Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In diesem Kino laufen nur Klassiker und Kultfilme
Das Tonfilm-Theater am Alten Lager in Münsingen kämpft sich aus der Coronapause zurück
MÜNSINGEN - Das Tonfilm-Theater vor dem Osttor des Alten Lagers, jetzt Albgut, in Münsingen ist ein ganz besonderes Kino. Denn hier laufen keine aktuellen Blockbuster, sondern ausschließlich Klassiker. Der Filmfan Hans-Jochen Kraft unterstützt seine Frau Sandra, der das Kino gehört, beim Betrieb.
Hans-Jochen Kraft hat die Treppe zur Empore erklommen – ein Kraftakt für den 50-Jährigen, der sich auf einen der originalen Kinositze sinken lässt. Nach so einem Aufstieg fehlt die Luft. Aus gesundheitlichen Gründen ist der Polizeibeamte Frühpensionär. Aber nur zu Hause sitzen, das könne er auch nicht, sagt er. Deswegen hilft der Filmfan beim Kinoprojekt. So kümmert sich der ehemalige Polizist um die Filmauswahl und sitzt gelegentlich an der Kasse. Das ist nicht weiter anstrengend und macht ihm obendrein noch viel Spaß.
Seine Liebe zum Film habe schon früh begonnen, sagt er. „In den Achtzigern, als es in Deutschland nur drei Programme gab, wohnten wir günstig. Wir konnten über die Antenne auch Fernsehsender aus Österreich und der Schweiz empfangen. Und da liefen vormittags die Filme, die am Abend davor zu später Stunde gelaufen sind, und die wir nie sehen durften weil wir noch zu jung waren. Also haben wir uns in der Mittagspause oder bei einer Freistunde schnell nach Hause gestohlen und vor den Fernseher gesetzt. Daher stammt vermutlich meine Leidenschaft für ältere Filme“, sagt Kraft.
Das Truppen-Tonfilm-Theater war, anders als der Name vermuten lässt, kein reines Soldatenkino. Kraft erzählt zur Geschichte: „Das TTT, wie das Tonfilm-Theater abgekürzt wurde, baute im Jahr 1936 eine Familie Schwarz aus Ludwigsburg. Sie wählten den Standort direkt vor dem Osttor des Alten Lagers, wohl in der Annahme, dass Soldaten Zerstreuung suchen und gerne ins Kino gehen.“So gab es damals in Münsingen insgesamt drei Kinos. „Aber das hier, das war das absolute Kulturzentrum“, sagt Kraft.
Die Familie Schwarz betrieb das Kino bis 1966. Danach wurde es zunächst von der französischen Armee genutzt, später auch von der Bundeswehr. Es habe aber durchaus auch Kinovorstellungen, Tanzveranstaltungen und Gottesdienste gegeben, sagt Kraft. Immerhin bot der Saal ursprünglich 600 Sitzplätze. 2016 kaufte Sandra Kraft das TTT. Ursprünglich habe man vorgehabt, dort einen Verkaufsraum und eine Werkstatt für speziell angefertigte Motorräder zu betreiben.
Nach sehr erfolgreichen Kulturtagen 2016 und Krafts gesundheitsbedingtem Ausscheiden aus dem aktiven Polizeidienst beschloss man, dass das TTT auch künftig ein Kino sein sollte.
Dazu war vieles ja noch vorhanden, manches wurde eben gebraucht angeschafft. Wie zum Beispiel die alten Anzeigetafeln die an der Front des Steingebäudes hängen, sie stammen vom Kino in Biberach an der Riss, das heute Traumpalast heißt. Den Eingangsbereich ziert noch immer der originale Böttinger Marmor.
Und auch drinnen wirkt vieles ein bisschen wie aus der Zeit gefallen: dunkle Holzmöbel, teils rote Wände,
ANZEIGEN teils blaue Vorhänge vor den Wänden. Kraft deutet auf einige rundliche dunkle Stellen auf den Vorhängen hinter der letzten Sitzreihe auf der Empore. Er erklärt: „Da sieht man, wo die Soldaten ihre Köpfe angelehnt haben. Man hatte damals ja ziemlich viel Pomade in den Haaren.“Das TTT hatte seine Hochzeit in den Zeiten der Pomade: zunächst kamen die Soldaten der Wehrmacht, nach dem Krieg die Franzosen, später auch die Bundeswehr.
Heute sind die Soldaten aus Münsingen abgezogen und auch das „Truppen“vor dem Tonfilm-Theater am Alten Lager ist weggefallen. Heute herrscht im Kino keine Uniform-, sondern eine Maskenpflicht – wegen Corona.
Und wegen der Pandemie mussten die Krafts ihren Kinobetrieb wochenlang aussetzen. Doch inzwischen ist das Programm wieder angelaufen. Seither heißt es wieder „Montag ist Kinotag“. Hans-Jochen Kraft erklärt: „Wir zeigen montags und einmal pro Monat am Wochenende einen Klassiker oder einen Kultfilm.“Weitere Events runden das Kulturprogramm ab. So gibt es oder wird es bald wieder geben: Comedy,
Konzerte und Vorträge.
Etwas Besonderes im TonfilmTheater sind die Stummfilmabende mit Live-Musikbegleitung. Das Konzept ist simpel: Einer von drei Pianisten begleitet einen Stummfilmklassiker am Klavier. Am Montag. 13. Juli, wird beispielsweise der 80-jährige
Hans-Jörg Lund aus Münsingen die Buster-Keaton-Komödie „Der General“live vertonen. Die anderen beiden Pianisten sind Manfred Aeugle (70) aus Gundelfingen und Frieder Gundert (60) aus Mehrstetten.
Das Klavier, auf dem die Herren spielen, hat das Tonfilm-TheaterTeam erst vor wenigen Tagen aus Machtolsheim geholt. Und wenn das irgendeine Störung entwickeln sollte, steht auch noch das dunkle, 120 Jahre alte Original-Piano aus dem Reutlinger Kino Kali auf der Bühne bereit.
Derweil planen die Krafts schon Veranstaltungen für den Herbst, in der Hoffnung, dass die Coronapandemie nicht mehr so hart zuschlägt wie im Frühjahr. Auf dem Programm steht beispielsweise ein griechischer Abend, bei dem es nicht nur griechisches Essen gibt, sondern auch der Film „Alexis Sorbas“gezeigt wird.
Die nächste Vorstellung im Tonfilm-Theater ist am Montag, 6. Juli, 19 Uhr. Der Film heißt „Frühstück bei Tiffany“mit Audrey Hepburn.