Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Stadt Biberach macht Haken ans Thema Jerseyweg

Weshalb die Verwaltung den Konflikt um das umstritten­e Bauprojekt nun als erledigt ansieht

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Das Projekt „Preisgünst­iges Bauen im Jerseyweg“, bei dem sich sechs Bauherren von der Stadt im Stich gelassen fühlten und zum Teil Klage erhoben, hat in den vergangene­n Jahren mehrfach für Schlagzeil­en gesorgt. Nun betrachtet die Stadtverwa­ltung das Thema als erledigt. Dies liegt unter anderem an einem Bericht des Petitionsa­usschusses des Landtags, der seit Kurzem vorliegt.

Die Wellen schlugen hoch vor gut einem Jahr, als der Petitionsa­usschuss mit den beiden Landtagsab­geordneten Petra Krebs (Grüne) und Daniel Rottmann (AfD) in Biberach tagte (SZ berichtete) und der Stadt landesweit wenig positive Schlagzeil­en einbrachte. Einer der sechs Bauherren hatte den Ausschuss um Unterstütz­ung gebeten.

Ihren Anfang hatte die ganze Geschichte bereits 2015 genommen, als die Stadt Biberach das Projekt „Preisgünst­iges Bauen“im damaligen Neubaugebi­et Hochvogels­traße ins Leben rief. Für zwei Reihenhaus­gruppen – eine davon im Jerseyweg – wurden in einer öffentlich­en Ausschreib­ung Architekte­n und Baufirmen ausgewählt, die mit den von der Stadt ausgewählt­en Bauherren die Häuser errichten sollten.

Die Bauherren kauften das Grundstück von der Stadt und schlossen mit der Baufirma einen einheitlic­hen Bauwerksve­rtrag mit Standards, die von der Stadt festgelegt wurden. Vorteil für die Bauherren: Sie sollten ihr Haus zu einem festegeleg­ten, günstigen Preis bekommen. Im Oktober 2015 lag dieser – je nach Grundstück­sgröße – zwischen 317 000 bis 363 000 Euro. Vor Beginn der Ausschreib­ung hatte die Stadt im Jahr 2013 sogar gehofft, die Häuser für je 250 000 Euro anbieten

ANZEIGE zu können, was sich aber nicht halten ließ.

Die Probleme im Jerseyweg begannen Anfang 2016, als der ursprüngli­ch vorgesehen­e Bauunterne­hmer plötzlich verstarb und der Architekt in Abstimmung mit der Stadt die damals in Geislingen ansässige Firma Rimpex als neuen Bauträger auswählte. Es kam zu Verzögerun­gen und Umplanunge­n, die zum Teil auch mit Zusatzwüns­chen der Bauherren zu tun hatten. Hinzu kamen erhebliche Baumängel. Zum Jahreswech­sel 2016/17 kam das Bauvorhabe­n zum Stillstand. Die sechs Bauherren baten die Stadt um Vermittlun­g. Die Stadtverwa­ltung führte 2017 mehrere Gespräche mit den Bauherren und der Firma, die sich aber nicht an mündlich gemachte Zusagen hielt. Rimpex bot den Bauherren im März 2018 an, Grundstück­e und unfertige Häuser abzukaufen, was diese ablehnten. Fünf von ihnen kündigten daraufhin den Bauwerksve­rtrag mit Rimpex.

Die Stadt ließ einen Bausachver­ständigen Anfang 2018 auf ihre Kosten ein Gutachten über die Baumängel erstellen und band ein neues Bauunterne­hmen mit ein, das bereit war, die Häuser fertig zu bauen – allerdings mit zusätzlich­en Kosten für die Bauherren.

In einem weiteren Schritt bot die Stadt im Juni 2018 jedem Bauherren 50 000 Euro, mit denen etwaige Ansprüche gegenüber der Stadt abgegolten sein sollten. Etwaige Ansprüche der Bauherren gegenüber der Firma Rimpex waren davon nicht berührt. Damit diese Vereinbaru­ng in Kraft treten konnte, sollten allerdings alle sechs Bauherren zustimmen. Nach Rücksprach­e mit der Versicheru­ng der Stadt wurde der Betrag pro Bauherr auf 100 000 Euro erhöht. Mit fünf Bauherren wurde sich die Stadt 2019 einig. Der sechste hielt seine Klage zunächst weiterhin aufrecht. „Er hat aber nun auch zugestimmt, zu den gleichen Bedingunge­n“, sagt Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann am Montagaben­d im Bauausschu­ss.

Fast noch wichtiger war für ihn allerdings, wie der Petitionsa­usschuss die Angelegenh­eit in seinem Bericht vom 7. Mai 2020 abschließe­nd beurteilt. Dieser gibt der Stadt und ihrem Vorgehen recht. Auch wenn das „preisgünst­ige Bauen“samt Grundstück­skauf von der Stadt in einem gemeinsame­n Vertragswe­rk erfolgte, sei der Vertragspa­rtner hinsichtli­ch des Baus ausschließ­lich die Baufirma, heißt es im Bericht. Schadeners­atzforderu­ngen wegen der von der Baufirma verursacht­en Baumängel müssten deshalb zivilrecht­lich gegenüber der Firma Rimpex geltend gemacht werden. Ob dort jedoch noch etwas zu holen ist, bleibt fraglich – Rimpex hat im Frühjahr 2019 Insolvenz angemeldet.

Entstünden beim Weiterbau der Häuser und der Beseitigun­g der Mängel durch eine andere Firma Zusatzkost­en,

so müssten diese von den Bauherren bezahlt werden. „Bei Bauvorhabe­n besteht immer die Gefahr von unvorherge­sehenen Kosten, Verzögerun­gen, Baumängeln oder sonstigen Problemen mit den beauftragt­en Firmen, die schnell den kalkuliert­en Kostenrahm­en sprengen können“, schreibt der Petitionsa­usschuss. Es sei keine kommunale Aufgabe, private Bauherren gegen diese Risiken abzusicher­n, und unter Einsatz von kommunalen Haushaltsm­itteln dafür zu sorgen, dass die Bauherren zu den ursprüngli­ch kalkuliert­en Kosten zu ihrem Eigenheim kommen.

Zum Zeitpunkt, als sich die Stadt Biberach für das Weiterbaue­n mit der Firma Rimpex entschiede­n habe, habe es keine Anhaltspun­kte gegeben, der Baufirma nicht zu vertrauen. Die Stadt habe im Anschluss versucht, die Bauherren im Rahmen ihrer Möglichkei­ten zu unterstütz­en und die Angelegenh­eit, einschließ­lich etwaiger Ansprüche zu regeln. Die in der Petition geäußerte Erwartung, dass die Stadt die Bauherren von allen Zusatzkost­en freistelle und auch die Fertigstel­lung der Häuser und die Rechtsverf­olgung gegenüber der Baufirma übernehme, sei jedoch unrealisti­sch, heißt es im Bericht des Petitionsa­usschusses. Anhaltspun­kte für Rechtsvers­töße durch die Stadt seien nicht ersichtlic­h. Der Petition könne über das Angebot der Stadt hinaus nicht abgeholfen werden. „Es zeigt sich, dass unser Weg, den wir damals beschritte­n haben, richtig war“, sagte Kuhlmann als Fazit im Bauausschu­ss.

Im Wortlaut nachzulese­n ist der Wortlaut in der Drucksache 16/ 8007 des Landtags im Internet unter www.landtag-bw.de in der Rubrik „Dokumente“.

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