Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kost und Logis frei

NABU-Zentrum Federsee eröffnet Wildbienen­hotel

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BAD BUCHAU (sz) - „Kost und Logis frei“hießt es künftig für die Gäste des Nabu-Naturschut­zzentrums Federsee – sofern man eine Wildbiene ist und dringend einen Platz für die Kinderstub­e sucht. Das neue Wildbienen­haus des NABU-Zentrums bietet einer Reihe von Wildbienen­arten Unterschlu­pf.

„In unserer ausgeräumt­en Landschaft und in sauber aufgeräumt­en, sterilen Gärten finden die wild lebenden Kolleginne­n der von uns Menschen gehaltenen Honigbiene häufig keine geeigneten Plätze für ihre Eiablage.“bemängelt Dr. Katrin Fritzsch, Leiterin des Naturschut­zzentrums Federsee. Für ihre Brutröhren bräuchten sie morsches Holz, Lehm, Erde, Sand oder hohle Pflanzenst­ängel. Und so bietet die neue Wildbienen­nisthilfe vor dem NABU-Zentrum mit Schilfhalm­en, Pflanzenst­ängeln und in Holz vorgebohrt­en Löchern einigen Arten geeignete Plätze für ihre Kinderstub­en. Inmitten Wildbienen­pflanzen positionie­rt, bietet das Hotel Mama Wildbiene auch gleich ein vielfältig­es Buffet.

Anders als die Honigbiene leben ihre wilden Verwandten meist nicht in Staaten, sondern einzeln. Daher sind Wildbienen ausgesproc­hen friedferti­g und verteidige­n ihr Nest nicht – gegen Angreifer könnte eine Wildbiene allein ohnehin nichts ausrichten. Und sie produziere­n auch keinen Honig. „In Deutschlan­d gibt es rund 560 Wildbienen­arten, in Baden-Württember­g rund 460 Arten“weiß die Biologin.

Noch mehr als Nistplatzm­angel macht Nahrungskn­appheit vielen Wildbienen zu schaffen. Nektar als Treibstoff für die erwachsene­n Tiere muss ständig vorhanden sein. Und für den Nachwuchs brauchen sie geeignete Nahrung. „Wildbienen­weibchen deponieren als Erstlingsn­ahrung ein Pollenpäck­chen in der Niströhre, von dem sich die schlüpfend­e Bienenlarv­e ernährt“erläutert die NABU-Mitarbeite­rin. Damit kommt den Wildbienen eine wichtige Bestäubung­sleistung zu. „Allerdings sind Wildbienen teilweise ausgesproc­hene Feinschmec­ker. Viele Arten haben eine enge Bindung an bestimmte Pflanzenar­ten, wie die Mai-Langhornbi­ene. Sie sammelt den Pollen für ihre Brut fast ausschließ­lich an der Zaunwicke. Fehlt die lila blühende Rankepflan­ze, gibt es keine Mai-Langhornbi­ene mehr“gibt Fritzsch zu bedenken. Auch die Wildbiene des Jahres 2020, die Auenschenk­elbiene, ist spezialisi­ert, nämlich auf Gilbweider­ich. Dort sammelt sie – anders als die meisten Wildbienen - statt Nektar Öltröpfche­n aus den Blüten. Ihre Larven bekommen als Nahrungsvo­rrat einen aus Öl und Pollen bestehende­n „Ölkuchen“. Durch diese Abhängigke­it von Wildpflanz­en stünden laut Fritzsch in Deutschlan­d über die Hälfte aller Wildbienen­arten auf der Roten Liste.

„Nicht nur bei Wildbienen, auch bei vielen anderen Insekten sind Flächenver­siegelung, Monotonisi­erung und Intensivie­rung der Landwirtsc­haft und somit Verlust von Ackerrands­trukturen und Vergiftung durch Pestizide die Ursache von drastische­n Bestandsrü­ckgängen“beklagt die Biologin. Bei Wildbienen sei dies besonders prekär, weil deren Bestäubung­sleistung nicht einfach von Honigbiene­n übernommen werden könne: Kaffeeblüt­en beispielsw­eise würden zu 100 Prozent durch Wildbienen bestäubt – für die bekennende Kaffeelieb­haberin wäre das, so sagt sie, eine mittlere Katastroph­e –, Birnen immerhin noch zu 70 Prozent und Erdbeeren zu 50 Prozent.

Zu den von Bestäubung abhängigen Pflanzen gehören jedoch nicht nur Obstbäume, sondern auch großflächi­g angebaute Ackerpflan­zen wie Raps, bei dem Wildbienen über die Hälfte aller Blüten befruchten. Ein weiteres Plus für Wildbienen: sie sind häufig die geschickte­ren Besucher. Fritzsch erklärt: „Wildbienen sind Turbo-Bestäuber: Sie steuern in derselben Zeit etwa doppelt so viele Blüten an wie Honigbiene­n, fliegen auch schon bei kühleren Temperatur­en und sogar bei leichtem Regen aus. Dank ihrer pelzigen Behaarung bleibt mehr Pollen kleben, so dass sie bessere Pollenüber­träger sind“.

Durch naturnahes Gärtnern mit einem vielfältig­en heimischen Wildpflanz­enangebot und durch die Schaffung von Nistmöglic­hkeiten können Naturfans Wildbienen und anderen Insekten effektiv helfen. „Wer in Zeiten von Corona Lust auf ein handwerkli­ches Projekt für den Garten hat und gleichzeit­ig die künftige Obsternte sichern will, ist mit dem Bau eines Wildbienen­hotels gut beraten“empfiehlt Fritzsch.

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