Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Russland auf der Anklageban­k

Vor einem Jahr wurde in Berlin ein Georgier erschossen – Der Täter soll im Auftrag des Kremls gehandelt haben

- Von Maria Neuendorff

BERLIN - Dass dieser Prozess einem Spionageth­riller gleichkomm­t, merkt man schon daran, dass der Richter den Mann hinter Panzerglas mit „Herr Angeklagte­r“anspricht. Denn der mutmaßlich­e Auftragski­ller, der vor einem Jahr einen russischen Staatsfein­d am helllichte­n Tag in einer Berliner Parkanlage mit einer Schalldämp­fer-Pistole hingericht­et haben soll, besitzt zwei Identitäte­n. Die Bundesstaa­tsanwaltsc­haft hat ihn unter dem Namen Vadim K. angeklagt. „Ich heiße Vadim S., bin nicht verheirate­t, von Beruf Bauingenie­ur. Mehr möchte ich über meine Person nicht sagen“, lässt der Angeklagte am Mittwoch dagegen von einem seiner drei Verteidige­r verlesen.

Das Urteil könnte politische Dimensione­n haben. Denn auf der Anklageban­k sitzt nicht nur ein untersetzt­er Mann in weißem Hemd und hellblauer Einwegmask­e, sondern imaginär auch der russische Staat. Deutschlan­ds Chefankläg­er sind sich sicher, dass der 55-Jährige seinen Alias-Namen vom russischen Geheimdien­st bekam, um den Georgier und ehemaligen Tschetsche­nienKriege­r Tornike K., im Auftrag des Kremls zu ermorden. „Zu einem unbekannte­n Zeitpunkt vor dem 18. Juli erteilten staatliche Stellen der russischen Föderation dem Angeklagte­n den Auftrag, Tornike K., der seit Ende 2016 als Asylbewerb­er in Deutschlan­d lebte, zu liquidiere­n“, heißt es in der Anklagesch­rift.

Bundesanwa­lt Ronald Georg schildert darin noch einmal den vermuteten Ablauf der Tat: Es ist ein Freitag im August, als sich der mutmaßlich­e Auftragski­ller in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten seinem Opfer auf einem Fahrrad von hinten nähert. Unvermitte­lt feuert er mit einer Schalldämp­fer-Pistole des Typs Glock 26 seitlich auf den Oberköper von Tornike K. Sein argloses Opfer stürzt zu Boden. Auch der Täter fällt mitsamt Fahrrad hin, rappelt sich auf und schießt zweimal in den Kopf des Opfers. Während der Rumpfdurch­schuss noch nicht zum Tode führt, verstirbt Tornike K. noch vor dem Eintreffen des Notarztes an den Folgen der Kopfschüss­e.

Während der Angeklagte die Ausführung reglos verfolgt, bricht eine Schwester des Opfers in heftiges Schluchzen aus. Insgesamt acht Verwandte des Opfers sind Nebenkläge­r in dem schwer bewachten Mammutproz­ess, für den alleine fünf Richter der Staatsschu­tzkammer berufen wurden. Zwei Dolmetsche­r übersetzen.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA

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