Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Suche nach dem ewigen Moment
„Milla meets Moses“: Berührendes Drama um ein krebskrankes Mädchen
In diesem mehrfach ausgezeichneten Drama, das schon beim Filmfestival in Venedig 2019 lief, geht es nicht nur um das Erwachsenwerden. Es geht auch um eine Krankheit: Krebs. Milla (Eliza Scanlen), die in diesem Film mal mit bunten Haaren, mal ohne, mal auch mit einer blonden Perücke zu sehen ist, hat nicht mehr lange zu leben. Die Begegnung aber mit einem jungen Mann ermöglicht es ihr, trotz Chemotherapie doch noch ein paar wirklich besondere Momente zu erleben.
„Milla meets Moses“, der im englischen Original den Titel „Babyteeth“trägt, berichtet zunächst von einem mehr ruppigen denn romantischen Zusammentreffen: Mitten auf einem Bahnsteig, ein Zug rast gerade heran, rempelt Moses (Toby Wallace) Milla an.
Schnell spürt die 16-Jährige, dass sie irgendetwas mit dem 23-jährigen wohnungslosen Herumtreiber und Drogendealer verbindet.
Bald sitzen die beiden denn auch bei Milla zu Hause, und das, obwohl der Vater (Ben Mendelsohn), der als Psychiater tätig ist, und Millas Mutter (Essie Davis, bekannt aus „Mrs. Fishers
mysteriöse Mordfälle“), eine derangierte vormalige Konzertpianistin, zunächst alles andere als angetan sind von dem unsteten Kerl. Schließlich aber gestatten sie es dem jungen Mann sogar, bei ihnen einzuziehen.
Das Spielfilmdebüt von Shannon Murphy, die ein Theaterstück adaptiert, unterteilt den Film in eine Reihe von scheinbar wahllos gestalteten Kapiteln. Die Krankheit ist hier kein Gesprächsthema, sondern eine Lebensaufgabe. Dazu gesellen sich die klassischen Konflikte beim Erwachsenwerden und mit Moses ein Mann, der so sehr eine Stütze ist, wie er gestützt werden muss.
Der Film zeigt das Familienleben bald zunehmend aus der Perspektive der Eltern. Der Vater wird zum emotionalen Mittelpunkt. Sein Griff zur Kamera, das endlose Fummeln an Blende und Fokus, wird zu einem Moment, der die ganze Trauer und
Verzweiflung der Familie ausdrückt. Sein Foto soll das Unmögliche leisten, soll zur perfekten, lebensnahen Erinnerung werden, die Tochter auf ewig in einem glücklichen Moment festhalten, sie dort fesseln und nie wieder loslassen.
Dass dieses Foto nicht gelingen kann, weiß auch Milla, die ihrem Vater in der schönsten Szene des Films die Kamera aus der Hand nimmt, ihn aus seiner Rolle befreit und zum Porträtierten macht. Für kurze Zeit bestimmt nicht die Krankheit, sondern allein Milla über ihr Leben. Auf dem Foto umarmen sich die Eltern. Lächelnd und in Tränen. (dpa/KNA)
Regie: Shannon Murphy. Mit Eliza Scanlen, Toby Wallace, Ben Mendelsohn, Essie Davis. Australien 2019. 120 Minuten. FSK ab 12.