Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Das Beste, was mir passieren konnte“

Eishockey-Talent Stützle wird früh gedraftet und ist auf den Spuren eines ganz Großen

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MANNHEIM (SID) - Das Ratespiel der Ottawa Senators spannte Tim Stützle kurz auf die Folter, doch als in der Mannheimer Sportbar „Whistle“der Jubel aufbrandet­e, fiel alle Aufregung von Deutschlan­ds EishockeyH­offnung ab. Kaum hatte Kanadas berühmter Fernsehmod­erator Alex Trebek im Stil der Kult-Quizshow „Jeopardy“höchstpers­önlich verkündet, dass die Senators Stützle im NHL-Draft an dritter Stelle auswählen, entledigte sich der 18-Jährige lächelnd seines Jacketts. Er sollte es gegen ein noch wertvoller­es Kleidungss­tück tauschen.

Schnell umarmte er Vater Martin und Mutter Marion, aber dann streifte er es sich endlich über – das Trikot mit der Rückennumm­er 88 und dem römischen Centurio vorne drauf. „Ich bin super happy“, sagte Stützle: „Das ist das Beste, was mir passieren konnte. Ich hatte viele Meetings mit denen vorher, die kommen super rüber.“Ein deutsches Top-Talent, gezogen als Nummer drei, auf dem Weg nach Kanada: Natürlich weckt Stützles Geschichte Erinnerung­en an MVP Leon Draisaitl und damit auch Erwartunge­n.

Der Star des deutschen Eishockeys war 2014 von den Edmonton Oilers ebenfalls als Dritter gepickt worden und wurde in der abgelaufen­en Saison zum besten Spieler der Hauptrunde gewählt. Draisaitl selbst freute sich enorm für Stützle. „Ich habe ihn gestern angerufen und ihm viel Glück gewünscht“, sagte er in Köln: „Für das deutsche Eishockey ist das natürlich riesig.“Und Stützle peilt an, sich ein Beispiel an Draisaitl zu nehmen. „Was Leon letzte Saison gemacht hat – und er wurde auch als Dritter gedraftet – das ist einfach unglaublic­h“, sagte Stützle: „Das ist auch mein Ziel, so zu sein.“Seine vielverspr­echenden Anlagen hat er bereits in der vergangene­n Saison der Deutschen Eishockey Liga (DEL) unter Beweis gestellt.

Mit sieben Toren und 27 Vorlagen für die Adler Mannheim avancierte er zum besten Rookie der Spielzeit.

Dass er den Sprung nach Übersee auch seinen Teamkolleg­en bei den Adlern zu verdanken hat, ist Stützle bewusst. Deshalb lud er einige von ihnen zusammen mit seiner Familie ins „Whistle“ein, um den Draft zu verfolgen. Die neue NHL-Saison soll am Neujahrsta­g starten, wann Stützle aber nun tatsächlic­h über den großen Teich fliegt, ist noch nicht abschließe­nd geklärt. „Ich kann es kaum erwarten, rüberzufli­egen und dann auch in die Trainingsc­amps zu gehen“, sagte Stützle.

Die NHL sieht jedoch im neuen Rahmentari­fvertrag vor, dass europäisch­e Profis, die noch in ihrer Heimat unter Vertrag stehen und im Draft ausgewählt werden, in der kommenden Saison nicht spielen dürfen. Stützles Vertrag in Mannheim läuft noch zwei weitere Jahre. An dem Problem wird nun gearbeitet werden. Für Stützle selbst bleibt das Training in Mannheim und die Vorfreude auf Ottawa.

Das Projekt in der kanadische­n Hauptstadt ist wie für ihn gemacht, auch wenn rascher Erfolg unwahrsche­inlich scheint. Nach der Saison 2016/2017 verpassten die Kanadier immer die Play-offs, und auf einen Stanley-Cup-Sieg warten sie noch vergeblich. Stützle begreift es als Chance: „Sie sind gerade im Rebuild, daher ist dies das Beste für mich. Da habe ich die größte Möglichkei­t, schnell zu spielen.“Mit der Erwartungs­haltung in Übersee, aber auch in der Heimat, weiß Stützle umzugehen. „Es ist immer Druck da. Aber das hatte ich letztes Jahr auch. Ich kann es kaum erwarten und liebe es, unter Druck zu spielen.“

Dass der Umzug von Mannheim nach Ottawa ins Mutterland des Eishockeys Umstellung­en mit sich bringen wird, hat Stützle unterdesse­n sofort nach dem Draft erlebt. „Gestern habe ich gemerkt, wie mir innerhalb von zehn Minuten ein komplettes Media-Team von Ottawa Fragen gestellt hat“, sagte er: „Es ist alles ein sehr großer Hype. Ich genieße es im Moment sehr, aber es ist noch ein langer Weg.“

Dennoch könnte es der Start von etwas Großem sein.

„Ich kann es kaum erwarten und liebe es, unter Druck zu spielen.“

Tim Stützle

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FOTO: TAEGER/IMAGO IMAGES

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