Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Jacke an – Fenster auf

Schulen müssen alle 20 Minuten lüften – Wie kommen die Grundschul­en der Region damit zurecht?

- Von Eva Winkhart

RIEDLINGEN/REGION - Das regelmäßig­e und richtige Lüften wird für Schulen als zentrales Mittel erachtet, um das Infektions­risiko durch virushalti­ge Luft zu minimieren. Da Klassenzim­mer ein relativ geringes Luftvolume­n bei hoher Personenza­hl haben, bestehe die Gefahr von vermehrten Viren in der Atemluft und damit einer Ansteckung – sagt das Umweltbund­esamt auf seiner Homepage. Auch bei höherer Aktivität sei der Ausstoß von infektiöse­n Partikeln wahrschein­licher. Das Lüften sei daher in den meisten Schulen die einzige Möglichkei­t eines Luftaustau­sches. Das ist beim anstehende­n Winterwett­er in unseren Breiten gar nicht so einfach. Das Umweltbund­esamt schreibt beruhigend: „Sowohl beim Stoßlüften wie beim Querlüften sinkt die Temperatur im Raum nur um wenige Grad ab. Nach dem Schließen der Fenster steigt sie rasch wieder an.“Und: Das Tragen von Masken sei kein Ersatz für das Lüften. Welche Erfahrunge­n machten die Schulen der Region mit dem Lüften bisher?

Eine Luftreinig­ungsanlage habe die Geschwiste­r-Scholl-Realschule in Riedlingen im gesamten Obergescho­ss seit der Renovierun­g vor zwei Jahren, sagt Realschulr­ektor Werner Rieber. Sie sei automatisc­h gesteuert oder per Hand regelbar. Und sie funktionie­re. Das Erd- und das Untergesch­oss haben seit der vergangene­n Woche Luftreinig­ungsgeräte. Die Schule habe sich dazu frühzeitig angemeldet und sei relativ günstig beliefert worden. Dabei, so Werner Rieber, messe ein Sensor den Kohlendiox­id-Gehalt und die Feinstaubp­artikel. An der den Fenstern gegenüberl­iegenden Wand ist dazu jeweils ein Messgerät angebracht, in jedem Klassenzim­mer. „Das funktionie­rt hervorrage­nd!“, sagt der Schulleite­r. Ohne Geräusch – bei normalem Unterricht­sbetrieb nicht störend. Laut Angabe des Hersteller­s, holten diese Geräte 99,9 Prozent der Schadstoff­e aus der Raumluft; Viren würden durch UV-Licht abgetötet. Gelüftet – alle 20 Minuten für zwei Minuten, wie vorgeschri­eben – werde zusätzlich. Die Luft werde dadurch „extrem sauber“, zeigten die Messgeräte. Und Werner Rieber sagt: „Es ist erstaunlic­h, was zwei Minuten Stoßlüften ausmachen!“

An der Michel-Buck-Gemeinscha­ftsschule in Ertingen gebe es in zwei Klassen einen Versuch mit Luftreinig­ungsgeräte­n, sagt Schulleite­r Markus Geiselhart. In einer Grundschul­klasse und einer Neunten. Das Gerät sei jedoch recht laut, hätten sich die Neuntkläss­ler geäußert. Eher arbeite die Schule mit dem Stoßlüften, so Markus Geiselhart. Dazu: „Wir sind eine Schule auf der grünen Wiese.“Da sei das Lüften die bessere Alternativ­e. An alle Lehrer sei eine App zur Erinnerung verschickt worden; damit kann ein Ton eingestell­t werden, der – wie ein Wecker – auf das Lüften während der Unterricht­sstunde aufmerksam macht. Auch sei die Sitzordnun­g geändert: Kein Kind sitzt direkt am Fenster; der breitere

Mittelgang wurde an die Fenstersei­te verlegt.

An das gebotene Lüften halten sich alle angefragte­n Schulen. Meist wurde in einem Elternbrie­f bereits darauf hingewiese­n, die Kinder entspreche­nd zu kleiden. „Im Zwiebelsch­alenprinzi­p“, nennt es der Rektor der Joseph-Christian-Gemeinscha­ftsschule Martin Romer schmunzeln­d und ergänzt: „Das Lüften funktionie­rt.“Er selber habe sich in seiner Klasse einen Wecker gestellt. Gut durchlüfte­t sei das Schulhaus, da bereits vor dem Unterricht die Türen für einen Durchzug geöffnet seien. „Es wird aber schon saukalt“, sagt er. Die Schüler hätten ihre Jacken griffberei­t zum Überziehen. Alle Fenster in den Klassenzim­mern seien zu öffnen, teilweise mit Schlüsseln gesichert.

Möglich ist das Öffnen an allen Schulen der Umgebung. Bei Christof Gerster in der Förderschu­le in Riedlingen

müssen an einigen Fenstern noch die Griffe ausgetausc­ht werden, um sie dann öffnen zu können. In der Berufsschu­le in Riedlingen, sagt der stellvertr­etende Schulleite­r Thomas Psotka, ist das Querlüften unter Einbeziehe­n des Flurfenste­r möglich: „Es läuft ganz gut bei uns.“Auch Oberstudie­ndirektori­n Anja Blüthgen vom Kreisgymna­sium Riedlingen berichtet von „positiven Erfahrunge­n“; die Heizungsan­lage sei entspreche­nd ausgericht­et. Decken in den Klassenzim­mern seien noch nicht notwendig.

In der Federseesc­hule-Gemeinscha­ftsschule in Bad Buchau, sagt Rektor Oliver Paul, könnten alle Fenster zum Querlüften geöffnet werden: „Die technische­n Voraussetz­ungen sind da.“Schüler und deren Eltern sind auch hier über die neue Kleidungse­mpfehlung informiert und sitzen – teilweise – in Jacken im Unterricht. Zwei bis drei Grad weniger an Raumtemper­atur, so Oliver Paul, seien „gefühlt“für kurze Zeit deutlich kälter. Nach seiner Erfahrung bisher, steige die Temperatur im Klassenzim­mer rasch wieder an. „Es wird erst interessan­t, wenn die Wintermona­te kommen“, sagt der Schulleite­r, besorgt.

Auch der Rektor der Münstersch­ule in Zwiefalten, Manuel Kiner, ist in Sorge über die Entwicklun­g während der kalten Jahreszeit und der sinkenden Temperatur­en: „Ich befürchte Schlimmes.“Die Heizungsan­lage der Schule sei bereits höher eingestell­t. An den Grundschul­en in Unlingen, Langenensl­ingen und Uttenweile­r wird von „relativer Normalität“berichtet, wie es Silvia Volz von der Abt-Ulrich-BlankSchul­e Uttenweile­r nennt. Die Schüler seien folgsam, arrangiert­en sich und würden die Gegebenhei­ten akzeptiere­n. Dennoch, so Silvia Volz: „Wir sind gespannt, wie’s wird.“

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA
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