Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Demokratie ist bedroht
Wie vor einem Hurrikan werden die Schaufenster in New York und anderen Großstädten verbarrikadiert. Die Angst, dass der politische Sturm rund um die Präsidentenwahl zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den USA führt, ist gegenwärtig. Furcht im Zusammenhang mit einer Wahl – so eine Beschreibung der USRealität war bis vor Kurzem undenkbar. Es sind Trumps alltägliche Provokationen, die den falschen Anschein erwecken, der amtierende Präsident habe außer seinem persönlichen Wohlbefinden und der Verächtlichmachung von Kritik und Kritikern nicht wirklich einen Plan. Aber nach vier Jahren Trump bleibt beim Addieren der Beleidigungen und seiner umgesetzten Politik festzuhalten: Die Demokratie in den Vereinigten Staaten ist bedroht und der Staatschef treibt die Spaltung der Gesellschaft aktiv voran.
Trump greift die staatlichen Institutionen seines Landes an. Er stellt das Wahlverfahren infrage. Er billigt Gewalt. Frauen gegenüber ist er übergriffig. Trump lügt über Corona, hetzt gegen Minderheiten. Im Juli ist es ihm gelungen, binnen einer Stunde 19 Behauptungen vorzutragen, die in einem Märchenbuch abgedruckt werden könnten. Dabei ging es um die Pandemie und seinen Gegenkandidaten Joe Biden. Und allem zum Trotz: Trump kann weiter auf seine Anhänger bauen.
Was bedeutet das alles für Europa oder Deutschland? Sollte Trump bestätigt werden, und diese Möglichkeit ist trotz des Umfragenvorsprungs von Biden durchaus vorhanden, steht die Weltnachkriegsordnung auf der Kippe. Ähnlich der Innenpolitik behandelt der Narzisst in der Außenpolitik Verbündete nach Gusto, Halbwissen und Stimmung. Freunde werden zu Gegnern oder gar Feinden. Internationale Abkommen sind für ihn Ausdruck von faulen Kompromissen. Welthandel, Klimaschutz, Sicherheitspolitik, alles unfair, soweit sich Trump nicht breitbeinig durchsetzt. Den Sinn des Verteidigungsbündnisses Nato versteht Trump nicht wirklich, von der EU erst gar nicht zu reden. Gründe genug, die Wahlen genau zu verfolgen.