Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Im Herzen a bissle stolz“

Laura Siegemund hatte vom Halbfinale in Paris geträumt, doch es reichte nicht ganz

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PARIS (SID/dpa) - Laura Siegemund kämpfte gegen die Tränen, ihre Stimme zitterte. Auch lange nachdem sie den Court Philippe Chatrier verlassen hatte, spürte die 32-jährige Schwäbin eine große Leere. „Ich werde das Turnier rückblicke­nd sicher als großen Erfolg werten können“, sagte Siegemund: „Im Moment bin ich aber maßlos enttäuscht, wie man merkt.“Ein Glas Rotwein als Seelentrös­ter nach der verpassten Halbfinal-Premiere kam aber nicht infrage. „Ich trinke keinen Alkohol, also muss es kein Glas Rotwein sein“, sagte die Metzingeri­n auf die Frage, ob sie sich trotz der Enttäuschu­ng für ihre insgesamt tollen Leistungen in den vergangene­n Wochen doch noch belohnen würde.

Es hatte bei den French Open nicht sein sollen mit ihrem ersten Halbfinale bei einem Majorturni­er. Siegemund, gehandicap­t von Rückenprob­lemen, unterlag der an Nummer sieben gesetzten zweimalige­n Wimbledons­iegerin Petra Kvitova im Viertelfin­ale mit 3:6, 3:6 und verpasste den Sprung in die Runde der besten Vier, die zuletzt Andrea Petkovic 2014 erreicht hatte.

Kevin Krawietz und Andreas Mies, die auf ihrer Mission Titelverte­idigung im Doppel am Donnerstag um den Finaleinzu­g kämpfen, vertreten damit allein die schwarz-rot-goldenen Farben in Paris. Das Doppel aus Coburg/Köln spielt gegen die US-Open-Finalisten Wesley Koolhof/Nikola Mektic (Niederland­e/ Kroatien/Nr. 9).

Bei Siegemund wird es einige Tage dauern, die Enttäuschu­ng über die verpasste große Chance zu überwinden. Sie sehnt sich nach etwas Familienze­it, um zu reflektier­en. „Wenn ich mal wieder zur Ruhe kommen kann, nach Hause, das wird schon helfen“, sagte Siegemund: „Ich habe jetzt sehr viel gespielt, quasi von Bubble zu Bubble zu Bubble, das geht irgendwann echt auf die Psyche.“

Dass sie so lange weg war aus ihrem Wohnort Stuttgart lag daran, dass Siegemund beeindruck­end spielte. Erst bei den US Open, als ihr an der Seite der Russin Wera Swonarewa der ganze große Coup mit dem Titel im Doppel gelang. Dann kam sie in Paris erstmals in ihrer Karriere in die zweite Turnierwoc­he. „Unterm Strich war es ein super Turnier von ihr“, sagte auch Barbara Rittner, Head of Women's Tennis des Deutschen Tennis Bundes.

Siegemunds starke Auftritte haben sich in jedem Fall gelohnt, auch finanziell und mit Blick auf die Weltrangli­ste. 283 500 Euro Preisgeld strich sie ein und macht im Ranking einen größeren Sprung. „Es war definitiv ein Ziel von mir, wieder in die Top 50 zu kommen als Basis, um dann noch weiter nach vorne zu kommen“, sagte sie.

Vor allem aber hat sie die Bestätigun­g erhalten, bei einem Major auf höchster Ebene mithalten zu können, auch wenn Kvitova dominierte. „Ich sehe noch mehr Potenzial und möchte das ausschöpfe­n, das ist mein Ansporn“, sagte Siegemund: „Mich ärgert so ein Match wie heute.“Soll heißen: Im Vollbesitz ihrer Kräfte und bei einer herausrage­nden Leistung könnte sie die Nummer sieben der Setzliste vielleicht schlagen. Mit einem weiteren Überraschu­ngserfolg hätte sich zudem die unverhofft­e Chance aufgetan, in einem verrückten Turnier

Laura Siegemund mit vielen Favoritens­türzen womöglich sogar um den Titel mitzuspiel­en.

Dabei hatte Siegemund, die früh als Wunderkind geadelt und mit Steffi-Graf-Vergleiche­n bedacht wurde, ihre Karriere 2012 schon einmal beendet. Sie kam zurück, feierte 2016 im Mixed an der Seite des Kroaten Mate Pavic den Titel in New York. 2017 gewann sie das Heim-Turnier in Stuttgart, wenig später zog sie sich in Nürnberg einen Kreuzbandr­iss zu und musste lange pausieren. Doch sie kämpfte sich zurück.

„Ich habe eine schwere Verletzung gehabt und mich zurückgear­beitet. Die Ergebnisse muss ich für mich mitnehmen, ich habe mich für die Arbeit der letzten zwei, drei Jahre belohnt“, sagte Siegemund, als sie am Ende ihres Arbeitstag­es dann doch ein versöhnlic­hes Fazit zog: „Wenn ich zur Ruhe komme und den Rücken auskuriere­n kann, werde ich im Herzen a bissle stolz darauf sein.“

„Ich habe jetzt sehr viel gespielt, quasi von Bubble zu Bubble zu Bubble, das geht irgendwann echt auf die Psyche.“

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FOTO: GAO JING/IMAGO IMAGES

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