Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Wert der Gastlichkeit und Wirte in der Katastrophe
Das Wort „Katastrophe“ist ein bedrohlicher Begriff, mit dem gerne übertrieben wird. In Anbetracht einer Pandemie, die mit scharfer Sense tiefe Wunden in die Kultur unserer Gastronomie schlägt – solche, die vielfach nicht mehr heilen werden – ist Katastrophe aber leider genau das passende Wort. Dazu kommt noch: Schon ohne Seuche hat das Wirtshaussterben über Jahrzehnte hinweg das Gastgewerbe gerade auf dem Land vielerorts veröden lassen. Weil der Stammtisch sich digitalisiert hat und heute oft virtuell irgendwo zwischen Facebook und Twitter steht. Wo die Leute zwar immer hitziger diskutieren, dabei aber keinem Wirt mehr zur Existenzsicherung verhelfen. Und es fehlt auch das Regulativ eines echten Stammtischs, an dem die Stimme der Vernunft verirrte Thesen noch in rustikalem Ton einfangen konnte.
Und sich der Unsinn von Querköpfen gegen die Argumente echter Menschen aus Fleisch und Blut behaupten musste. An wirklichen Stammtischen gibt es nämlich keine Filterblase, in der man sich unwidersprochen in seiner Absurdität sonnen könnte.
Wie schlimm es kommen wird mit der Flurbereinigung durch Corona in der Gastronomie, wird sich wahrscheinlich erst in vielen Monaten zeigen. Und wie in anderen Branchen auch, werden staatliche Hilfen nicht wenige Betriebe für ein paar Wochen am Leben erhalten, obwohl ihr wirtschaftliche Basis schon vor der Krise eigentlich kaum überlebensfähig war. Aber wer soll entscheiden, wem Hilfen eine langfristige Zukunft sichern und für wen sie nur die Verlängerung des unternehmerischen Sterbens bedeuten? Man kann es tragisch finden oder auch folgerichtig, wenn sich unter
Von Erich Nyffenegger den Bedingungen der Pandemie zeigt: Covid-19 beschleunigt gerade bei einigen schwarzen Schafen der Zunft den Niedergang. Zu denen gehören Wirtschaften, die über Jahre eine desaströse Buchführung pflegen und selber gar nicht so genau wissen, wie es um sie bestellt ist. Und sich wundern, wenn Banken oder auch staatliche Stellen Kredite und Soforthilfen verweigern, weil es gar keine verlässlichen Zahlen gibt, auf deren Grundlage entschieden werden könnte. Davon abgesehen kann nur der Kurzarbeitergeld für sein Personal beantragen, der Mitarbeiter regulär beschäftigt und nicht offiziell als 450-Euro-Kräfte führt und den Rest dann schwarz bezahlt. Um es deutlich zu sagen: Das sind Ausnahmen und nicht die Regel.
Richtig bitter ist es für Gastronomen, die korrekte Bücher führen, den Mut zu Investitionen hatten – und auf der Grundlage realistischer Umsätze der Vorjahre eigentlich gesund finanziert sind. Und denen jetzt, wo die Erträge um teilweise mehr als die Hälfte wegfallen, rasch die Luft ausgeht. Auch von dieser seriösen Sorte, um die es richtig schade ist, wird es am Ende des ganzen Schlamassels weniger geben.
Optimisten glauben, jene Gastronomen, die sich in der Krise behaupten, werden schließlich gestärkt daraus hervorgehen – auch weil danach weniger Konkurrenz auf dem Markt sein werde. Pessimisten fürchten, dass ein geschrumpftes gastronomisches Angebot den Wirtschaftsfaktor Tourismus so schwächen könnte, dass dann auch die eigentlich Robusten ein Problem bekommen.
Natürlich könnte alles aber auch ganz anders kommen: Wenn wir uns den Wert der Gastlichkeit wieder deutlicher vor Augen führen. Und uns zu unserem eigenen Wohl wieder mehr in Kneipen und Restaurants tummeln. Öfter als noch vor der Krise. Unrealistisch? Vielleicht. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.
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