Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Norwegischer Top-Referee outet sich
Tom Harald Hagen wagt sein Coming-Out am Tag nach dem Kastrati-Eklat
OSLO (SID/dpa) - Tom Harald Hagen konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Es ist der Gipfel der Ironie, dass ausgerechnet ich dieses Spiel geleitet habe“, sagte der norwegische FIFA-Schiedsrichter über das Erstliga-Duell zwischen Valerenga IF und Kristiansund BK am Sonntag. VIF-Trainer Dag-Eilev Fagermo war dabei von Gäste-spieler Flamur Kastrati als „verdammte Schwuchtel“beschimpft worden. Hagen hatte nichts gehört – entschloss sich aber am Tag darauf als erster Mann im norwegischen Spitzenfußball zu seinem Coming-out.
„Ich bin schwul“, titelte „Verdens Gang“, die größte Boulevardzeitung des Landes, am Dienstag. Dazu brachte sie ein Foto von Hagen und den Schriftzug „Sporten“(Der Sport) in Regenbogenfarben. „Ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, der Sache die Brisanz zu nehmen, dass ich schwul bin“, hatte Hagen am Montag der Lokalzeitung „Glamdalen“aus Kongsvinger gesagt: „Ich habe mein ganzes Leben so gelebt, das ist nichts, worüber ich mir Gedanken mache.“Doch was für den 42-Jährigen „mein Alltag“ist, können viele noch immer nicht offen zeigen. Auch nicht in einem der liberalsten Länder der Welt. Hagens Coming-out wird deshalb weit über die Fußballszene hinaus als wichtiges Signal gefeiert.
„Ich applaudiere, das ist fantastisch“, sagte Abid Raja, Minister für Kultur und Gleichstellung. Hagen „bahne den Weg für mehr Toleranz und Akzeptanz für Verschiedenheit im Sport“, betonte er.
Der norwegische SchiedsrichterChef Terje Hauge nannte seinen Kollegen
ebenso wie der Ex-BundesligaProfi Jan Aage Fjörtoft ein Vorbild. Der norwegische Verband (NFF) twitterte mit zwei Regenbogenfahnen das Motto „Fußball ist für alle“, zahlreiche Clubs schlossen sich an.
Gjert Moldestad, Sprecher der Fanvereinigung und selbst bekennender Homosexueller, schrieb: „Wir brauchen Beispiele, die uns beweisen, dass es okay ist, im Männerfußball offen schwul zu sein. Tausend Dank!“
Er halte die Zeit für reif und könne sich „nicht vorstellen, dass es für mich andere als positive Folgen hat“, meinte Hagen, der seit 2006 in der Eliteserien und seit 2009 als FIFAReferee pfeift. Zwar sei es „ein bisschen unheimlich“, dass er damit jetzt in den Medien sei, aber: „Ich habe gelernt, mich mit mir selbst sicher zu fühlen. Mein Leben ist schön.“
Im Fall Kastrati, dem nach einer unglaubwürdigen Entschuldigung eine Sperre droht, wolle er niemanden verurteilen, ergänzte Hagen. Vermutlich sei die Aussage unbewusst gefallen, vielleicht gehöre sie in einzelnen Teilen der Fußballgemeinde zum Slang. „Aber wir müssen das aus dem Fußball rauskriegen.“Kastrati kickte früher unter anderem für Osnabrück, Duisburg und Aue in Deutschland. Hagen sagte, er habe bei den jährlichen Schiedsrichtertreffen „selbstverständlich“seinen Partner dabei, „und das wurde immer gut aufgenommen“. Genau wie sein Coming-out.