Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Lernend durch den Wald ziehen
Sechstklässler des Riedlinger Kreisgymnasiums lesen Eicheln statt Buchstaben
RIEDLINGEN (sz) - Bei einer Gemeinschaftsaktion der Unterstufenbetreuerin des Riedlinger Kreisgymnasiums und des Waldschulheims Indelhausen sowie der Forstrevierleitung im Forstbezirk Oberland haben drei sechste Klassen des Gymnasiums kürzlich im Wald bei Heiligkreuztal Eicheln gesammelt.
Auslöser der Aktion war eine Anfrage des Leiters der Staatsklenge in Nagold, Thomas Ebinger, am Waldschulheim gewesen. Dieser hatte eine Eichelmast in der Region festgestellt und wollte die Samen zur Aufbereitung und zum Weiterverkauf an gewerbliche Baumschulen verwenden. Die Staatsklenge sammelt Früchte von verschiedenen Baumarten und hat ihren Namen von dem „klingenden“Geräusch der sich öffnenden Zapfen beim Trocknen. Der Begriff „Eichelmast“bezeichnet eine starke Fruchtbildung und stammt vom einstigen Brauch, die Schweine im Herbst in den Wald zu treiben, um sie dort mit den nahrhaften Eicheln zu mästen.
Immerhin wurde den Schülern für jedes gesammelte Kilo eine ansehnliche Vergütung versprochen. Besonders eifrige Buben hatten daher schon gefüllte Säcke und Beutel mit Eicheln zum Treffpunkt mitgebracht. Jedoch gab es zuerst lange Gesichter, als Revierleiter Arnold aufklärte, dass sich nicht jede Eiche zur Nachzucht eigne. Das Sammelgut war ausschließlich als Tierfutter geeignet.
Auf dem halbstündigen Fußweg ab Parkplatz wurden erste Fragen beantwortet, bevor dann am Waldort paarweise Eimer verteilt wurden und der Sammelwettbewerb begann.
Nach dem Motto „mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“wurden die durchschnittlich etwa fünf Gramm schweren Eichnüsse vom Acker beziehungsweise Waldboden aufgelesen. Das Vorkommen von tauben oder wurmigen Eicheln erschwerte die Arbeit genauso wie der teilweise Bodenwuchs von Seegras, Brombeere oder die Blattschicht.
In der Vesperpause lernte die Klasse spielerisch den waldbaulichen Hintergrund und die Klimarelevanz
ihres Tuns kennen. Förster und Waldbesitzer setzen auf eine Durchmischung der Baumarten und insbesondere auf die klimastabile Eiche, deren Anbau vom Land BadenWürttemberg und der Europäischen Union sogar finanziell gefördert wird. Im Spiel erfuhren die Kinder den jahrhundertelangen Wandel von der früheren bodenschädigenden Kahlschlagswirtschaft über die einseitige Naturverjüngung bis zum heutigen Waldumbau auf standortgerechte Baumarten. Sie lernten, dass Nachhaltigkeit eine langfristige Zukunftsplanung erfordert und ihre Eichen erst in zweihundert Jahren gefällt werden würden. So staunten die Schüler, dass ihre Sammelarbeit Spuren hinterlässt, die weit über ihre eigene Lebenserwartung hinausweisen.
Und da noch nicht alle Eicheln auf dem Boden gefallen sind, warten die verbliebenen beiden Klassen aus dem Kreisgymnasium noch die Herbststürme und den Frost der nächsten Wochen ab, bevor sie nach den Ferien zu einem zweiten Sammeltermin auch ihren Zukunftsbeitrag für ein funktionierendes Ökosystem leisten wollen.