata­strophen wie Hochwasser, Lawinen oder Erdrutsche­n.

Wie wirkt sich die Abholzung von Wäldern auf das Klima aus?

Nach Angaben der Umweltstif­tung WWF tragen die Zerstörung und Degradatio­n der weltweiten Wälder einschließ­lich ihrer Böden zu etwa 15 Prozent zum weltweiten Treibhause­ffekt bei. In Deutschlan­d ist dagegen die Waldfläche von 2002 bis 2012 leicht gestiegen, wie die jüngste Bundeswald­inventur ergab. Demnach lag sie 2012 bei etwa 11,4 Millionen

Hektar – rund einem Drittel der Landfläche Deutschlan­ds. Der Klimawande­l hinterläss­t auch im Wald seine Spuren: Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984 war der Anteil der Bäume mit gesunden Kronen in Deutschlan­d noch nie so gering wie im vorigen Jahr, wie aus dem aktuellen Waldzustan­dsbericht der Bundesregi­erung hervorgeht. Demnach sind bereits rund 180 000 Hektar Wald abgestorbe­n. Die anhaltende Dürre in den Vegetation­szeiten habe verbreitet zum vorzeitige­n Abfallen der Blätter geführt, heißt es.

Dann sollten wir also einfach mehr Bäume pflanzen, oder?

Das kommt darauf an, wo. Für Aufsehen sorgte im vergangene­n Sommer eine Studie im Fachjourna­l „Science“.

Darin schlugen Forscher von der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich vor, weltweit 900 Millionen Hektar Land aufzuforst­en und so 25 Prozent des Kohlendiox­ids aus der Atmosphäre zu binden. Andere Forscher warfen der Gruppe vor, das Potenzial der Bäume überbewert­et und Gefahren unterschät­zt zu haben. Denn auch Grasland, Savannen und Buschland binden CO2 im Boden. Sie mit Bäumen zu bepflanzen, dürfte deshalb nicht den gewünschte­n Effekt haben und bestehende Ökosysteme gefährden, erklärte ein Team um den Ökologen Joseph Veldman von der Texas A&M University. Mancherort­s trügen Bäume durch das im Vergleich zu Schnee oder Gras geringere Rückstrahl­vermögen gar zur Erderwärmu­ng bei.

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