Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Etat im Doppik-Gewand
Langenenslingen plant Investitionen in Rekordhöhe – und bereitet sich zugleich auf ertragschwache Zeiten vor
IM KREIS REUTLINGEN
BESTÄTIGTE FÄLLE
VERÄNDERUNG ZUM VORTAG
LANGENENSLINGEN - Zahlreiche Kommunalpolitiker haben im Angesicht von Covid-19 Mut gefasst und organisieren wieder Gemeinderatssitzungen, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Auch Langenenslingens Gemeinderäte tagten am Montagabend ausnahmsweise in der Fest- und Sporthalle unter den inzwischen üblichen Corona-Bedingungen: große räumliche Abstände zwischen den Sitzungsteilnehmern und penible hygienische Regeln. Dabei steht das Virus selbst gar nicht mehr so stark im Mittelpunkt des Interesses. Die Folgen des wirtschaftlichen Stillstands und die konjunkturelle Eintrübung haben inzwischen unmittelbaren Einfluss auf die Haushaltslage in der flächengrößten Gemeinde im Landkreis Biberach.
Daher spitzten die Mandatsträger in der Langenenslinger Turnhalle die Ohren, als Bürgermeister Andreas Schneider und Kämmerer Bernhard Mayer den Haushaltsplan 2020 vorstellten, der erstmals nach Vorgaben der kommunalen Doppik aufgestellt worden ist. Für das opulente Zahlenwerk und die Erklärungen von Kämmer Bernhard Mayer gab es Lob vom Gemeinderat.
Zugleich verabschiedete das Gremium den Etat für 2020 einstimmig. „Die Entscheidung über den Haushalt ist ein dringender Punkt, deshalb sind wir auch in Zeiten der Pandemie zusammengekommen. Wir wollen als Verwaltung handlungsfähig sein“, hatte Andreas Schneider vor der Abstimmung gesagt.
Bernhard Mayer machte in seinen durchaus detaillierten Ausführung grundsätzlich eine Sache klar: Noch gehe es Langenenslingen gut, allerdings sei der Ressourcenverbrauch erheblich. Auch erwarte er, dass die Einnahmen in den kommenden Jahren sinken würden. „Derzeit leben wir über unseren Verhältnissen“, sagt er. Obwohl Langenenslingen über rund 6,1 Millionen Euro liquide Mittel am Ende des Jahres 2019 verfügte– wohlgemerkt nach kameralistischer Rechnungslegung – und Erträge von 9,15 Millionen Euro nach doppelter Buchhaltung verzeichnet, erwartet der Kämmerer ein Minus von rund 86 500 Euro Ende 2020. Grund dafür sind hohe Ausgaben. Dazu gehören auch Rekordinvestitionen von knapp fünf Millionen Euro. Größte Posten sind unter anderem die Erschließungsund Infrastrukturarbeiten für Baugebiete, die Beteiligung an der NetzeBW
GmbH sowie der Ausbau des schnellen Internets.
Zu den Gesamtaufwendungen von gut 9,2 Millionen Euro gehören neben gut zwei Millionen Euro Personalkosten, Ausgaben für Sach- und
Dienstleistungen (knapp zwei Millionen Euro), Umlagen und Zuschüsse auch ab dem laufendem Haushaltsjahr auch Abschreibungen. Für Letztere muss die Gemeinde 2,1 Millionen Euro aufwenden. Das ist ein Resultat der Umstellung von Kameralistik auf Doppik. Demnach müssen jährliche Abnutzungen und Wertverluste von beispielsweise Gebäuden, Straßen und Fahrzeugen als Kosten aufgeführt werden. „Diesen Ressourcenverbrauch müssen wir künftig selbst erwirtschaften“, sagt Mayer. Er sagt dieser Zeitung, die Gemeinde könne in Zukunft Einnahmen durch höhere Hebesätze der kommunalen Steuern oder Gebühren generieren oder Einschnitte bei
Andreas Schneider, Bürgermeister der Gemeinde Langenenslingen. den Ausgaben vornehmen. Doch das sei eher schwierig, „denn wir müssen mit einer Rezession rechnen“, sagt er bei der Ratssitzung.
Genau das scheint sich nun, durch die Corona-Pandemie verstärkt und ausgelöst, in Langenenslingen abzuzeichnen. Bereits seit 2018 sinken die Gewerbesteuereinnahmen, die exportorientierte Industrie in BadenWürttemberg verdient deutlich weniger Geld.
„Wir haben im Haushaltsplan 2020 mit Gewerbesteuereinnahmen von 850 000 Euro in diesem Jahr gerechnet. Aber wir haben bereits von zahlreichen Firmen Rückmeldung erhalten, die bereits ihre Steuervorauszahlung auf Null gesetzt haben“, berichtet Bürgermeister Andreas Schneider. Daher rechnet er mit Mindereinnahmen. „Wir haben eine Haushaltssperre erlassen, gemäß der Beschaffungen und Investitionen einer Genehmigung bedürfen. Wir wollen in den nächsten Monaten auf Sicht fahren“, teilte er dem Gemeinderat mit.
„Wir erhielten bereits von zahlreichen Firmen des Ortes Rückmeldung, die bereits ihre Steuervorauszahlung auf Null gesetzt haben.“