Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wahl mit unbekannten Folgen
Was, wenn Trump keine Niederlage akzeptiert? – Szenarien vom Gerichtsurteil bis Militäreinsatz
WASHINGTON (dpa) - Im Idealfall werden die Amerikaner am Mittwoch aufwachen und haben einen neu gewählten Präsidenten, dessen Wahlsieg vom unterlegenen Kandidaten und dem ganzen Land akzeptiert wird. Danach würde sich entweder Präsident Donald Trump auf seine zweite Amtszeit vorbereiten oder sein Herausforderer Joe Biden auf seine Amtsübernahme am 20. Januar. Niemand würde von Wahlbetrug sprechen, es bliebe im ganzen Land friedlich. So weit die Hoffnung. Falls ein Kandidat mit großer Mehrheit gewinnen sollte, könnte es so kommen. Falls es knapp werden sollte, könnte es deutlich chaotischer werden. Ein Überblick zu möglichen problematischen Szenarien:
Es gibt in der Wahlnacht keinen Sieger
Die Präsidentenwahl wird wegen des indirekten Wahlsystems in den Bundesstaaten entschieden: Ein Kandidat braucht zum Sieg die Stimmen von mindestens 270 Wahlleuten der Bundesstaaten. Verzögerungen bei der Auszählung der Briefwahlunterlagen in größeren Staaten könnten daher dazu führen, dass es anders als bei den vergangenen Wahlen am Mittwochmorgen (Ortszeit) noch keinen klaren Sieger gibt. Die umkämpften Bundesstaaten Pennsylvania und Michigan etwa haben bereits angekündigt, dass sich die Auszählung der Stimmen dort bis Freitag hinziehen könnte. Auch in Wisconsin scheinen Verzögerungen nicht ausgeschlossen. Zusammen stellen diese Staaten 46 Wahlleute – sie könnten also das Zünglein an der Waage sein.
Trump ruft sich trotz fehlendem Endergebnis zum Sieger aus Trump hat mehrfach gefordert, dass es noch in der Wahlnacht einen klaren Sieger geben müsse. Mit seinen Aussagen hat er Befürchtungen genährt, dass er sich zum Sieger ausrufen könnte, bevor die Wahl tatsächlich entschieden ist. Der Sinn eines solchen Schachzugs wäre wohl, die Legitimität der Wahl zu untergraben. Für einen solchen Schritt kämen Trump Verzögerungen bei der Auszählung der Briefwahlstimmen wohl gelegen. Umfragen legen nahe, dass die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen wohl eher zugunsten Trumps ausfallen dürften, die Briefwahlstimmen eher für Biden. Nach dieser Logik wäre klar: Je länger gezählt wird, desto gefährlicher könnte es für Trump werden. Zudem macht der Präsident seit Monaten mit Betrugsvorwürfen Stimmung gegen Briefwahl. Er könnte nicht ausgezählte Stimmen pauschal als gefälscht bezeichnen.
Die Wahl wird vor Gericht entschieden
Anwälte von Republikanern und Demokraten stehen sich wegen der Wahl schon seit Monaten in Dutzenden Prozessen gegenüber. Grob gesagt, wollen die Demokraten das Abstimmen möglichst einfach machen, um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Die Republikaner wehren sich aber gegen Maßnahmen, die zum Beispiel wegen der Pandemie das Abstimmen per Briefwahl erleichtern sollen. Die ganze Wahl könnte aber letztlich von ein paar Hundert oder Tausend Stimmen in einem Staat abhängen – ein einziger Rechtsstreit könnte bei einem knappen Ergebnis daher theoretisch ent
Auf halten wir Sie in einem aktuellen Live-Blog über den Ausgang der US-Wahl auf dem Laufenden. Hier erfahren Sie umgehend von den neuesten Entwicklungen bei der Stimmauszählung und ob der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin Donald Trump heißen wird oder doch Joe Biden. scheidend werden. So ähnlich lief die Wahl 2000 ab: Ob George W. Bush oder Al Gore der nächste Präsident würde, hing damals nur am Auszählungsergebnis im bevölkerungsreichen Bundesstaat Florida. Der Rechtsstreit um das Ergebnis und Neuauszählungen zog sich bis vor das Oberste Gericht in Washington. Danach räumte Gore seine Niederlage ein. Bush gewann mit 537 Stimmen Vorsprung, sicherte sich die Stimmen der Wahlleute Floridas und wurde US-Präsident. Ein solcher Rechtsstreit wäre 2020 vor allem in den umkämpften „Swing States“wahrscheinlich, also jene Staaten, die mal für einen Republikaner, mal für
Wir holen für Sie Reaktionen ein, aus den USA, der Welt, aus Europa, Deutschland und auch der Region. Den Live-Blog sowie Videos, Grafiken, Analysen, Kommentare und Hintergrundberichte finden Sie auf einen Demokraten stimmen. Ein Rechtsstreit könnte wieder bis vors Oberste Gericht in Washington gehen. Sechs der neun Richter gelten als konservativ, drei von ihnen hat Trump ernannt. Vorteil Trump?
Trump gewinnt die Wahl, aber Biden hat mehr Stimmen
Weil der Präsident nicht direkt gewählt wird, ist es streng genommen egal, wer die meisten Stimmen bekommt. 2016 etwa lag die Demokratin Hillary Clinton mit fast drei Millionen Stimmen vor Trump. Die von dem Republikaner gewonnenen Bundesstaaten verhalfen ihm aber zu einer großen Mehrheit der Wahlleute (304 gegen 227). Es war das fünfte Mal in der US-Geschichte, dass ein Kandidat ohne eine Mehrheit der Direktstimmen Präsident wurde. Aufgrund des Wahlsystems und der Zusammensetzung der Bevölkerung der Bundesstaaten könnte es bei dieser Wahl erneut ein solches Ergebnis zugunsten Trumps geben.
Trump verliert, weigert sich aber die Niederlage einzuräumen
Für diesen Fall gibt es grundsätzlich zwei Szenarien. Im ersten Fall kämpft Trump vergeblich vor Gericht gegen seine Niederlage, er wirft den Demokraten Wahlbetrug vor und feuert täglich wütende Tweets ab. Das Wahlkollegium wählt Biden zum neuen Präsidenten. Trump räumt seine Niederlage zwar nie öffentlich ein, verlässt aber am 20. Januar wie von der Verfassung vorgesehen das Weiße Haus. Seine Vorwürfe über den angeblichen Wahlbetrug wird er aber wohl weiter äußern. Der zweite Fall ist ein wesentlich düstereres Szenario: Wie oben erläutert wehrt sich Trump gegen die Niederlage. Er weigert sich jedoch, auch nach Ausschöpfung des Rechtswegs abzutreten. Biden wird aber am 20. Januar vereidigt. Damit befänden sich die USA in einer Verfassungskrise ohne Gleichen. Es gibt dafür keinen klaren Fahrplan. Biden hatte im Juni gesagt, er sei „absolut überzeugt“, dass das Militär Trump notfalls aus dem Weißen Haus eskortieren würde, falls dieser sich weigern sollte. Der von Trump ernannte Generalstabschef Mark Milley erklärte aber, das Militär werde auch im Fall eines umstrittenen Wahlausgangs keine Rolle spielen.
Das Katastrophenszenario: Trump verliert, er und sein Justizministerium weigern sich aber trotz Ausschöpfung des Rechtswegs, das Ergebnis anzuerkennen. Es kommt zu Protesten und Ausschreitungen im ganzen Land. Trump setzt die Nationalgarde ein, schließlich ruft er sogar das Kriegsrecht aus („insurrection act“), um das Militär einzusetzen. Demonstranten greifen zu Waffen, es drohen Chaos und Gewalt.