Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Niedrige Rendite als Problem
Die hohe Bindung der Bürger und Bürgerinnen an das Riedlinger Krankenhaus ist dagegen laut Projektstudie ein Plus für das Ärztehaus
BIBERACH/RIEDLINGEN – In Abstimmung mit dem Landkreis hat die Stadt Riedlingen die Albrings + Müller AG mit der Erstellung einer Projektstudie zur ambulanten Gesundheitsversorgung in Riedlingen beauftragt. Bei der Sitzung des Verwaltungsund Finanzausschusses des Kreistages in Biberach wurde sie in wesentlichen Teilen vorgestellt. David Matthäus und Frank Bindszus waren dazu aus Stuttgart nach Biberach gekommen und erhielten viel Lob aus den Reihen der Kreisräte.
Aufgetragen war ihnen unter anderem, die Rahmenbedingungen für ein Ärztehaus zu erkunden, eine grobe Markt- und Standortanalyse zu erstellen, zu der auch das Renditeniveau zählt und die Entwicklungsperspektiven und Varianten sowie eine statische Wirtschaftsanalyse aufzuzeigen, Optimierungspotenziale zu analysieren und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
David Matthäus übernahm bei der Sitzung den Part des Vortragenden. Zum derzeitigen Krankenhaus-Gebäude wurden die hohen Sanierungskosten – das Doppelte eines Neubaus – als Grund angegeben, die Idee einer Sanierung fallen zu lassen. Erhalten bleibt die Kapelle, die unter Denkmalschutz steht. Angedacht ist der Neubau auf der Wiese vor dem bisherigen Krankenhaus. Das Pflegeheim der St.Elisabeth-Stiftung entsteht zwischen Kapelle und Personalwohnheim.
Die Standort-Beurteilung für ein Ärztehaus gestaltet sich auch in dieser Untersuchung als positiv, was die Erreichbarkeit, das Grundstück als solches und die hohe Bindung der Bürgerinnen und Bürger anbetrifft. Als Chance wird erkannt, dass sich im Zusammenhang mit der Entwicklung des Pflegeheims und weiteren „nutzungstypischen Strukturen“eine Campussituation mit zahlreichen Synergieeffekten entwickeln könnte.
Entgegen kommen dem Projekt zudem die Interessenbekundungen von Ärzten als Mieter. Aktuell sind als Nutzer elf Praxen sowie der Arbeitersamariter-Bund vorgesehen. Wird dies als Stärke gewertet, gilt das „sehr niedrige“Mietniveau für Praxis- und Wohnflächen als Schwäche. Daraus ergeben sich Risiken. So wird Riedlingen als kein „üblicher Markt für institutionelle Investoren“genannt. Daraus resultierend wird es schwierig bei der Rendite-Erzielung.
Zwei Modelle berechnete das Stuttgarter Büro für technische und wirtschaftliche Immobilienberatung. Sie weisen einen unterschiedlichen Flächenbedarf auf. In der Variante 1 gibt es zwei Ausführungen. Nicht näher eingegangen wird auf die Variante 1a, die exakt den Wünschen der Ärzte entspricht, was Lage und Zuordnung zu anderen Praxisflächen anbelangt. Der dafür vorgeschlagene L-förmige Baukörper verlangt ein Mehr an Grundstücksfläche und zwar 6300 Quadratmeter. Die Untervariante 1b stellt eine möglichst wirtschaftliche
Kubatur in den Vordergrund. In ihr wurden zwar die Flächen der Praxen, nicht jedoch in jedem Fall die von den Ärzten gewünschte Lage im Gebäude berücksichtigt. Hier handelt sich um einen Längsbau mit drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss auf einer Grundstücksgröße von 4500 Quadratmetern. Die – groben – Baukosten für diese Variante liegen bei 14,7 Millionen Euro, wobei keine Grundstückskosten berücksichtigt sind. Beleuchtet wurde bei der Ermittlung eines Kostenrahmens mit Variante 2 ein Gebäude mit höherem Flächenbedarf. Für sie besteht ein Investitionsbedarf von 18,8 Millionen Euro.
Bei der wirtschaftlichsten Lösung entsteht bei der Annahme von neun Euro Miete pro Quadratmeter und einer fünfprozentigen Renditeerwartung eine Deckungslücke von 6,6 Millionen Euro. Bei der größer dimensionierten Variante 2 läge sie bei 8,1 Millionen. Daraus resultiert für das untersuchende Büro, dass ein möglicher Investor nicht in der Lage sei, das Ärztehaus vor dem Hintergrund einer marktüblichen Renditeerwartung zu realisieren. Lediglich ein Investor, der in irgendeiner Form gemeinnützige Ziele verfolge – wie zum Beispiel eine Stiftung – könnte das „Vorhaben unter Umständen mit niedrigerer Renditeerwartung und damit mit moderaten Mieten realisieren“.
Um Zuschüsse zu reduzieren, beziehungsweise das Projekt ohne die Einbindung eines externen Investors realisieren zu können, zeigt das Büro drei Optionen auf: die Steigerung der Mietpreise, was als nicht realistisch erachtet wird, lägen sie doch bei der günstigeren Variante bei 18,70 Euro pro Quadratmeter. Keine Lösung bringt auch die Ergänzung um Wohneinheiten; solche führten nur zu einer geringer höheren Wirtschaftlichkeit. Eine weitere Option ist schließlich die Realisierung durch eine städtische Gesellschaft, einhergehend mit folgenden Kompensationsmöglichkeiten: langfristig niedrige Finanzierungskonditionen der Stadt, Entfall des Entwicklergewinns, Reduktion der langfristigen Investorenrendite. Anhand anderer Beispiele wurde aufgezeigt, wie Städte selbst in Form einer Entwicklungsgesellschaft in die Rolle des Investors traten und rund zehn Prozent des Investitionsvolumens als Eigenkapital einbrachten.
Auch das Ärztehaus Riedlingen sei für diese innovative Abwicklungsform grundsätzlich geeignet und „vielversprechend“, wie Matthäus ausführte. Die Stadt verfolge keine Gewinnabsicht und wolle mit dem Projekt keine oder nur eine geringe Rendite erwirtschaften, was dazu führe, das Mietniveau niedriger gestalten zu können. Ausgegangen wird dabei von einer realistisch anzusetzenden Nettokaltmiete im Bereich von zehn bis elf Euro pro Quadratmeter. Die Stadt investiere lediglich zehn Prozent des Investitionsvolumens als Eigenkapital, möglicherweise noch weniger. Sie habe die volle Kontrolle über das Bauvorhaben und die Bewirtschaftung und signalisiere der Öffentlichkeit, dass ihr viel an der medizinischen Versorgung vor Ort liege.
Auch in dieser Variante wird vorausgesetzt, nichts oder wenig für Grundstückskosten an den Landkreis zahlen zu müssen oder den Bauplatz in Form eines Erbbaurechtes überlassen zu bekommen.