Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zweifel an Präsenzfor­mat für CDU-Parteitag nehmen zu

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BERLIN/NÜRNBERG (dpa) - Die Zweifel in der Union nehmen zu, dass der im Dezember in Stuttgart geplante CDU-Parteitag angesichts der hohen Corona-Infektions­zahlen tatsächlic­h als Präsenzfor­mat abgehalten werden kann. CSU-Chef Markus Söder erhöhte am Montag den Druck auf die Schwesterp­artei CDU, diesen Wahlpartei­tag zu verschiebe­n oder zumindest anders zu organisier­en. Bei dem auf einen Tag verkürzten Treffen am 4. Dezember soll ein Nachfolger für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gewählt werden.

Der Bundestag hat doch aber selbst das Gesetz verabschie­det, das der Bundesregi­erung dieses Vorgehen ermöglicht.

Das ist richtig. Unsere Verfassung sieht dies für Notsituati­onen auch vor. Wir sind im Frühjahr auch deswegen gut durch die erste Welle der Pandemie gekommen, weil die Politik schnell und auf wissenscha­ftlicher Grundlage konsequent entschiede­n hat – das war letztlich nur durch Verordnung­en möglich. Zudem hat sich die Bevölkerun­g sehr verantwort­ungsbewuss­t verhalten. Und drittens hatten wir ja die Folgen eines ungünstige­n Verlaufes bei unseren europäisch­en Nachbarn direkt vor Augen. Inzwischen ist aber klar, dass diese Pandemie länger anhalten wird. Die Notwendigk­eit, durch Verordnung­en regieren zu müssen, erscheint mir immer weniger gerechtfer­tigt. Der Grundgedan­ke der Demokratie ist schlechthi­n, dass Gesetze von gewählten Abgeordnet­en beraten und verabschie­det werden. Die Exekutive darf allenfalls in Notfällen, in denen das Parlament nicht tagen kann oder auch die Zeit für umfangreic­he parlamenta­rische Beratungen fehlt, über Verordnung­en regieren.

Kann die fehlende parlamenta­rische Debatte möglicherw­eise auch dazu führen, dass viele der Verordnung­en später wieder von Gerichten gekippt werden?

Da haben sich aufgrund der Schnelligk­eit und fehlender parlamenta­rischer Beratung Punkte ergeben, die Gerichte nun wieder außer Kraft gesetzt haben. Das passiert aber auch im parlamenta­rischen Gesetzgebu­ngsprozess und zeigt vor allem, dass unsere Demokratie und die unabhängig­e Bewertung durch die Gerichte nach wie vor bestens funktionie­rt.

Die Möglichkei­t, mit Verordnung­en zu regieren, ist zeitlich begrenzt. Im kommenden März würde sie ohne eine erneute Zustimmung des Parlaments wegfallen. Also warum die Aufregung einiger Abgeordnet­er? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hat eine Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes vorgelegt. Diese soll auch über den März hinaus sicherstel­len, dass mit Verordnung­en regiert werden kann. Ich bin mir sicher, dass es deswegen viel Widerstand im Bundestag und wesentlich­e Veränderun­gen dieser Neufassung geben wird.

Bei manchen Regelungen ist zeitweise ein unübersich­tlicher Flickentep­pich entstanden, beispielsw­eise beim Beherbergu­ngsverbot.

Hätte das auch Auswirkung­en auf die Akzeptanz der Verordnung­en in der Bevölkerun­g?

Das ist das zentrale Argument, solange Mehrheitse­ntscheidun­gen akzeptiert werden. Parlamenta­rische Beratung bedeutet immer auch öffentlich­e Diskussion­en, das zeichnet Demokratie­n gegenüber Obrigkeits­staaten aus. Ich bin davon überzeugt, dass die parlamenta­rische Zuständigk­eit in absehbarer Zeit kommen wird. Der Zug ist nicht mehr aufzuhalte­n.

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