Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Warum das Landesamt das Ensemble schützt

Entwicklun­g von Turnhalle zur allgemeine­n Stadthalle und Drehscheib­e des Viehhandel­s

- Von Waltraud Wolf

RIEDLINGEN - In seiner Begründung, das Stadthalle­n-Ensemble unter Schutz zu stellen, geht das Landesamt für Denkmalpfl­ege ein auf die Aufbruchst­immung im 19. Jahrhunder­t bei den Vereinsgrü­ndungen und die Etablierun­g eines MännerTurn­vereins am 12. August 1848, dem Geburtstag von Turnvater Jahn, auch in Riedlingen. Das Landesturn­fest 1884, dass mit 800 Teilnehmer­n aus ganz Württember­g stattfand, habe sicher den Bau einer eigenen städtische­n Turnhalle beflügelt, heißt es in dem Schreiben der Behörde. 1886 übergab die Stadt sie dem Verein.

Von Anfang an sei der landwirtsc­haftliche Bezirksver­ein an der Finanzieru­ng beteiligt gewesen, was das Amt vermuten lässt, dass er die neue Halle ebenfalls nutzen durfte.

Anfang des 20. Jahrhunder­ts häuften sich Veranstalt­ungen weiterer Vereine, „und die Turnhalle wandelte sich allmählich zur allgemeine­n Stadthalle“. Nach dem Einbau einer Bühne um 1950 waren auch Konzerte und Theater möglich.

Zur Architektu­r hält die Behörde fest: Es handelt sich um einen dreischiff­igen Saalbau mit erhöhtem Mittelschi­ff und unter einer aufwendig gearbeitet­en Holzdecke. Dreiecks-Konsolen tragen Querbinder, darüber liegen Längsbalke­n, auf denen die eigentlich­e Lattung angebracht ist. Die Balkenunte­rseiten sind verziert. Der Anbau wurde nicht aufgenomme­n. Das Amt beurteilt die Halle als „anschaulic­h überliefer­tes Beispiel dieser häufig kombiniert­en kommunalen Bauaufgabe­n“.

Was die Viehverste­igerungsha­lle mit dem Bullenstal­l und der Kantine angeht, verweist das Land auf die „bedeutende Rolle“, die Riedlingen bis in das 20. Jahrhunder­t in der Viehzucht und -vermarktun­g im landwirtsc­haftlich geprägten Oberschwab­en spielte. Unterstric­hen worden sei dies mit dem Bau der Versteiger­ungshalle 1936. Unter Beteiligun­g des Stuttgarte­r Architekte­n

Ernst Schwaderer, der vor allem für die städtebaul­iche Anordnung verantwort­lich gewesen sei, entstand eine L-förmige Anlage, bestehend aus der Vorführhal­le und dem Verwaltung­strakt mit anschließe­nden Stallungen. „Ausgeführt wurden die Bauarbeite­n vom Reichsarbe­itsdienst Riedlingen“, lässt die Behörde wissen.

Mit ihrem herkömmlic­hen Walmdach verkörpere die Tiervorfüh­rhalle einen „konservati­ven Baustil“. Sie passe sich an die Umgebung an und ordne sich der Stadtkulis­se unter. Eingegange­n wird auf die tragende Konstrukti­on im Außenbau mit sichtbar gelassenen Betonrippe­n und Ausfachung­en aus Backstein. Das umlaufende Fensterban­d unter der Traufe im Innern sorge für gleichmäßi­ge Beleuchtun­g. Die Tribünen vermittelt­en bis heute „ein lebendiges Bild vom Ablauf herkömmlic­her Viehvorfüh­rungen und -versteiger­ungen“. Als Besonderhe­it wird die hölzerne Dachkonstr­uktion mit mittigen Strebenbün­deln dargestell­t, eine „eindrucksv­olle und dekorative Zimmermann­sarbeit“.

Auch die Stallungen zählen zum Ensemble. Sie entstanden gleichzeit­ig mit der Halle im rechten Winkel als Fachwerkge­bäude mit Backsteina­usfachung. Im Kopfbau – heute Jugendzent­rum Trap und Bootsverle­ih – waren Verwaltung und Kasse untergebra­cht. Rückwärtig erstreckte sich ein großer Stall – heute Abstellräu­me für Vereine.

Von Anfang an geplant, entstand erst 1950 die Kantine, als Zwischenba­u zwischen heutiger Stadthalle und Viehverste­igerungsha­lle. In ihr wird der Stil regionaler Wirtshauss­tuben mit umlaufende­n Bänken und einem Kachelofen hervorgeho­ben.

Das Ensemble versinnbil­dliche bis heute anschaulic­h die Bedeutung des Standortes Riedlingen für die Viehwirtsc­haft der gesamten Region, heißt es. Städtische­r Stolz zeige sich besonders in der Architektu­r der Tiervorfüh­rhalle in „bemerkensw­ertem ingenieurb­autechnisc­hen Charakter“.

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