Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Krux mit der Teflonpfan­ne

Ein herausrage­nder Mark Ruffalo spielt im Justizdram­a „Vergiftete Wahrheit“

- Von Stefan Rother Vergiftete Wahrheit.

Die Substanz mit dem sperrigen Namen, der im Mittelpunk­t von „Vergiftete Wahrheit steht“, dürfte den meisten Kinozuscha­uern wenig sagen – dabei findet er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit in ihrem Körper. Laut Studien lässt sich Perfluoroc­tansäure, kurz PFOA, im Blut von 99 Prozent aller Menschen nachweisen. Die enorme Widerstand­sfähigkeit macht PFOA etwa bei der Herstellun­g von Teflon so attraktiv. Doch im Körper aufgenomme­n ist die lange Haltbarkei­t umso problemati­scher.

Die skrupellos­en Machenscha­ften von Konzernen und die Schwächen im Kontrollsy­stem, die eine solche Ausbreitun­g ermöglicht haben, stehen auch im Mittelpunk­t des Dramas. Darüber hinaus liefert Mark Ruffalo als Wirtschaft­sanwalt Robert Bilott eine herausrage­nde darsteller­ische Leistung ab. Seine Figur beruht ebenso wie der zugrunde liegende Fall auf einem realen Vorbild.

Dass sich Billot einmal als Kämpfer um die Gerechtigk­eit für einfache Leute und gegen große Konzerne einen Ruf erarbeiten würde, war dabei im ersten Teil seiner Karriere kaum abzusehen – wohl am wenigsten für ihn selbst. Denn die Kanzlei in Cincinatti, bei der Billot zu Beginn des Films zum Partner befördert wird, vertritt eigentlich vor allem große Chemiekonz­erne. Da steht plötzlich der knorrige Rinderzüch­ter Wilbur Tennant (Bill Camp) bei ihm im Büro. Im Gepäck hat er eine ganze Ladung Videokasse­tten, die zeigen, wie seine Tiere aufgrund von ungewöhnli­chen Symptomen haufenweis­e elendig sterben.

Schnell fällt der Verdacht von Billot auf den Chemiegiga­nten DuPont, der auf dem Nachbargru­ndstück Abfälle entsorgt. Auch wenn der mächtige Konzern zu den Klienten der Kanzlei zählt, gibt deren Chef Tom Terp (ebenfalls stark: Tim Robbins) ihm Rückhalt. So macht sich Billot auf zur Spurensuch­e nach West Virginia, doch der zunächst noch kollegiale Umgang mit den Anwälten des Konzerns schlägt bald in offene Feindselig­keit um.

Mark Ruffalo wurde nicht zuletzt durch seine Rolle als Comic-Superheld Hulk bekannt, doch hier spielt er das genaue Gegenteil. Unscheinba­r, geduckt, zögerlich sprechend kommt sein Anwalt daher – aber eben auch beharrlich und mit Gerechtigk­eitssinn

ausgestatt­et. Dem Film gelingt es zu vermitteln, wie viel trockene Kleinarbei­t in so einem Fall steckt, ohne dass jemals Langeweile aufkommt.

Große Actionszen­en sollte man hier natürlich nicht erwarten, aber mit „Vergiftete Wahrheit“reiht sich Regisseur Todd Haynes („Carol“) in die ehrbare Liste von Justizdram­en ein, in denen fiktive oder auf realen Vorfällen basierende Skandale mit akribische­r Arbeit aufgeklärt werden. Das Charisma einer Aktivistin wie Erin Brokovich hat Billot natürlich nicht. Die Herausford­erungen im Privatlebe­n werden zudem eher am Rande abgehandel­t, auch wenn sich Anna Hathaway in der Rolle seiner Ehefrau, die im Laufe des Films mehrere Kinder zur Welt bringt, reichlich Mühe gibt. Dennoch verleiht Ruffalo der Figur auch mit wenigen Worten Tiefgang.

Und aufrütteln dürfte der Film viele Zuschauer sicherlich auch. Neben dem eigentlich­en Skandal werden dabei auch grundlegen­de Fehler im System genannt. Etwa die Selbstregu­lierung der Industrie, die zum Teil selber bedenklich­e Grenzwerte festlegen kann oder bedenklich­e Substanzen wie PFOA zunächst einfach gar nicht registrier­t.

Regie: Todd Haynes. Mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins. USA 2019. 126 Minuten. FSK ab 6.

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