Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Weiden, wo kein Schlepper hinkommt
Jungrinder halten die Landschaft offen – Was tun, wenn der Wolf käme?
ZWIEFALTEN - Am Samstag war Almauftrieb im Gewann Öschle im Gossenzuger Tal: In einem Gebiet mit besonderen landschaftlichen Reizen, Hanglage, teilweise bestockt mit Apfel- und Zwetschgenbäumen, weidet nun eine Herde mit zwölf Jungrindern bis in den Herbst hinein. Mit Angehörigen der Familie und der Verwandtschaft wurden die Rinder in den nördlichen Bereich der Weideflächen begleitet und zur Eingewöhnung in einen gut abgegrenzten Teil getrieben.
Für die Gossenzuger ist ein Weidebetrieb nichts Neues: Seit 1993 laufen in dem Stadtteil nördlich von Zwiefalten in der Vegetationszeit Tiere auf der Weide; anfangs teilweise über 100 Schafe, später Jungrinder, die für die Bewohner und auch für Spaziergänger und Wanderer einen herrlichen Anlick bieten.
Die Familie Burgmaier aus Baach hält im Stallbetrieb rund 30 Rinder und etwa 130 Bullen. Für die Landschaftspflege in den Gossenzuger Hanglagen werden jährlich etwa zwölf Jungrinder im Alter von sieben bis neun Monaten zugekauft. Es handelt sich dabei um Mastrinder der Sorten Fleckvieh sowie Kreuzungen mit Weiß-blauen Belgiern. Die Jungrinder kommen direkt aus der Stallhaltung auf die Weide. Der Landwirt Ernst Burgmaier und Junglandwirt Daniel Burgmaier legen großen Wert auf eine vorsichtige und umsichtige Eingewöhnung. Der frühere alte Schafstall wurde hierzu als Unterstand mit Vordach umgebaut. Zwei Fässer mit Trinkwasser stehen im Wechsel für die Tiere zur Verfügung.
Gebhard Aierstock, Kreisbauernverband Reutlingen
Täglich sind Kontrollen der Zäune und Abschrankungen erforderlich.
Damit sich die Tiere nach einem eventuellen Ausbruch oder bei Nebellagen leicht finden lassen, tragen zwei Rinder je eine Glocke um den Hals. Lachend erklärt Ernst Burgmaier, dass „eigentlich alle Gossenzuger Einwohner ein Auge auf die Rinder haben“. Sollten einmal einige Tiere ausbrechen, was durch freilaufende Hunde schon einmal passiert, dann kommen sofort entsprechende Anrufe zu Hause an.
Zum jetzigen Zeitpunkt steht das frische Gras auf allen Weideflächen üppig zur Verfügung. Da die Rinder am liebsten immer junges Futter fressen wollen, werden in dieser Anfangszeit Teilflächen als Mähweide bearbeitet. Von den insgesamt rund zwölf Hektar Fläche ist nur etwa die Hälfte mit landwirtschaftlichen Schleppern zu bewirtschaften. Die anderen Teilflächen sind nicht befahrbar und stehen dem Jungvieh als "echte Weide zur Verfügung".
Wenn auch die Weideflächen im Öschle nicht gerade als "saftige Bergwiesen" gelten, sondern eher karge flachgründige Grundstücke sind, bieten sie doch mit ihre hohen Artenvielfalt gutes Futter. Dies bestätigt auch der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Reutlingen, Gebhard Aierstock, und erklärt: „Der Trend in den Viehbetrieben geht in Richtung artgerechte Tierhaltung, und dabei ist die Beweidung eine erfolgreiche
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Möglichkeit auch zur Offenhaltung der Landschaft. Mit der Grünlandbeweidung wird auch die hohe Artenvielfalt erhalten und gefördert.“
Eine Sorge treibt die Bauern mit ihren Weideflächen immer um: die Angst vor dem Wolf. Es gibt kaum eine vertretbare Möglichkeit, die Weidetiere vor angreifenden Wölfen zu schützen. Im Falle von Wolfsrissen werden sofort alle verbleibenden Weidetiere in den Stall gebracht. Dies hat dann zur Folge, dass viele Flächen nicht mehr offen gehalten werden und verbuschen oder zu Wald werden.
Die Beweidung ist ohnehin nicht immer rentabel. Zwar gibt es dafür auch eine Flächenprämie, aber die Gewichtszunahmen sind für Mastvieh (ohne Kraftfutter) oft sehr bescheiden. Ein weiterer Aspekt ist, dass gerade in der Coronazeit die Preise um etwa 150 Euro je Tier gefallen sind und damit keine großen Gewinne zu erwarten sind.
Und so bleibt als Resümee: Die Beweidung ist zwar eine grundsätzlich ökologische Bewirtschaftungsform für die Agrarflächen, sie dienen der Offenhaltung der Landschaft und ermöglichen eine artgerechte Tierhaltung. Aber damit lassen sich keine befriedigenden Preise erzielen.
„Der Trend in den Viehbetrieben geht in Richtung artgerechte Haltung. Mit der Grünlandbeweidung wird auch die Artenvielfalt gefördert.“