Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einen Schritt weiter zu einer neuartigen Kanzacher Dorfmitte
Die „Krone“ist an konzeptorientierte Investoren verkauft – Idee nach Bad Buchauer Vorbild: Barrierefreie Geschäfte und Wohnungen
KANZACH - Die Gemeinde Kanzach ist einer neuen Dorfmitte mit seniorengerechten Wohnungen und Läden einen Schritt nähergekommen: Das aufgegebene Gasthaus „Krone“neben der Halle am Bahnhof ist vorigen Freitag, notariell beglaubigt, von der Wirtsfamilie an die B+R Immo GmbH aus Aulendorf verkauft worden. Dies teilte Bürgermeister Klaus Schultheiß am Montag den Gemeinderäten mit – und die reagierten angenehm überrascht.
Anstatt der „Krone“soll auf 1200 Quadratmetern ein genossenschaftlich organisiertes Haus mit Läden und barrierefreien Wohnungen entstehen. Vorbild im größeren Maßstab sei das Projekt „Lebenszentrum am Postpark Bad Buchau“, über dessen geänderten Bauantrag der dortige Rat am Dienstag Abend (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) beriet.
„Die Zielrichtung ist ähnlich wie in Bad Buchau“, sagte Schultheiß. Heißt: erschwinglicher Wohnraum für Senioren, um die herum eine Beteiligungs-, Mobilisierungs- und Pflegeinfrastruktur organisiert wird. Auch in der Nachbarstadt ist B+R Immo der Bauträger und Investor, an beiden Orten wären die Architekten dieselben.
Auch der „Sozial- und Belegungsmanager“für die Wohnungen wäre derselbe wie in Bad Buchau: der Verein „Bürger für Bürger Selbsthilfegemeinschaft am Federsee“(BfB) und die Seniorengenossenschaft Riedlingen. Dies bestätigte deren Vorsitzender Michael Wissussek der Schwäbischen Zeitung. Bürgermeister Schultheiß ist bei den BfB sein Vize. Das Buchauer Projekt kennt er nicht zuletzt als dortiger Gemeinderat.
In der Stadt ist Wissussek zufolge das Modell des „Lebenszentrums“seit zwei Jahren zwischen den BfB und B+R Immo festgezurrt, in einem sogenannten Letter of Intent (LOI), auf Deutsch „Absichtserklärung“. Die Aulendorfer seien konzeptorientierte Investoren, keine institutionellen, betonte Wissussek.
Zum Bonsai-„Lebenszentrum“in Kanzach gibt es demgegenüber zunächst „erste Gedankengänge“nach diesem Vorbild, sagte Bürgermeister Schultheiß. Zur Ideenskizze gehören demnach zwölf bis 15 Wohnungen im rückwärtigen Teil, vorne dafür ein Bürgercafé/Bürgertreff, ein Laden und/oder eine Kneipe sowie E-Carsharing (Auto-Teilen) samt Ladesäule. Im August sollen die Unterlagen für den Bauantrag fertig werden. Was „erschwinglicher“Wohnraum in Euro heißt, dazu sei es noch zu früh, sagte wiederum Wissussek. Schultheiß appellierte an die acht Gemeinderäte mit Blick auf rein gewerbliche Seniorenwohnparks: „Wir sollten das anders anpacken, selbst veranstalten, in einer Genossenschaft, in der auch die Gemeinde drin ist.“
Die Altersstruktur solle, so der Rathauschef, „homogen“sein, also mehr oder weniger einheitlich, und „möglichst“sollten „Einheimische“zum Zuge kommen. Weniger also wohlhabende Zweitwohnungskäufer aus den Ballungszentren. Michael Wissussek betonte aber gegenüber der SZ, Familien seien aus dem Projekt „nicht ausgeschlossen“.
Dass im 470-Seelen-Dorf Kanzach und aus der Umgebung ein Markt für ein solches Vorhaben besteht, dafür spricht Wissussek zufolge der Zuspruch von 25 Besuchern bei der InfoVeranstaltung zur niedrigschwelligen Betreuungsgruppe für Bedürftige, Demente und deren Angehörige. Die Gruppe startete wie berichtet im März – und musste sogleich wegen der Corona-Kontaktverbote auf Eis gelegt werden.
Neben der „Krone“war die Disco „Go-In“im Rückgebäude legendär. Während das übliche Gasthof-Publikum vorne zusammenkam, hörte es abends, wie die Bässe der Diskotheken-Anlage wummerten.