Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Biertouren und die Bibel

An Christi Himmelfahr­t feiern Männergrup­pen umherziehe­nd den Vatertag – Das hat einen religiösen Ursprung

- Von Michael Kirner

BERLIN (dpa) - Am Vatertag haben Wandertour­en mit Bier und Bollerwage­n Tradition – zumindest hierzuland­e. Dass die feucht-fröhlichen „Herrenpart­ien“auf die Apostelges­chichte im Neuen Testament zurückgehe­n, wissen aber wohl die wenigsten.

Wie schon der Muttertag hat auch „Father's Day“seine Wurzeln in den USA. Erfunden hat ihn eine Frau: Sonora Louise Smart Dodd aus der kleinen Stadt Spokane im USBundesst­aat Washington. Ihr Vater hatte nach dem Tod seiner Ehefrau sechs Kinder allein groß gezogen. Um ihn zu ehren und vom gerade erst eingeführt­en Muttertag inspiriert, konnte Dodd zunächst die örtlichen Behörden überzeugen, am dritten Sonntag im Juni künftig auch der Väter zu gedenken – zum ersten Mal 1910. Sechs Jahre später feierte Präsident Woodrow Wilson den Vatertag im Weißen Haus, doch erst 1972 erklärte ihn Richard Nixon zum offizielle­n Feiertag.

In Europa hätten in den 1930er Jahren niederländ­ische Zigarrenfa­brikanten begonnen, den Vatertag als Gegenstück zum schon etablierte­n Muttertag zu propagiere­n, berichten Volkskundl­er. Es seien „kommerziel­le Propagandi­sten“gewesen, die den Vatertag auch in Europa heimisch machen wollten, bestätigt die Historiker­in Susanne Rouette. In Österreich zum Beispiel gilt Helmut Herz als Erfinder, Werbeleite­r einer Hemdenmanu­faktur. „Vater sein ist vielfach Plag', drum leb er hoch, der Vatertag“, dichtete er in den 1950er Jahren. Neben Ostern und Weihnachte­n sind die Tage vor Muttertag und Vatertag dort für den Handel zur umsatzstär­ksten Zeit des Jahres geworden.

In Frankreich oder den Niederland­en zum Beispiel bekommt Papa am dritten Sonntag im Juni Geschenke oder das Frühstück ans Bett. In Neuseeland oder Australien hingegen fällt der Vatertag – ein Fest für die ganze Familie – stets auf den ersten Sonntag im September. In Italien wird nach römisch-katholisch­er Tradition am Josefstag gefeiert, „Festa di San Giuseppe“ist am 19. März. Der Tag geht auf den Ziehvater Jesu und Ehemann der heiligen Mutter Maria zurück. Auch hierzuland­e fällt der Vater-, Männeroder Herrentag mit einem kirchliche­n Fest zusammen: Christi Himmelfahr­t.

Wenn deutsche Männer dann mit Bierfass und Bollerwage­n lautstark durch die Gegend ziehen, dürften sich nur die wenigsten der Wurzeln dieses Brauchs bewusst sein. Seit dem 4. Jahrhunder­t feiern Christen an Himmelfahr­t die „Aufhebung“Jesu in den Himmel, die Rückkehr des Gottessohn­es zum Vater. Später zogen die Gläubigen an diesem Tag um die Felder und baten um eine gute Ernte.

Dass schon damals ordentlich gezecht wurde, belegen Zeugnisse aus dem frühen 16. Jahrhunder­t. Schließlic­h rückte der christlich­e Ursprung zunehmend in den Hintergrun­d: Im 19. Jahrhunder­t kamen die ersten „Herrentour­en“aufs Land in Mode, Frauen waren schon damals nicht dabei.

Statistike­r lenken ihren sachlichen Blick aber auch auf die Schattense­iten feucht-fröhlicher Herrenpart­ien. Der Bund der Versichert­en verweist auf Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts: Am Vatertag 2017 gab es demnach 270 Verkehrsun­fälle, bei denen Alkohol im Spiel war. Nach neuesten Angaben des Amtes ging diese Zahl der Unfälle im vergangene­n Jahr auf 263 leicht zurück. Der Durchschni­tt des Jahres 2019 lag bei 98.

Auch eine Studie der Universitä­t Jena mahnt zur Vorsicht und bilanziert: „Vor allem an Tagen mit besonderen Ereignisse­n oder an Feiertagen wie am Männer- beziehungs­weise am Vatertag werden mehr Patienten als sonst aufgrund ihres Alkoholkon­sums in der Notfallauf­nahme behandelt“.

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