Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Rückschau auf ein bewegtes Leben
Maria und Vasil Fedko feiern diamantene Hochzeit
RIEDLINGEN - An zwei Tagen können Maria und Vasil Fedko in jedem Jahr Hochzeitstag feiern – am 28. Oktober und zehn Tage später, am 7. November. In diesem Jahr hat ihr Jubiläum eine besondere Bedeutung: Sie feiern ihre diamantene Hochzeit. 60 Jahre sind sie verheiratet; auf ein bewegtes Leben schauen sie zurück.
Mehrfach haben die Familien und das Ehepaar neu angefangen. Zum vorerst letzten Mal 1999, als sie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, beide schon als Rentner. Ihre beiden älteren Schwestern waren Anfang der 90er-Jahre mit ihren Familien aus Kasachstan nach Riedlingen ausgewandert. „Die hatten uns zu sich gerufen“, sagt Maria Fedko. Allerdings musste sie mit ihrer Familie warten, bis die Ukraine ihnen die Genehmigung erteilte. Dort hatten Maria und Vasil Fedko seit 1967 gelebt; die beiden Söhne hatten dort ihre Familien gegründet. Aber das Leben sei schwieriger geworden, blicken beide zurück. Statt eines Lohnes wurden Gutscheine verteilt; zu kaufen gab es jedoch kaum etwas dafür. Manchmal bezahlten die Firmen ihre Angestellten mit Schnaps oder einem Stapel Handtücher, erinnert sich Maria Fedko. Und dann wurde getauscht. So betrieb sie den Umzug nach Deutschland: „Ich war der Zug. Ich hab sie geschleppt“, erzählt sie. Allerdings war sie die einzige der Familie, die Deutsch sprach.
Maria Fedko ist aufgewachsen als Maria Schaab. Ihre Familie teilte das Schicksal vieler Wolgadeutscher: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Katharina der Großen als fleißige Leute ins Land geholt aus Süddeutschland, wurden ihre Eltern mit den damals noch vier Kindern nach Nordkasachstan deportiert, einer Steppengegend. Dort wurde sie geboren. Nach der Schule arbeitete sie als Grundschullehrerin im Dorf an der neu gebauten Schule.
Geboren und aufgewachsen in der Ukraine ist dagegen Vasil Fedko. 1957 kam er als 20-Jähriger zur sowjetischen Armee und war unter anderem in der Arktis. Kleine Fotos zeigen den jungen Mann mit einem Eisbären, in
Winterausrüstung. Nach der Entlassung war er auf Arbeitssuche und kam als Kraftfahrer mit einer ganzen Anzahl junger Menschen, die die Steppe fruchtbar machen sollten, nach Nordkasachstan – in die Heimat der Maria Schaab. Und da so viel junge Menschen dort zusammenkamen, wurde es gesellig. „Es wurde lustig mit Musik und Tanzen und Kino – und dort haben wir uns gesehen“, erzählt Maria Fedko heute. Nach drei Monaten beschlossen sie zu heiraten und gingen am 28. Oktober – einem Freitag, das wissen beide noch genau – zum Rathaus, um ihre Verbindung registrieren zu lassen. Nach der Arbeit, in Arbeitskleidung. Zeit für ein Fest hatten sie nicht. Das folgte jedoch am 7. November. In großer Form. Dieser Tag, der Tag der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“war nach 1917 der wichtigste Tag im Kalender der Sowjetunion und ein Feiertag: „Wir nutzten ihn für die Hochzeit.“
So ist auf dem großformatigen Schwarz-Weiß-Foto der innere Kreis der Familie zu sehen, alle festlich gekleidet: das Brautpaar und Marias Geschwister mit ihren Familien. Nur der Bräutigam war allein, seine Eltern weit entfernt; seine Zimmerwirtin aus dem Dorf war jedoch zu seiner Unterstützung zum Fest gekommen. Gefeiert wurde in einem Klassenzimmer ihrer Schule mit zahlreichen Gästen und üppigem Essen. Ihre Familie, erinnert sich Maria Fedko, habe sehr eng zusammengehalten und ihre Hochzeit ausgerichtet. Ihr weißes Kleid hatte ihre Schwester Katja genäht. „Das schöne, schöne Kleid!“, schwärmt sie heute noch nach 60 Jahren. Eine ausladende Haube aus Wachsblüten mit einem Schleier dran krönte die schwarzhaarige junge Frau. Der Anzug des Bräutigams gehörte eigentlich dem Schwager; einen eigenen besaß er nicht. Mit „nix“, erzählt er, sei er damals nach Kasachstan gekommen. Und eigentlich hatte er wieder zurück in die Ukraine gewollt. „Aber dann hat meine Frau mich eingefangen“, schmunzelt er. Vom Hochzeitsgeschenk, das ihre Kollegen an der Schule dem frisch getrauten Ehepaar machten, ist Maria Fedko heute noch begeistert: „Ein Sofa! Niemand hatte so ein Sofa!“Nur über die Farbe dieses besonderen Möbelstücks sind sich die beiden heute, 60 Jahre später, nicht ganz einig.
Nach der Ankunft in Riedlingen, nach Sprachkurs und Anerkennungsprüfungen der Berufe, fanden die Kinder Arbeit; die Enkelkinder waren Aufgabe der Großeltern, da die nach einem langen Arbeitsleben zu der Zeit bereits in Rente waren. Gemeinsam kochen sie inzwischen meist. Sie erledigt kleinere Näh- und Flickarbeiten für die Familie. Und sie freuen sich jeden Tag, wie gut es ihnen geht. „Wir leben im Himmel!“, sagt Vasil Fedko. Das frühere Leben vergleicht er mit „unter der Erde“.
Ein großes Fest wird es zum Jubiläum nicht geben. Beide müssen mit den Einschränkungen, die ihr Alter mit sich bringt, zurechtkommen. Und das tun sie: mit der Hilfe der beiden Söhne und deren Ehefrauen, der vier Enkelkinder – und dank der Sozialstation, der Nachbarschaftshilfe.