Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Riskanter Wettlauf um die Masken
Wie ein Scout aus Maselheim im großen Stil Schutzmasken für Deutschland ergattert hat
IM LANDKREIS BIBERACH
BESTÄTIGTE FÄLLE
MASELHEIM - Professionelle Schutzmasken gegen das Coronavirus sind immer noch gesucht. Als die Not am größten war, hat auch Ralf Schlachter aus Maselheim seine Kontakte genutzt und begonnen, Tausende Masken aus China zu ordern – unter anderem für die baden-württembergische Landesregierung. Was folgte waren abenteuerliche Transporte und schlaflose Nächte.
An die Nacht, als seine erste Lieferung in China versendet wurde, kann sich Ralf Schlachter noch genau erinnern. Das war vor etwa fünf Wochen. „Ich habe schon in der Nacht nicht gut geschlafen“, erzählt er. Schlachter arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Produktscout. Von seinem kleinen Büro in Maselheim aus vermittelt er weltweit zwischen den Fabriken und den Händlern, die die Produkte weiterverkaufen. Sein Arbeitstag besteht aus Konferenzen mit Amerika, Taiwan, China und Skandinavien. Normalerweise vertreibt er vor allem Sportartikel – doch dann kam Corona. Und plötzlich entstand ein Wettlauf um Schutzmasken. „Ich habe gehört, dass in China zum Teil Agenten mit dem Geldkoffer in die Fabriken gekommen sind und Masken aufgekauft haben“, erzählt er. Selbst auf dem Weg zum Flughafen und am Terminal seien noch Ladungen verschwunden.
Mit diesen Gedanken im Kopf saß Schlachter in der Nacht der ersten Lieferung vor dem Rechner und verfolgte den Flug auf dem Radar. Seine Kollegin hatte ihn alarmiert, dass die russische Fluggesellschaft außer Plan in Moskau gelandet sei. „Da wurde es brenzlig.“Schließlich sei der Flug fortgesetzt worden, das Flugzeug in Deutschland gelandet. Die Ware ging durch den Zoll und wurde schließlich von einem Kollegen in Empfang genommen. „Das war wirklich nervenaufreibend.“
Für den Vermittler Schlachter und eine Handelsfirma aus Offenburg stand viel auf dem Spiel. Rund eine halbe Million Euro hatte die Firma investiert für den Kauf der rund 100 000 FFP2-Atemschutzmasken. Vor allem die Flugkosten seien teuer, betont Schlachter und sagt: „Wir haben immer das Risiko eines Totalausfalls, das darf man nicht kleinreden.“Die Masken wurden noch am nächsten Morgen weiterverschickt, unter anderem an die Landesregierung in Stuttgart, um damit Pflegeeinrichtungen, das Technische Hilfswerk und Feuerwehren auszustatten. Später beschaffte Schlachter auch eine Lieferung für die Stadt Ochsenhausen und die Schule dort.
Der Maselheimer betont: „Wir gehören sicher nicht zu denen, die uns an den Masken bereichert haben.“Bis heute noch kümmert er sich um den Einkauf von Schutzausrüstung. „Das zehrt an den Nerven und ich bin wirklich froh, wenn wir in Deutschland keine Masken mehr brauchen.“Doch so lange es Bedarf gebe, wolle er weitermachen.
Die Idee, seine Kontakte zu nutzen, kam Schlachter als die Corona-Pandemie gerade nach Deutschland schwappte. Damals saß er am Sonntagabend vor dem Fernseher und hörte, dass es schwierig sei, Schutzmasken zu beschaffen. „Offenbar lag das Problem darin, eine Schnittstelle zu finden.“
Schlachter aber stand ohnehin täglich mit einer Kollegin in China in Kontakt. Sie fragte nach, ob er Masken benötige. „Das Problem war, jemanden zu finden, der sich traute, Geld einzusetzen“, erzählt er. Die Nachfrage nach Masken war bereits enorm groß. Ein Anruf beim Innenministerium des Landes brachte ihm schließlich die Gewissheit. „Wir brauchen Sie“, habe er dort zu hören bekommen. Doch Schlachter konnte in China nicht einfach eine Anzahlung oder den Kauf auf Rechnung organisieren. „Man kauft sich dort Produktionszeit“, erklärt er.
Und er wusste: Seiner Kollegin in Fernost konnte er vertrauen. Auch die Qualität der Masken war ihm bescheinigt worden.
Aber Schlachter weiß auch, dass bei Maskenproduktionen teilweise „viel Schindluder“getrieben wurde mit minderwertigen Masken. Als Produktscout kannte er sich aus mit den unterschiedlichen Qualitätslabeln und konnte die Qualität der Ware selbst überprüfen.
China sei spezialisiert auf die Produktion von Schutzausrüstung und habe inzwischen auch angeordnet, dass alle Masken getestet und in Laboren geprüft werden sollen. Schlachter glaubt, dass Europa auch in Zukunft auf die Produktion aus Fernost angewiesen sein wird. „Welche Fabriken in Deutschland würden das auf Vorrat produzieren?“, sagt er und fügt hinzu:
„Wir werden solche Massenproduktionen kaum hinbekommen.“Im Gegensatz zu China, wo das Tragen der Schutzmasken in den Städten für viele zum Alltag gehört, hoffe er, dass sich das in Deutschland nach der Krise wieder ändere. Er freue sich auf die Zeit, wenn die Corona-Pandemie irgendwann überstanden sei.
Dass er irgendwann mit Masken handeln werde, hätte er sich früher kaum vorstellen können. Schließlich hatte er auch mit seiner übrigen Arbeit genug zu tun. Während der Krise stieg auch die Nachfrage für Sport- und Fitnessartikel. Alleine der Bedarf an Gartentrampolinen sei sprunghaft gestiegen. „Ich wusste teilweise nicht mehr, wo ich die Ware herbekommen soll.“In den ersten Wochen der Corona-Krise sei der gesamte Jahresbedarf an Trampolinen verkauft worden.