Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Gitarrenzauberer
Eddie Van Halen, der flinke Erbe von Jimi Hendrix, ist nur 65 Jahre alt geworden
Im Kultfilm „Zurück in die Zukunft“von 1985 gibt es viele denkwürdige Szenen – eine sticht aber besonders heraus: Hauptfigur Marty McFly reist in das Jahr 1955 zurück und muss dort seine noch jugendlichen Eltern verkuppeln. Um seinen Vater zum Mitmachen zu bewegen, verkleidet sich Marty in einem Raumanzug, setzt dem schlafenden Vater einen Walkman auf – und legt eine Kassette mit der Aufschrift „Edward Van Halen“ein. Als dessen infernalisches Gitarrensolo ertönt, ist für den 50er-JahreTeenager klar: Solche Musik kann nur aus der Zukunft kommen.
Tatsächlich spielte Eddie Van Halen, wie er allgemein genannt wurde, Gitarre wie kaum ein anderer zuvor. „Eddie hat die elektrische Gitarre neu erfunden“pries ihn etwa Joe Elliot, Frontmann der britischen Hardrockband Def Leppard; er habe das Gitarrenspiel auf eine neue Ebene gebracht, ähnlich wie Jimi Hendrix in den späten 1960er-Jahren. Der Vergleich mit dem jung verstorbenen Gitarren-Genie liegt nahe, entlockten doch beide ihrem Instrument bislang ungehörte Töne. Prägender waren für Eddie Van Halen aber Eric Clapton und vor allem Jimmy Page, Gitarrist von Led Zeppelin. Von ihm ließ er sich zu einer als „Tapping“bekannt gewordenen Methode inspirieren, mit der sich die elektrische Gitarre in einer zuvor nicht für möglich gehaltenen Geschwindigkeit spielen ließ.
Da ist es auch nur passend, dass bei einer Liste der 100 besten Gitarrensolos Van Halen hinter Led Zeppelins „Stairway to Heaven“auf Platz zwei landete. Das knapp zweiminütige Stück „Eruption“ist allerdings kein klassischer Song, sondern im Kern ein einziges großes Solo. Dass es auf dem schlicht „Van Halen“betitelten Debütalbum aus dem Jahre 1978 gleich an zweiter Stelle losknallte, zeugte von Selbstbewusstsein und der Bereitschaft, eigene Wege einzuschlagen.
Dass er einmal Berufsmusiker werden würde, stand für den am 16. Januar 1955 in Amsterdam geborenen Edward Lodewijk Van Halen schon früh fest. Sein Vater spielte mehrere Instrumente, nachdem die Familie nach Südkalifornien ausgewandert war, lernte der bald Eddie genannte Junge zunächst Klavier und spielte mit seinem Bruder Alex in mehreren Formationen. 1974 gründeten die Brüder schließlich Van Halen als Band mit Alex am Schlagzeug und Eddie an der Gitarre. Schnell erreichte man Bekanntheit unter Fans wie Musikerkollegen gleichermaßen – Gene Simmons von Kiss förderte sie, Todd Rundgren, der sich damals für den größten Gitarrenzauberer hielt, war neidisch auf Eddie.
Schon mit dem Debütalbum stellte sich auch ein breiter Erfolg ein, und mit ausgiebigem Touren erspielten sich Van Halen einen Ruf als eine der besten – und profitabelsten Livebands. Dazu trug auch bei, dass für Eddie das imposante Gitarrenspiel nie ein reiner Selbstzweck war. Zwar begründete er einen Stil, der mit der Zeit als Gegniedel oder Gitarrenschreddern bezeichnet wurde – was nicht immer nur positiv gemeint war. Doch im Gegensatz etwa zu einem zweifellos virtuosen Joe Satriani wusste Van Halen auch, wie man eingängige und präzise Songs für ein breites Publikum schreibt.
Zum Erfolg der Band trug aber sicher bei, dass man mit David Lee Roth einen extrovertierten Frontmann hatte. Eddie Van Halen schien es gar nicht unrecht zu sein, das Rampenlicht dem Paradiesvogel zu überlassen; selber gab er eher selten Interviews. Doch am Zenit des Erfolges in den 1980er-Jahren begann es in der Band zu brodeln. Hier entstanden die wohl zwei bekanntesten Songs, zu denen Van Halen beigetragen hat. Dem Umstand wohnt eine gewisse Ironie inne. Denn der 1984 erschienene Superhit „Jump“bleibt nicht etwa durch seine herausragende Gitarrenarbeit im Ohr hängen, sondern aufgrund eines von Eddie gespielten eingängigen KeyboardRiffs.
Und sein bekanntestes Solo spielte Van Halen nicht für die nach ihm benannte Band ein – sondern für Michael Jackson. Dessen 1982 aufgenommenes „Beat It“wurde erst durch das Gastspiel Eddies, der auch am Aufbau des Songs herumschraubte, zur perfekten Kombination aus Pop- und Rockmusik. Gage gab es für den Gitarristen übrigens keine – was Van Halen aber nicht groß zu stören schien. Umso mehr Spannungen herrschten zwischen ihm und dem eitlen David, sodass dieser schließlich eine Solokarriere startete und von dem bodenständigen Sammy Hagar ersetzt wurde. Der sorgte ebenfalls für Hits wie „Why Can’t This Be Love“.
Ab den 1990er-Jahren ließen die Plattenverkäufe nach, und am Mikrofon wechselten sich meist Hagar und Roth ab, bis es wieder mit einem von ihnen krachte. Zugleich kämpfte Eddie Van Halen mit Alkohol- und Drogensucht und ernsten gesundheitlichen Problemen. Wenn er mit seiner Band, in der seit 2006 auch Sohn Wolfgang am Bass spielte, aber wieder auf Tour ging, klingelten auch ohne neue Radiohits die Kassen. Trotz der schweren Zeiten in den letzten beiden Jahrzehnten – eine erste Zungenkrebsdiagnose gab es schon 2000 – sah sich der Musiker als glücklicher Mensch, dessen Familie mit 50 Dollar und einem Klavier eingewandert sei. Dass er es dennoch zum Weltstar geschafft habe – „das ist doch der amerikanische Traum“.