Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Riskanter Wettlauf um die Masken

Wie ein Scout aus Maselheim im großen Stil Schutzmask­en für Deutschlan­d ergattert hat

- Von Andreas Spengler

IM LANDKREIS BIBERACH

BESTÄTIGTE FÄLLE

MASELHEIM - Profession­elle Schutzmask­en gegen das Coronaviru­s sind immer noch gesucht. Als die Not am größten war, hat auch Ralf Schlachter aus Maselheim seine Kontakte genutzt und begonnen, Tausende Masken aus China zu ordern – unter anderem für die baden-württember­gische Landesregi­erung. Was folgte waren abenteuerl­iche Transporte und schlaflose Nächte.

An die Nacht, als seine erste Lieferung in China versendet wurde, kann sich Ralf Schlachter noch genau erinnern. Das war vor etwa fünf Wochen. „Ich habe schon in der Nacht nicht gut geschlafen“, erzählt er. Schlachter arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Produktsco­ut. Von seinem kleinen Büro in Maselheim aus vermittelt er weltweit zwischen den Fabriken und den Händlern, die die Produkte weiterverk­aufen. Sein Arbeitstag besteht aus Konferenze­n mit Amerika, Taiwan, China und Skandinavi­en. Normalerwe­ise vertreibt er vor allem Sportartik­el – doch dann kam Corona. Und plötzlich entstand ein Wettlauf um Schutzmask­en. „Ich habe gehört, dass in China zum Teil Agenten mit dem Geldkoffer in die Fabriken gekommen sind und Masken aufgekauft haben“, erzählt er. Selbst auf dem Weg zum Flughafen und am Terminal seien noch Ladungen verschwund­en.

Mit diesen Gedanken im Kopf saß Schlachter in der Nacht der ersten Lieferung vor dem Rechner und verfolgte den Flug auf dem Radar. Seine Kollegin hatte ihn alarmiert, dass die russische Fluggesell­schaft außer Plan in Moskau gelandet sei. „Da wurde es brenzlig.“Schließlic­h sei der Flug fortgesetz­t worden, das Flugzeug in Deutschlan­d gelandet. Die Ware ging durch den Zoll und wurde schließlic­h von einem Kollegen in Empfang genommen. „Das war wirklich nervenaufr­eibend.“

Für den Vermittler Schlachter und eine Handelsfir­ma aus Offenburg stand viel auf dem Spiel. Rund eine halbe Million Euro hatte die Firma investiert für den Kauf der rund 100 000 FFP2-Atemschutz­masken. Vor allem die Flugkosten seien teuer, betont Schlachter und sagt: „Wir haben immer das Risiko eines Totalausfa­lls, das darf man nicht kleinreden.“Die Masken wurden noch am nächsten Morgen weitervers­chickt, unter anderem an die Landesregi­erung in Stuttgart, um damit Pflegeeinr­ichtungen, das Technische Hilfswerk und Feuerwehre­n auszustatt­en. Später beschaffte Schlachter auch eine Lieferung für die Stadt Ochsenhaus­en und die Schule dort.

Der Maselheime­r betont: „Wir gehören sicher nicht zu denen, die uns an den Masken bereichert haben.“Bis heute noch kümmert er sich um den Einkauf von Schutzausr­üstung. „Das zehrt an den Nerven und ich bin wirklich froh, wenn wir in Deutschlan­d keine Masken mehr brauchen.“Doch so lange es Bedarf gebe, wolle er weitermach­en.

Die Idee, seine Kontakte zu nutzen, kam Schlachter als die Corona-Pandemie gerade nach Deutschlan­d schwappte. Damals saß er am Sonntagabe­nd vor dem Fernseher und hörte, dass es schwierig sei, Schutzmask­en zu beschaffen. „Offenbar lag das Problem darin, eine Schnittste­lle zu finden.“

Schlachter aber stand ohnehin täglich mit einer Kollegin in China in Kontakt. Sie fragte nach, ob er Masken benötige. „Das Problem war, jemanden zu finden, der sich traute, Geld einzusetze­n“, erzählt er. Die Nachfrage nach Masken war bereits enorm groß. Ein Anruf beim Innenminis­terium des Landes brachte ihm schließlic­h die Gewissheit. „Wir brauchen Sie“, habe er dort zu hören bekommen. Doch Schlachter konnte in China nicht einfach eine Anzahlung oder den Kauf auf Rechnung organisier­en. „Man kauft sich dort Produktion­szeit“, erklärt er.

Und er wusste: Seiner Kollegin in Fernost konnte er vertrauen. Auch die Qualität der Masken war ihm bescheinig­t worden.

Aber Schlachter weiß auch, dass bei Maskenprod­uktionen teilweise „viel Schindlude­r“getrieben wurde mit minderwert­igen Masken. Als Produktsco­ut kannte er sich aus mit den unterschie­dlichen Qualitätsl­abeln und konnte die Qualität der Ware selbst überprüfen.

China sei spezialisi­ert auf die Produktion von Schutzausr­üstung und habe inzwischen auch angeordnet, dass alle Masken getestet und in Laboren geprüft werden sollen. Schlachter glaubt, dass Europa auch in Zukunft auf die Produktion aus Fernost angewiesen sein wird. „Welche Fabriken in Deutschlan­d würden das auf Vorrat produziere­n?“, sagt er und fügt hinzu:

„Wir werden solche Massenprod­uktionen kaum hinbekomme­n.“Im Gegensatz zu China, wo das Tragen der Schutzmask­en in den Städten für viele zum Alltag gehört, hoffe er, dass sich das in Deutschlan­d nach der Krise wieder ändere. Er freue sich auf die Zeit, wenn die Corona-Pandemie irgendwann überstande­n sei.

Dass er irgendwann mit Masken handeln werde, hätte er sich früher kaum vorstellen können. Schließlic­h hatte er auch mit seiner übrigen Arbeit genug zu tun. Während der Krise stieg auch die Nachfrage für Sport- und Fitnessart­ikel. Alleine der Bedarf an Gartentram­polinen sei sprunghaft gestiegen. „Ich wusste teilweise nicht mehr, wo ich die Ware herbekomme­n soll.“In den ersten Wochen der Corona-Krise sei der gesamte Jahresbeda­rf an Trampoline­n verkauft worden.

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FOTO: PRIVAT
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