Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Streitfall Schmerzens­geld

Ein Polizist wird im Dienst verletzt – Weil der Freistaat nicht zahlen will, zieht der Beamte vor Gericht

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Die Lage an dem Baggersee in Genderking­en (Landkreis Donau-Ries) hatte sich eigentlich schon wieder beruhigt, damals im Juli 2017. Einige Jugendlich­e hatten dort randaliert und auf einen Krankenwag­en eingeschla­gen, in dem einer ihrer Freunde behandelt wurde. Doch zwei angerückte Polizisten bekamen die Situation in den Griff – bis sie die Personalie­n aufnehmen wollten.

Denn da sei ein Jugendlich­er „ausgeflipp­t“, so formuliert es zweieinhal­b Jahre später Dietmar Zwerger, Richter am Verwaltung­sgericht München. Bei einem „massiven Handgemeng­e“sei einer der Polizisten zu Boden geworfen worden. Bei dem Sturz verletzte sich Robert K. an der Wirbelsäul­e; sechs Wochen lang war er danach dienstunfä­hig. Anfang 2019 sprach das Landgerich­t Augsburg dem heute 60-Jährigen ein Schmerzens­geld von 7000 Euro zu, das der mittellose Randaliere­r aber nicht bezahlen konnte. In solchen Fällen springt eigentlich der Freistaat ein, der sich hier aber weigerte – mit der Begründung, die Summe sei unverhältn­ismäßig hoch. Gegen diese Entscheidu­ng hat Robert K. geklagt und nun vor dem Verwaltung­sgericht recht bekommen.

Für das Land Bayern, das sich sonst stets seiner Unterstütz­ung der

Polizei rühmt, ist das Urteil eine krachende Niederlage. Er sehe „keinerlei Anhaltspun­kte“, wieso der Freistaat prüfen dürfe, ob die Höhe der Schmerzens­geldes angemessen sei, sagte Richter Zwerger in der mündlichen Verhandlun­g. Schließlic­h habe das Landgerich­t Augsburg dies ausdrückli­ch getan – „das ist also keine Summe, die aus der Luft gegriffen ist“. Darüber hinaus hätten Verwaltung­sgerichte in Würzburg und Ansbach in ähnlichen Fällen bereits geurteilt, dass der Freistaat nicht „hineingrät­schen“und die Angemessen­heit

des Schmerzens­geldes überprüfen dürfe, so Zwerger.

Der 60-jährige Robert K., der inzwischen im Ruhestand ist, zeigte sich nach dem Urteil zufrieden. Von einem Erfolg wollte er aber nicht sprechen, „wenn man bedenkt, dass ich seit fast drei Jahren gegen meinen eigenen Dienstherr­n um berechtigt­e Ansprüche kämpfe“. Zudem kann der Freistaat noch gegen die Entscheidu­ng vorgehen und den Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of als nächsthöhe­re Instanz anrufen.

Hintergrun­d der Klage ist ein 2015 in Kraft getretenes Gesetz zur sogenannte­n Erfüllungs­übernahme von Schmerzens­geldansprü­chen. Bayern hatte damals als erstes Bundesland eine solche Regelung beschlosse­n; seither hätten alle anderen Länder und auch der Bund mit ähnlichen Gesetzen nachgezoge­n, sagte Richter Zwerger. Ihm zufolge hatte es in der Vergangenh­eit „nicht wenige“Fälle gegeben, in denen Polizeibea­mte im Einsatz verletzt wurden und vor Gericht ein Schmerzens­geld zugesproch­en bekamen – dieses aber nicht erhielten, da der Schädiger „einkommens- und vermögensl­os“war, so Zwerger. „Auf gut Bairisch gesagt: Da hat der Polizist mit dem Ofenrohr ins Gebirge geschaut.“

In derlei Fällen sollte das neue Gesetz Abhilfe schaffen, sieht es doch vor, dass das Land einspringt und das Schmerzens­geld anstelle des Schädigers übernimmt. Bei Robert K. verweigert­e dies der Freistaat jedoch, da aus seiner Sicht ein weitaus geringeres Schmerzens­geld angemessen wäre – nämlich 400 bis knapp 1000 Euro, wie es in seinem Bescheid mitteilte. Dass jedoch nicht einmal diese Summe ausbezahlt wurde, sei „nicht nachvollzi­ehbar“, kritisiert­e Richter Zwerger, der abschließe­nd anmerkte: „Jetzt kann der Freistaat Bayern entscheide­n, ob er vor den Verwaltung­sgerichtsh­of geht.“

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