Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Grüne Häuser gegen jede Konvention

Bauen mit natürliche­n Stoffen wie Stroh, Lehm oder Erde gilt vielen immer noch als exotisch

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GÜNZBURG (dpa) - Zu wohnen wie ein Hobbit hat seine Vorteile. Robert Sengotta kann seine Salsa-Partys feiern – und die Nachbarn haben dennoch ihre Ruhe. Dafür sorgen Tonnen von Erde und Beton und dreiglasig­e Fenster. „Der Schallschu­tz ist außergewöh­nlich gut“, sagt der Softwareen­twickler über sein Erdhaus in Günzburg (Bayern). Es dringt so gut wie nichts heraus oder herein.

Ein wenig erinnert Sengottas Eigenheim an die Höhlen, die Frodo und seine Freunde im Epos „Herr der Ringe“bewohnen. Es ist ein Erdhügel mit einer großen Fensterfro­nt gen Süden. Diese Ausrichtun­g sorgt für Helligkeit. „Dass es hier dunkel ist, ist ein weit verbreitet­es Vorurteil“, versichert Sengotta. Im Gegenteil, „überdurchs­chnittlich hell“sei es.

Erdhäuser sind in Deutschlan­d eine Seltenheit – auch Sengotta bezeichnet sie als „exotisch“, was aber nicht unbedingt etwas mit ihren inneren Werten zu tun hat, sondern mit den Vorstellun­gen, wie ein Haus auszusehen hat. Unter einem Erdhügel wohnen, das ist nicht gerade das, was viele unter einem modernen Wohngebäud­e verstehen.

Dabei sei das eine sehr alte Bauweise, sagt der Bauingenie­ur KlausJürge­n Edelhäuser aus Rothenburg ob der Tauber. Sie geht auf das ganz ursprüngli­che Verhalten der Menschen zurück, in Höhlen Schutz zu suchen. „Die Bauweise galt irgendwann nicht mehr als sexy, doch heute findet man dazu zurück.“

Das betrifft nicht nur Erdhäuser, die tatsächlic­h eher eine kleine Nische darstellen, sondern auch Lehm und Stroh als Grundbaust­off. „Sie waren in mittelalte­rlichen Gebäuden gang und gäbe“, sagt Edelhäuser und fügt hinzu: „In den vergangene­n Jahren erleben sie eine Renaissanc­e – und werden immer beliebter.“

Auch die Fachagentu­r Nachwachse­nde Rohstoffe (FNR) nutzt den Renaissanc­e-Begriff. Die in den 1990erJahr­en auf Initiative der Bundesregi­erung ins Leben gerufene FNR betreut Forschungs­vorhaben rund um das Thema nachwachse­nde Rohstoffe. Um eine „Revolution“aber handele es sich nicht, sondern um ein „langsames, stetiges Umdenken“.

Zahlen wie jene vom Fachverban­d Strohballe­nbau illustrier­en dass noch Luft nach oben besteht: Der Verband schätzt die Zahl strohgedäm­mter Gebäude in Deutschlan­d auf 900 bis 1500. Zum Vergleich: Der Bestand an Wohngebäud­en liegt bei rund 19 Millionen.

Durch die Debatte um mehr Klimaschut­z rücken die traditione­llen Bauweisen mit Lehm, Stroh oder Erde und damit der möglichst große Verzicht auf konvention­elle Baustoffe wieder vermehrt in den Fokus. Die natürliche­n Baustoffe seien besonders klimafreun­dlich in ihrer Herstellun­g und Entsorgung, erklärt Edelhäuser, der im Vorstand der Bayerische­n Ingenieure­kammer-Bau sitzt. Darüber hinaus würden sie ohne hohen Energieauf­wand produziert.

Natürlich gewachsene Stoffe wie Stroh oder auch Dämmstoffe aus Holz oder Jute haben außerdem einen sogenannte­n Kohlenstof­fdioxidSen­keneffekt. Während des Wachstums

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FOTO: ROBERT SENGOTTA/DPA
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