Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nudelwasser statt Weihwasser
Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Übertragung starte ich meinen PC, damit rechtzeitig alle Funktionen durchgetestet werden können. Die Vorschau mit dem Bild unserer Kirche erscheint, der Countdown läuft.
Jetzt noch schnell alles erledigen –Telefon und Handy weg legen, das Gesangbuch bereit legen, und ein Tässchen Kaffee nebenher wird der Andacht auch nicht schaden.
Das Fenster wird geöffnet, die Frühlingssonne und das Vogelgezwitscher und dazu das Originalgeläut unserer Kirche gehören zum herrlichen Ambiente an diesem Sonntagmorgen!
Der Gottesdienst beginnt, eine erhebende Stimmung. Welch wunderbarer Service wird uns mit dieser Übertragung geboten. Die Orgel setzt ein, das Chörle stimmt an, die Liednummer wird eingeblendet. Zaghaft singe ich mit, das Fenster wird dabei geschlossen.
Eine Fliege summt mir um die Ohren, ich hole die Fliegenklatsche und just, als ich sie getroffen habe, ist der Bildschirm dunkel. Ich habe in meiner Wucht wohl auch das Kabel getroffen. Also neu starten, die Seite lädt und lädt und lädt. Endlich bin ich wieder online und kann das wunderbare Geigen/ Orgelsolo genießen.
Die Predigt ist lang, der Stuhl ist hart, ich hole ein Kissen. Meine Augen wandern über die Tastatur. Oh je, da hat sich Blütenstaub abgesetzt. Es wird doch der geistigen Erbauung nicht schaden, wenn ich nebenher etwas abstaube?
Bei der Gabenbereitung läutet das Telefon – ein SOS-Anruf von meiner Freundin: Hilfe, auf meinem Bildschirm bewegt sich der Pfarrer nicht mehr. Ein Tipp, und sie kann der Übertragung wieder folgen.
Inzwischen wird bereits die Kommunion ausgeteilt. Wie viele Kirchgänger sich wohl im Kirchenschiff verteilt haben? Aus Datenschutzgründen verweilt die Kamera an einer Heiligenfigur. Eigentlich könnte ich in dieser Pause schon mal die Nudeln abkochen, ich bin auch leise!
Zurück auf meinem Platz lasse ich mich wieder andächtig in den Ablauf der Messfeier fallen und erkenne immer wieder, wie stark ich doch mit unserer Heimatkirche verbunden bin und wie mir dieser Teil meines Lebens fehlt. So eine Übertragung ist nicht vergleichbar mit einem Live-Gottesdienst, aber in dieser Zeit der strengen Auflagen ein wunderbarer Service, der dankbar angenommen wird.
Wie sehr freue ich mich auf den nächsten Festgottesdienst, auf die feierliche Atmosphäre, auf das gemeinsame Beten und Singen, auf den Chor, die Orgelmusik, auch auf Weihrauch, auf Ministranten, sogar auf einen satten Strahl Weihwasser von Pfarrer Francis.
Inzwischen wird das Schlusslied angestimmt. Ich singe aus voller Brust mit, bis es aus der Küche zischt – das Nudelwasser ist übergelaufen.
Mea culpa! Amen.