Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Frech, witzig und mit Anstand
Uli Böttcher präsentierte im Lichtspielhaus sein Programm „Ich bin Viele“
RIEDLINGEN - Ein oft und gern gesehener Gast im Riedlinger Lichtspielhaus ist Uli Böttcher aus Baienfurt. Er hat am vergangenen Samstag eine ausgefallene Vorstellung vom März nachgeholt. Präsentiert hat er sein neues Programm „Ich bin Viele“und mit einem Lächeln kommentiert: „Wenn schon nicht mehr viele im Publikum sitzen dürfen, muss ich Viele zeigen!“Böttcher plauderte rund zwei Stunden – nur unterbrochen durch eine kurze Pause – aus seinem ganz persönlichen Nähkästchen.
Nicht immer ganz ernst gemeint und mit Sicherheit auch nicht immer ganz der Wahrheit entsprechend, zeigte er die vielen Facetten seiner Person: Natürlich ist er ein Mann und zwar ein domestizierter, was heißen will, verheiratet. Seine Kinder sind erwachsen und aus dem Haus, was bedeutet, dass die Schnittmengen des gemeinsamen Lebens viel geringer sind. Andererseits bleibt er Lehrer und Pädagoge.
Seiner Tochter hilft er bei der Partnerwahl, denn da liege diese immer daneben. Böttcher ist auch Neffe seiner Tante Ingeborg, mit der er über alles reden kann. Sei es über Sex, denn die 75-jährige Ingeborg ist auch in dieser Hinsicht sehr aufgeschlossen: Ihr Sexspielzeug verwendet sie „als Pflanzholz im Frühjahr“. Sie ist technisch auf dem neuesten Stand, wobei sie nur Wertvolles trägt: Goldzähne, zwei Kniegelenke aus Titan, ein implantiertes Hörgerät und einen implantierten Chip am Zeigefinger, weil sie so oft den Hausschlüssel vergisst.
Böttcher ist technischer und handwerklicher Laie und besorgt um seine künftige Rolle, seit er „Alexa“bei Freunden gesehen hat: „Alles, was die macht, mache ich zu Hause auch.“Seine cholerische Seite verkörpert er überzeugend auf der Bühne, wenn er sich etwa über seinen Nachbarn echauffiert. „Der ist ein Seggel“, wiederholt er ständig. Der protzt mit seinem Reichtum, „fährt einen Ferrari Testosteroni“und leider taucht dieser nicht nur zum Abendessen auf, sondern auch nachts in schlimmen Albträumen. Dazu wechselt Böttcher geschickt die Rolle: Er setzt eine Sonnenbrille auf, knöpft sein Hemd weit auf und kratzt sich an entsprechenden Stellen und schon ist er der verhasste Nachbar. Dieser wiederum schwadroniert über Böttcher, der sei „ein Weichei, ein Warmduscher, und steht unterm Pantoffel seiner Frau“.
Böttcher überzeugt mit Wortwitz und viel Humor. Wer öfters Gast ist bei ihm, weiß, dass er gut improvisieren kann und spontane Dialoge mit dem Publikum führt. Diesmal hat es ihm ein Wolfgang aus der ersten Reihe angetan, der mit Frau und Sohn gekommen ist. „Was der Jugendliche wohl ausgefressen hat, dass er ins Kabarett mit muss?“, fragte Böttcher. Eine weitere Verkleidung von Böttcher war die des eigenen Sohnes mit Kapuzen-Hoodie, großen MickyMaus-Köpfhörern und einer betont lässigen Gangart und Stimme. Dieser „Sohn“klärte die Zuhörer auf: „Wenn mein Vater mit Leuten aus dem Publikum quatscht, dann hat er seinen Text vergessen.“Kurze Zeit später kommentierte Böttcher selbst diese Verkleidungsszene schmunzelnd mit „das ist hohe Schauspielkunst“.
Durch die Einblicke in sein vielfältiges Innenlieben – er ist auch Gourmet, Tierschützer, Buchhalter, Shopper, Sportler und Faulpelz zugleich – gab es auch Lebensweisheiten für die Gekommenen. Prokrastination, das heißt Verschieben von anstehenden Aufgaben, ist insofern hilfreich, wenn er sich beispielsweise ungern an den Schreibtisch verzieht, um Programme zu schreiben. Viel lieber geht er deshalb anderen ungeliebten Tätigkeiten nach, die sich so wie von selbst erledigen.
Und viel Spaß machte auch ein wichtiger Satz, den man vielleicht gar nicht verstehen muss, der aber wohl in allen Lebenslagen unterstützend wirkt: „Wenn du es ein bisschen genau haben willst, musst du es wenigstens ungefähr wissen!“
Kabarettist Uli Böttcher ist einmal mehr sehr gut angekommen beim Publikum in Riedlingen. Kabarett und Kunst machen Mut in diesen schwierigen Zeiten, und er wünschte sich und allen zum Abschluss ein „Verhalten mit Anstand und Disziplin“.