Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Türkei geht im Gasstreit auf Konfrontation
Erkundungsschiff wieder im Mittelmeer – Griechenland spricht von Bedrohung
theoretisch ein einzelnes Mitgliedsland entsprechende Pläne aufhalten. Der Kreml-Kritiker Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt. Der 44-Jährige hat das Krankenhaus mittlerweile verlassen, ist aber noch nicht vollständig genesen und macht in der deutschen Hauptstadt eine RehaMaßnahme. Nawalny vermutet, dass der russische Staat hinter dem Giftanschlag auf ihn steckt. Der Oppositionelle ist einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Deutschland und Frankreich begründen ihre Sanktionsforderungen damit, dass Russland Aufforderungen zu einer lückenlosen Aufklärung der Tat bislang nicht nachgekommen ist. Die Strafmaßnahmen sollen nach den Plänen der beiden Länder auf Einzelpersonen abzielen, „die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist“. Details wurden bislang aber nicht genannt.
Die Grundlage für neue Strafmaßnahmen legten die EU-Außenminister am Montag mit der einjährigen Verlängerung des Chemiewaffen-Sanktionsregimes der EU. Es war 2018 eingeführt worden und führte unter anderem dazu, dass die zwei höchsten Führungskräfte des russischen Militärgeheimdienstes mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden konnten. Dem Chef und dem Vizechef des GRU wird vorgeworfen, für den Gebrauch von Nervengift bei dem Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal verantwortlich zu sein. Zudem wurden auch Sanktionen gegen die beiden Agenten verhängt, die den An
ISTANBUL - Die Türkei hat den deutschen Bemühungen um eine Vermittlung im Gasstreit im östlichen Mittelmeer einen schweren Dämpfer versetzt. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am Montag einen geplanten Besuch in Ankara ab, nachdem die Türkei ein Forschungsschiff zu einer neuen Erkundungsmission in die Nähe der griechischen Insel Kastellorizo geschickt hatte. Die Bundesregierung nannte neue GasErkundungen der Türkei „unklug“. Maas reist nun an diesem Dienstag lediglich in die EU-Länder Zypern und Griechenland, die mit der Türkei um Gebietsansprüche und Bodenschätze im Mittelmeer streiten.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, warnte die Türkei vor neuen Erkundungen in den umstrittenen Gebieten vor griechischen Inseln. Dies wäre „ein sehr bedauerlicher und aus unserer Sicht auch ein unkluger Schritt“, sagte er. Dies würde die Bemühungen um Entspannung zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern zurückwerfen und „wäre ganz sicher alles andere als förderlich für die Weiterentwicklung oder Fortentwicklung der EU-Türkei-Beziehungen“.
Das türkische Schiff „Oruc Reis“war Ende September aus dem Mittelmeer abgezogen worden und in den Hafen von Antalya zurückgekehrt. Offiziell begründete die Regierung in Ankara dies mit turnusmäßigen Wartungsarbeiten an dem Schiff; tatsächlich war die Entscheidung offenbar ein taktisches Manöver: Ankara wollte die damals drohenden Sanktionen der EU vermeiden. Eine Versprüche ständigung auf neue Gespräche zwischen Athen und Ankara über den Streit um die Grenzziehungen im Meer sollten die Lage entspannen. Beim EU-Gipfel Anfang Oktober verzichtete Europa dann auf sofortige Strafmaßnahmen gegen die Türkei. Nun brach die „Oruc Reis“aber zu einer neuen Mission bei Kastellorizo auf. Wenn es in der Gegend Gas unter dem Meeresboden gebe, „dann werden wir es ganz bestimmt finden“, erklärte der türkische Energieminister Fatih Dönmez zu der neuen Erkundung. „Wir werden weiter forschen, bohren und unsere Rechte verteidigen.“Nach griechischer Auffassung liegt das aktuelle Erkundungsgebiet der „Oruc Reis“in der Wirtschaftszone von Kastellorizo. Griechenland kritisierte die neue Fahrt des türkischen Forschungsschiffes deshalb als „direkte Bedrohung des Friedens“.
Dass die Türkei ausgerechnet bei Kastellorizo nach Gas sucht, ist kein Zufall. Ankara führt griechische An
auf Gewässer um die Insel als Beispiel für die nach türkischer Ansicht unannehmbare Maximalposition der Griechen ins Feld: Obwohl Kastellorizo nur zwei Kilometer von der türkischen Küste, aber fast 600 Kilometer vom griechischen Festland entfernt liege, beanspruche Griechenland ein Seegebiet von 40 000 Quadratkilometern um die Insel, sagte ein hochrangiger türkischer Regierungsvertreter kürzlich.
Im August hatten die NATO-Partner Türkei und Griechenland im Gasstreit ihre Kriegsschiffe aufgeboten und sich gegenseitig mit militärischer Gewalt gedroht. Maas hatte kurz darauf Griechenland und die Türkei besucht, aber nichts erreicht. Ein Gespräch von Maas mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Rande einer Konferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava vorige Woche brachte ebenfalls keine erkennbare Fortschritte. In Bratislava traf sich Cavusoglu auch mit seinem griechischen Kollegen Nikos Dendias; ein Datum für den Beginn der geplanten türkischgriechischen Verhandlungen gibt es aber nicht.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU werden auch durch Differenzen im Libyen-Konflikt sowie das türkische Engagement für Aserbaidschan im neuen Krieg um die Kaukasus-Region BergKarabach belastet. Als Inhaberin der EU-Ratspräsidentschaft bis zum Jahresende will die Bundesregierung versuchen, das europäisch-türkische Verhältnis aus der Krise zu führen, doch zur Halbzeit der Präsidentschaft hat Berlin noch keine Fortschritte vorzuweisen.