Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Dem Ort ein Gedächtnis gegeben“
Neufra feiert die Herausgabe des zweiten Bandes der Chronik mit Impressionen von 1806 bis heute
NEUFRA - Corona ließ bei der Vorstellung des zweiten Bandes der Neufraer Ortschronik grüßen: Ortsvorsteherin Erika Götz durfte am Freitag ausschließlich geladene Gäste in der Donauhalle empfangen. Dabei hätte sie gerne alle Interessierten dieses Ereignis miterleben lassen. Das Virus hat die Herausgabe verzögert und auch den Verfasser von Band I, Karl-Werner Steim, seine Teilnahme absagen lassen. Dafür war Ferdinand Kramer umso präsenter. Der Autor gestand, dass er bei der Buch-Zusage über die Zeit von 1806 bis heute an Steim und den inzwischen verstorbenen Ortsvorsteher Hermann Hennes nicht wusste, „auf welches Abenteuer ich mich einlasse“.
Kramer dankte allen, die in Wort und Tat, mit Fotos und Unterlagen zum Werk beigetragen haben und äußerte seine Freude über neu Entdecktes. Dass dies eine große Anzahl an Menschen waren, zeigte die spätere Übergabe eines DankeschönExemplars. Einig sei er sich mit Hennes gewesen, so Kramer, dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk handeln solle. Deshalb fehlten auch die vielen Fußnoten. Doch sind die Quellen beim Stadtarchiv und der Ortsverwaltung nachzulesen. Er äußerte die Problematik der Auswahl, die von persönlichen Neigungen und der Vorprägung mitbestimmt seien. Die rein sachliche Berichtsund Deutungsebene gebe es nicht, räumte er ein. Und so habe er diesen Band mit „Impressionen“überschrieben. Viele Eindrücke aus der Zeit von 1806 bis 2019 sollten aufgenommen werden, hätten aber nur angerissen und nicht in alle möglichen Richtungen untersucht und ausgeführt werden können.
Zwei Beispiele erwähnte er: das Empfinden der Neufraer am Ende des Zweiten Weltkrieges, verbunden mit der bangen Frage, ob es gelinge, rechtzeitig die weiße Fahne zu hissen – oder die Überlegung, ob man „arm“war. Mit Absicht habe er „Ehedem“in der Überschrift für Spital, Schule, Mühlen, Wirtschaften, Kirchenchor, Banken, Molkerei und Bahnhaltestelle in Neufra gewählt. Manches stimme nachdenklich, vielleicht traurig. Doch wie sagt das
Sprichwort: Das Leben geht weiter.
Ein Heimatbuch sollte entstehen, erklärte Kramer. Der Begriff Heimat sei eine Herausforderung, sie müsse erhalten, gestaltet und gemacht werden – von „Ureinwohnern“, aber auch Zugezogenen. „Heimat, das war und ist gestaltetes, soziales Miteinander“, unterstrich er und betonte, dieses Miteinander werde von Persönlichkeiten mitgestaltet. Daher seien alle Themen auch mit den Entscheidungsträgern verbunden. „Lesen Sie kreuz und quer“, empfahl er den Neufraern, denn das Buch sei ja weder ein Roman noch ein Krimi. Manches solle zum Nachschlagen dienen, vor allem aber zum Nachdenken über früher und heute. Er wünsche „viel Freude an diesem Buch und zum weiteren Leben hier am Hang, früher unter dem Schutz der Burg, heute im Schutze der Stadt Riedlingen“.
Diese war vertreten durch Bürgermeister Marcus Schafft, der auch seinen Vorgänger Hans Petermann und den Uttenweiler Kollegen Werner Binder sowie Ehrenbürger Professor Winfried Aßfalg begrüßte. Schafft zitierte die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann: „Erinnern ist das Arbeiten an der Zukunft“und hielt fest, darum gehe es auch hier, um Geschichte als Basis für die Zukunft. Insofern sei die Chronik mit ihren beiden Teilen ein wertvoller Beitrag zum Erhalt der Erinnerung des Ortsteils. Gerne habe die Stadt dieses Vorhaben unterstützt. Kramer dankte er – nicht zuletzt aufgrund der aktuell schwierigen Bedingungen
– für sein besonderes Engagement. Schafft habe schon „gespickelt“und für sich wichtige Erkenntnisse aus dem Buch gezogen, beispielsweise zum Übergang Oberschwabens ins Königreich Württemberg unter Herauslösung aus Vorderösterreich 1806 oder auch zur Eingliederung der selbständigen Gemeinde Neufra nach Riedlingen 1972. Dies erkannte er als Erfolgsgeschichte für Neufra und seine Einwohner, aber auch für alle im westlichen Landkreis. Denn ohne diesen Vertrag wäre das Mittelzentrum Riedlingen „sicherlich nicht auf den Weg gekommen“.
„Sie haben dem Ort ein Gedächtnis“gegeben, bescheinigte Schafft Ferdinand Kramer als Autor und dankte ihm herzlich für die „nur erahnbare Mühe und Kreativität und enorme Schaffenskraft“.
Dass ihr Vorgänger Hermann Hennes bereits 2011 bei der Stadt mit der gewährten Bitte um Unterstützung für die Erstellung einer Ortschronik vorstellig geworden ist, wurde im Grußwort der Ortsvorsteherin Erika Götz offenbar. Ihr Resümee: Was lange währt, wird endlich gut.
Mit Band II der Chronik, Hermann Hennes als Initiator gewidmet, „wurde etwas Bleibendes geschaffen, das weit über das Jahr 2020 hinaus reichen wird“, betonte sie, verbunden mit dem Dank von Ortschaftsrat und des ganzen Dorfes an Kramer für die „Mammutaufgabe“. Er habe sich mit diesem Werk große Verdienste um die Geschichte Neufras erworben. Dank galt aber auch Kramers Frau, einst Lehrerin in Neufra, für die kritische Durchsicht und den zahlreichen Menschen, die Kramer bei der Geschichtsforschung und bei der Illustration des Buches unterstützt haben. Namentlich nannte sie Karl Emhart, Eugen Locher, Roland Nehm und Ernst Mohn.
„Neufra an der Donau Band II – Impressionen eines Dorfes 1806 bis heute“von Ferdinand Kramer umfasst 416 Seiten und ist in der Biberacher Verlagsdruckerei erschienen. Es kostet 30 Euro und ist bei der Ortsverwaltung Neufra und der Ulrich’schen Buchhandlung in Riedlingen erhältlich..